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Die Funk-Korrespondenz und der film-dienst der katholischen Kirche werden eingestellt

Koldehoff: Was zunächst einmal leistet denn der "film-dienst", und ist er für Sie ein wichtiges Medium?

    Leder: Der Film-Dienst ist eine zur Zeit zweiwöchentlich erscheinende Filmzeitung, die eines auszeichnet: Seit ihrer Gründung bespricht sie jeden in einem Kino in Deutschland laufenden Spiel- und Dokumentarfilm. Das heißt, wenn man jetzt dieser Tage die aktuelle Ausgabe liest, wird man Hinweise auf all die Filme bekommen, die diese oder nächste Woche Donnerstag in den deutschen Kinos laufen.

    Koldehoff: Ist das so eine Art Archiv des in Deutschland laufenden Filmes?

    Leder: Ja, es ist eine klassische Zeitschrift mit Porträts und Hintergrundgeschichten, seit Ewigkeiten mit sehr frühen kritischen Untersuchungen zum amerikanischen Kino von einem Korrespondenten in Los Angelos, bis zu Artikeln, die die Filmgeschichte immer wieder neu aufbereiten oder auch zu Themendossiers. Es gab drei wunderbare Themenhefte zu den Farben Blau, Gelb und Rot. Es gab ganz lange einen Mittelteil zu den Filmen, die im Fernsehen laufen, also ein Register der interessanten Spielfilme, die wir in mannigfacher Form im Fernsehangebot sehen können.

    Koldehoff: Blicken wir doch mal zurück. Seit 1947 gibt es diese Zeitschrift, 55 stolze Jahre lang also. Wie kam es denn damals kurz nach dem Krieg überhaupt dazu, dass sich die Kirchen um den Film gekümmert haben?

    Leder: Es gibt einen ganz einfachen Grund. Die Kirchen kümmerten sich deshalb um das Kino, weil sie glaubten, dass es die Jungend verführe. Der Film-Dienst hat heute noch am Ende jeder Kritik eine zusammenfassende Wertung. Die war traditionell die Wertung der katholischen Filmkommission. Die stufte die Filme danach ab, ob sie für die Jungend akzeptabel sei, ob sie nütze oder, was viel schlimmer ist, sie verführe. Vom letzteren Filmen wurde dann dringend abgeraten. Das heißt, es gab ein sehr starkes pädagogisches Moment in diesem Interesse, diesen Film, diesen Ort Kino zu beleuchten.

    Koldehoff: Ist das heute noch so? Oder haben sich da die Redakteure von der Kirche, von der finanzgebenden Mutter emanzipiert?

    Leder: Erst einmal hat sich die Kirche natürlich im Verhältnis zu dem Massenmedium verändert. Zweitens ist das Pädagogische sehr weit zurückgegangen. Das Dritte ist, dass sich die Kirche, was ja manche in der katholischen Kirche sehr kritisch sehen, verweltlicht hat. Damit hat sich auch der Film-Dienst verweltlicht. Er ist heute eben eine respektable Filmzeitschrift. Dieser Wandel ist aber schon vor 20 oder 25 Jahren eingetreten. Der Film-Dienst hat sich sehr früh, schon in den 60er Jahren für die umstrittenen Filme eingesetzt, während er noch in den 50er Jahren vor diesen Filmen gewarnt hat.

    Koldehoff: Die wahrscheinlich auflagenstärkste Zeitschrift in Deutschland ist Cinema, herausgegeben von der Verlagsgruppe Milchstrasse, die sich ansonsten für Titel wie Fit for Fun auszeichnet und hervortut. Heißt das denn, dass nur noch das Kommerzielle für Cineasten übrig bleibt, wenn es denn Film-Dienst nicht mehr gibt. Gibt es dann nur noch Artikel, die sich kaum noch von Werbetexten unterscheiden?

    Leder: Das ist der große Unterschied neben der wie gesagt fast enzyklopädischen Erfassung aller Filme, nämlich die kritische Durchprägung dessen, was Kinoproduktion und Kinoangebot betrifft. Es gibt noch weitere Filmzeitschriften, zum Beispiel den epd-Film, also das evangelische Pendant als Monatszeitung. Darüber hinaus gibt es seit einigen Jahren eine Reihe von Filmzeitschriften, die nicht auf Subventionen basieren, sondern in der Regel auf Selbstausbeutung. Ich möchte da vor allem eine wunderbare Zeitschrift nennen, die Steadycam. Sie wird von Milan Pavlovic herausgegeben. Sie ist opulent gedruckt und mit vielen fast filmanalytischen Beschreibungen von Filmen aufgemacht. Dies ist nur möglich, weil Pavlovic sich selbst ausbeutet. Die anderen beiden erwähnten sind abhängig von der Subvention der Kirchen. Es gibt noch weitere Filmzeitschriften. In der Regel haben die aber keinen Ewigkeitswert, weil irgendwann einmal die Subvention einer Institution ausbleibt oder aber die Selbstausbeutung nicht mehr aufrecht erhalten werden kann. Das liegt ganz einfach daran, dass in Deutschland das Publikum massenhaft nur noch nach Reklamezeitschriften giert und nicht nach etwas analytisch Kritischem, was sich mit dem Kino beschäftigt.

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