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Die Firma, die Firma, die hat immer Recht!

Eine Ode an die Firma - das kennt man eigentlich eher aus Japan oder den USA. Doch auch in Deutschland setzt sich das vertonte Lied für den Betrieb durch. Auf der Hamburger Kampnagel-Bühne greift ein Stück von Thomas Ebermann das Phänomen auf.

Von Rainer Link | 08.03.2012
    Eigentlich hatten die beiden erfolgsfernen Musiker Toni und Felix eine ziemlich geniale Geschäftsidee. Firmenhymnen.

    Robert Stadlober: "Ja, drauf gekommen ist mein Teilhaber. Und er hatte eben was gelesen über diese Firmenhymnen und meinte eben, das können wir auch, vielleicht sogar besser."

    Und ihre Firmenhymnen zur Mitarbeitermotivation wurden in der Tat ziemlich schnell ein Renner. Pech nur, dass auch dieser Job nicht Burn-out-resistent bleibt, weil man miese Kompositionen als tolle Songs anpreisen muss. Da hilft auch die vertraglich vereinbarte 20-Stunden-Woche wenig.

    "Ich habe am Wochenende nur an Suizid gedacht. Ich denke wirklich manchmal daran auszusteigen. Ha, ha, wenn Sie wirklich mal aussteigen , sagen Sie Bescheid. Ich schicke Ihnen dann ein Buch: Die Kunst des stilvollen Verarmens."

    Thomas Ebermann, der Regisseur und Autor, zeigt in seinem Theaterdebüt, wie das Business die Seele auffrisst. Er beschreibt ein Entfremdungsphänomen, das gerade in den kreativen Geschäftssparten seine Opfer findet. Ebermann:

    "Die Firmenhymne ist was Lächerliches, über das wir, die wir noch ein paar Tassen im Schrank haben, uns gemeinsam erheben können. Aber sie ist eigentlich nur die Spitze des Eisberges, der längst als legitim gilt: Gerade las ich in der 'Frankfurter Allgemeinen Zeitung', dass Topleute mit einem Lama eine Woche durch den Wald ziehen, um dabei ihre Führungseigenschaften zu schulen."

    Die Story spitzt sich zu, als die Junior Chefin einer Glasfabrik ,dargestellt von Pheline Roggan, ins Spiel kommt. Als Studentin hatte sie noch eine Arbeit über "Die Erbschaft als Verkörperung des leistungslosen Einkommens" verfasst. Jetzt wird sie selbst zur Erbin.

    " Pheline Roggan: Na letzten Endes hat sie alle früheren Ideale über Bord geschmissen und ... also alles, wogegen sie früher gekämpft hat und wovon sie sich immer distanzieren wollte, da ist sie nun doch unter den Rockzipfel gekrochen."

    Sie will den Betrieb modernisieren und dazu passt dann der Kauf einer eigenen Firmenhymne. Die Auswahl ist groß, die Hymnendealer präsentieren ihre Referenztitel. Im Bühnengeschehen beständig ins Absurde gezogen durch die Videoprojektion der fiktiven Hymen auf eine Großleinwand. Darunter auch ein Lied für Tengelmann.

    Ebermann ist ein anspruchsvolles, gesellschaftskritisches Stück gelungen, in dem er einen genauen Blick auf die Abgründe moderner Arbeitsbeziehungen wirft. Und er hat sich dabei prominente Unterstützung gesichert: Robert Stadlober und Tilbert Strahl-Schäfer zum Beispiel in den Rollen der Firmenhymnenhändler. Aber er hat auch eine wunderbare Musikertruppe verpflichtet. Bernadette La Hengst singt die Hymne für VW, Rocko Schamoni und Lisa Politt trällern für Kaiser's Tengelmann, Gustav Peter Wöhler singt für die Unternehmensberatung Ernst & Young, Nina Petri für die Postbank. Und Harry Rowohlt, der noch nie gesungen hat, ließ sich zum Brummeln einer Hymne für einen Rüstungskonzern bewegen. Thomas Ebermann:

    "Wenn der Theaterabend gelingt, werden wir natürlich über die absurden und grotesken Momente von Firmenhymnen gemeinsam lachen, aber auch ein bisschen erschrecken, wie tief man in den Sachen steckt, die da drum rum gruppiert sind."

    Die Firmenhymnen sind jede für sich ein absolutes Vergnügen. Aber was ist der Hit? Stadlober:

    "Wenn man auf surrealistische Texte steht, würde ich sehr stark die Hymne der Packstation empfehlen. Ich glaube, ein schöneres Liebeslied an ein seelenloses Produkt gab es noch nie."

    Info

    "Der Firmenhymnenhandel" hat am 9.3.2012 Premiere und läuft dann noch bis zum 17. März auf Kampnagel in Hamburg.