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Die EU, die Türkei und die Zypern-Frage

Die fortdauernde Spaltung Zyperns bereitet der EU große Probleme und droht auch die Beitrittverhandlungen mit der Türkei ins Stocken zu bringen. Nun hat die finnische EU-Ratspräsidentschaft die Türkei ultimativ aufgefordert, bis nächste Woche in der Zypernfrage einzulenken. Jerry Sommer aus der Hafenstadt Famagusta.

    Im Hafen von Famagusta: ein Kran hebt Eisenstangen aus dem Rumpf eines Schiffes und verlädt sie auf einen Lastwagen. Nur drei Schiffe haben am Kai festgemacht. Der Schiffsverkehr nach Famagusta ist gering, auch wenn der Umschlag in den letzten Jahren zugenommen hat. Mustafa Denizer, der Vorarbeiter einer türkisch-zypriotischen Spedition, erklärt, woher die Waren stammen.

    "Die meisten Waren sind für die Bauindustrie. Da gibt es seit zwei Jahren einen Boom bei uns. 80 Prozent der Baumaterialien kommen, wie die Eisenstangen heute, aus der Türkei. Wir importieren aber auch Holz aus Schweden und Sanitäranlagen und Textilwaren aus China. "

    Der Hafen von Famagusta ist international nicht anerkannt - eine Folge der Spaltung Zyperns. Schiffe, die hier anlegen, müssen mit saftigen Geldbussen rechnen, wenn sie anschließend einen griechisch-zypriotischen Hafen anlaufen. Die meisten EU-Staaten möchten diese Situation ändern und den Zyperntürken einen direkten Handel von Famagusta in die EU gestatten. Doch an dem Veto der Zyperngriechen sind diese Bemühungen bisher gescheitert. Mustafa Denizer:

    "Direkter Handel mit der EU hätte große Vorteile für uns. Unsere Exporte würden konkurrenzfähiger werden. Wir könnten dann Zitrusfrüchte und Kartoffeln zollfrei in die EU exportieren."

    Die ökonomische Isolation der Zyperntürken spielt auch bei dem Streit zwischen der EU und der Türkei eine große Rolle. Denn die Türkei weigert sich, griechisch-zypriotische Schiffe in ihre Häfen zu lassen, obwohl sie das vertraglich zugesagt hat. Die türkische Forderung: erst solle das wirtschaftliche Embargo gegen die türkischen Zyprioten aufgehoben werden, wie es die EU ebenfalls versprochen hat.

    Wie die meisten türkischen Zyprioten findet Mustafa Denizer die Unterstützung aus der Türkei gut - und hofft auf einen Kompromiss:

    "Die Türkei könnte ihre Häfen für griechisch-zypriotische Schiffe öffnen. Und im Gegenzug würden direkter Handel mit der EU von Famagusta aus und direkte Flüge nach Nordzypern möglich werden. Das wäre doch gut für alle. Und das würde unsere Wirtschaft ankurbeln."

    Aber direkte Flüge in den zyperntürkischen Teil der Insel - das lehnt die griechisch-zypriotische Regierung ab. Mustafa Denizer ist enttäuscht über diesen Alleinvertretungsanspruch der Zyperngriechen, mit dem sie der wirtschaftlichen Entwicklung des Nordens Steine in den Weg legen.

    Im Cafe diskutiert er nach der Arbeit mit Kollegen über das Thema. Sie sind sich einig: Diese Probleme würden nicht existieren, hätten die griechischen Zyprioten vor zwei Jahren nicht den Wiedervereinigungsplan der. Dann wäre Zypern heute ein Staat, griechische und türkische UNO abgelehnt Zyprioten wären Teil der EU. Jetzt sind allerdings nur die Zyperngriechen Mitglied der Union. Und die Chancen für eine Wiedervereinigung der Insel könnten noch geringer werden, sorgt sich Mustafa Denizer:

    "Wenn es bei den Beitrittsverhandlungen zwischen der Türkei und der EU zum Krach kommt, dann wäre das sehr, sehr schlecht für die Lösung des Zypern-Problems."

    Denizer befürchtet, dass die türkische Regierung nicht zu Zugeständnissen bereit sein wird, wenn die griechischen Zyprioten nicht einlenken. Doch diese haben sogar ein Gespräch mit Vertretern der türkischen Zyprioten über einen möglichen Kompromiss abgelehnt. Auch der Bürgermeister von Famagusta, Oktay Kayalp, ist deshalb skeptisch.

    "Ich habe nicht viel Hoffnung, dass es bald zu einem Kompromiss kommt. Sich bis Ende dieses Jahres über den direkten Handel zu einigen, das scheint mir nicht möglich zu sein."

    Abends in einem Supermarkt, hier geht Mustafa Denizer mit Frau und Kindern einkaufen. Er mag die Hoffnung nicht aufgeben:

    "In Zypern wird es schon vorangehen - irgendwann. Meine Hoffnung ist zwar klein. Aber ohne Hoffnung kann man nicht leben."

    Seine Frau ist da skeptischer:

    "Nur wenn die griechisch-zypriotische Regierung abgelöst wird, wird eine Wiedervereinigung möglich sein."

    Doch Tassos Papadopoulos, der Präsident der Zyperngriechen, sitzt fest im Sattel. Und an seiner Starrheit könnte sogar ein Kompromiss über den direkten Handel der Zyperntürken mit der EU scheitern, befürchtet die Familie Denizer.