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Die Energiesituation nach dem Abschalten der Atomkraftwerke

Wenn eines Tages die Atomkraftwerke abgeschaltet werden, so wie es Wunsch und Wille der derzeit amtierenden Bundesregierung ist, ist dann die Energieversorgung trotzdem weiterhin gewährleistet? Diese Frage beschäftigt derzeit die Energiefachleute. Die meisten sind der Ansicht, es müssten zügig neue Kohle- oder Erdgaskraftwerke gebaut werden, um die Versorgungslücke zu schließen. Denn allein durch eine bessere Ausnutzung der Energie und durch den Ausbau der alternativen Energieträger wie Sonne, Wasser oder Wind sei ein Ausgleich nicht möglich. Die europäische Vereinigung für Erneuerbare Energien, Eurosolar, die finanziert wird durch Mitgliedsbeiträge und Spenden, ist da ganz anderer Ansicht und hat das durch eine Studie untermauert.

Von Dieter Nürnberger | 13.01.2005
    Allein bis zum Jahr 2020 müssen in Deutschland rund 40 Gigawatt Kraftwerkskapazitäten ersetzt werden. Weil der Ausstieg aus der Kernenergie kompensiert werden muss und weil ebenso neue Kraftwerke gebaut werden müssen, da ein Großteil der Kohle- und Gasversorgung veraltet ist. Insgesamt ist beispielsweise bis 2010 die Hälfte der existierenden Braunkohleindustrie davon betroffen. Die nun vorgelegte Studie von Eurosolar sieht in dieser Tatsache aber keinen Hinweis auf eine künftige Versorgungslücke, ganz im Gegenteil, denn die Botschaft der Studie ist eindeutig: Bis zu 62 Gigawatt insgesamt könnten in Deutschland bis 2020 allein aus Erneuerbaren Energien gespeist werden. Aus Wind, Sonnen- und Bioenergie sowie der Nutzung von Erdwärme. Das klingt für viele zu phantastisch und utopisch, doch Herman Scheer, der Präsident von Eurosolar kennt da keine Zweifel, es gehe um unwiderlegbare Tendenzen in der Stromwirtschaft. Ein Beispiel.

    Erneuerbare Energien können nur billiger werden. Denn wir haben hier mit Ausnahme der Bioenergie nur Technikkosten. Und Technikkosten sinken mit der breiten Einführung und der technologischen Verbesserung. Herkömmliche Energien dagegen können nur teurer werden. Denn Sie haben die Technikosten und die Brennstoffkosten.

    Und so wurde die Erfolgsgeschichte der Wind- oder auch Solarindustrie in den vergangenen Jahren in Deutschland hochgerechnet auf künftige Entwicklungen - beispielsweise in der Geothermie. Hier sieht Eurosolar eine wesentliche Zukunftstechnologie, die allein 16 Gigawatt im Jahr 2020 erbringen könnte. Wobei das Geschäft mit der Geothermie erst ab 2010 richtig in Fahrt käme. Hans-Josef Fell, der Vorsitzenden von Eurosolar Deutschland.

    In der Studie ist konservativ mal 100 Megawatt bis 2010 als realistisch angenommen worden, obwohl wir aus der Industrie, aus der Geothermischen Vereinigung, wissen, dass diese schon in Projekten denken, die bei 600 Megawatt liegen. Sie haben inzwischen entsprechende Planungen. Das heißt: Unternehmerisches Handeln geht über diese Studie noch hinaus.

    Politisches Ziel sei ein ausgewogener Energiemix in der Zukunft, wobei man auch davon ausgeht, dass die Energieeffizienz jährlich um ein Prozent steigen werde, das heißt, der heute angenommene Energiebedarf sei so gar nicht vorhanden. Zudem werde dank besserer Technik auch der Energiebedarf der Haushalte und des Gewerbes deutlich nach unten gehen. Berücksichtigt ist in der Studie, dass der Ausbau der Windkraft in Deutschland langfristig nicht so weitergehen wird wie bisher. Die Windkraft spielt aber weiterhin eine große Rolle. Allerdings müsse die Politik für dieses Szenario von Eurosolar auch weiterhin einen verlässlichen politischen Rahmen bieten, so Hermann Scheer.
    Erstens: Das Erneuerbare-Energien-Gesetz muss aufrechterhalten werden! Zweitens: Es gibt ja viele, auch in unseren Kreisen, die die Windkraft im Binnenland fast schon abgeschrieben haben und nun sehr auf Offshore setzen. Dazu gehören wir ausdrücklich nicht! Notwendig ist aus unserer Sicht eine systematische Erfassung sämtlicher windgünstiger Gebiete im Binnenland auch entlang der Bundesautobahnen und auch der Eisenbahnstrecken.

    Die Energiegewinnung aus Kraft-Wärme-Kopplung und aus Biomasse spielt in der Eurosolarstudie eine Hauptrolle. Dieser Bereich sei ausbaubar und was beispielsweise noch vor fünf Jahren als Spinnerei abgetan wurde, sei heute längst Realität. Die Eurosolarstudie lebt vielleicht auch ein wenig von diesem Prinzip, dass technisch in Zukunft mehr möglich sei, als man heute ahnt. Hans-Josef Fell:

    Wir haben jede Menge Ausbaumöglichkeiten bei den erneuerbaren Energien. Das geht nicht so weit, dass wir den Ersatz der Kernkraftwerke und das Repowering der Kohlekraftwerke schaffen können. Sondern wir haben bald auch die Möglichkeit Strom aus erneuerbaren Energien nach Frankreich oder Osteuropa zu exportieren.

    Und so ist die Selbsteinschätzung von Eurosolar über die eigene Studie sogar noch eher konservativ und bescheiden, man habe nur das berücksichtigt, was wirklich berechenbar sei. Eines aber ist klar - die Reaktion der Kritiker und Skeptiker wird nicht lange auf sich warten lassen.