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Die fliegende Freiheitsstatue

Raumfahrtkonzerne aus Europa und den USA wollen gemeinsam eine neue Rakete bauen - und zwar aus ihren Restbeständen. Liberty, so ihr Name, wurde auf der Jahrestagung des Amerikanischen Instituts für Aeronautik und Astronautik in Long Beach vorgestellt.

Von Guido Meyer |
    Neue Raketen sprießen in diesen Wochen wie Pilze aus dem Boden. Erst Anfang des Monats hatte die US-Raumfahrtbehörde NASA ihren neuen Schwerlastträger vorgestellt, der amerikanische Astronauten zu einem Asteroiden und zum Mars transportieren sollen. Da wollten sich auch kommerziellen Raumfahrtunternehmen nicht lumpen lassen und haben gestern auf der Jahrestagung des Amerikanischen Instituts für Aeronautik und Astronautik in Long Beach ihren Gegenentwurf vorgestellt. Europa und USA wollen gemeinsam die Rakete Liberty bauen - und zwar aus ihren Restbeständen.

    Man nehme die größten Erfolge der 80er und 90er und das Beste von heute. Nicht nur im Radio führt dieses Ziel zum Erfolg, auch im All. Darauf hoffen jedenfalls der amerikanische Raumfahrtkonzern ATK und Europas Weltraumkonsortium Arianespace.

    "Wir wollen das Beste aus unseren beiden Raketen zusammenbringen. Dazu packen wir die Hauptstufe der europäischen Ariane-5-Rakete oben auf eine der weißen Feststoffraketen, mit denen bislang die amerikanischen Space Shuttles ins All geflogen sind. Damit können wir dann sowohl Nutzlasten als auch Astronauten in den Weltraum schießen. Es soll also keine Konkurrenz zum kommerziellen Satelliten-Transport der Ariane V entstehen, sondern ein verlässliches bemanntes Transportmittel für die Erdumlaufbahn."

    Clayton Mowry ist der Präsident des Büros von Arianespace in Washington, D. C. Und die Begeisterung der Neuen Welt für dieses Projekt ist so groß, dass diese erstmalige Zusammenarbeit beim Bau einer Weltraumrakete sich auch in deren Namen wiederfindet.

    "Die Rakete heißt Liberty, denn ihre zweite Stufe entstammt der Ariane V, die mehrheitlich von Frankreich gebaut wird. Wir erinnern mit dem Namen an die Freiheitsstatue, Lady Liberty, die wir 1886 von Frankreich bekommen haben."

    Ken Rominger, fünfmaliger Space-Shuttle-Astronaut und heute Vize-Präsident der Raumfahrtfirma ATK - dem amerikanischen Pendant zu Arianespace -, die die erste Stufe von Liberty bauen will. Wobei "bauen" übertrieben ist, denn genauso wie die Ariane-V-Hauptstufe gibt es auch den ATK-Part der neuen Rakete bereits.

    "Wir verlängern die Shuttle-Booster um ein fünftes Segment und machen sie so schubstärker. Die gesamte Infrastruktur zum Zusammenbau der Rakete existiert am Kennedy Space Center noch aus Shuttle-Zeiten. Solch eine Rakete macht also doppelt Sinn, sowohl vom Standpunkt der Sicherheit als auch von den Kosten her."

    Einmal hat eine dieser beiden Zusatzraketen der Raumfähren beim Start versagt. Das war 1986. Ein Dichtungsring zwischen den Segmenten hatte den eisigen Januar-Temperaturen am Kennedy Space Center nicht standgehalten. Eine Flamme trat aus, die den großen braunen Außentank aufschweißte. Dies führte zur Explosion der Fähre Challenger und zum Tod der siebenköpfigen Crew.

    "Auf einen dieser Booster setzen wir die Hauptstufe der Ariane V, die zuletzt 45mal hintereinander erfolgreich geflogen ist."

    John Schuhmacher vom Nordamerika-Büro des europäischen Raumfahrtkonzerns EADS Astrium bilanziert hier die Ariane-V-Geschichte der letzten Jahre. Demnach sei die Liberty-Rakete so sicher, dass auf ihrer Spitze Astronauten mit einer der Kapseln der neuen kommerziellen Anbieter ins All fliegen können. Und so ganz nebenbei läute das amerikanisch-europäische Projekt Liberty auch ein neues Kapitel von Zusammenarbeit in der Raumfahrt ein, findet Donald Sauvageau, beim Raumfahrtkonzern ATK im US-Bundesstaat Utah Direktor für fortgeschrittene Weltraumprogramme.

    "Als Präsident Barack Obama im letzten Jahr die nationale Weltraumpolitik der USA neu formuliert hat, hat er Wert auf eine verstärkte internationale Zusammenarbeit gelegt, nach dem Vorbild der Internationalen Raumstation. Genau das wollen wir liefern. Es ist ein einfaches Konzept, das nur auf zwei Stufen besteht, mit jeweils einem Motor pro Stufe. Die Eleganz dieser Rakete liegt in ihrer Einfachheit."

    Und in ihrem Nutzen für die Raumfahrtfirma ATK, die nach dem Ende der Raumfähren-Jahre womöglich nun einen neuen Markt für ihre Feststoffbooster gefunden hat.