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Die Geheimnisse der Bio-Propeller

Biologie. - Im Inneren unseres Körpers herrscht rege Betriebsamkeit: Moleküle, Organellen und ganze Zellen werden hin- und hergeschoben oder arbeiten sich selbst zu einem bestimmten Punkt vor. Transportmittel oder Antrieb für diese Bewegungen sind die sogenannten Motor Proteine; Eiweiß-Stoffe mit der außergewöhnlichen Fähigkeit, die Energiequelle unseres Körpers, das ATP, in mechanische Bewegung umzusetzen. Die Funktion von einem dieser Motorproteine haben Forscher in Leeds jetzt genauer betrachtet.

    Von Barbara Witthuhn

    Wie kleine Boote mit Außenbordmotor können viele Zellen umher sausen. Angetrieben durch winzige Härchen auf der Zellwand – die so genannten Flagellen oder Zilien. Sie rotieren wie Minipropeller und bewegen die Zellen so. Im Inneren dieser feinen Härchen steckt der eigentliche Motor: Besondere Eiweißstoffe – die Motor-Proteine. Eines der komplexesten Motor-Proteine ist das Dynein. Es treibt Spermien an, bringt die Eizelle durch den Eileiter in die Gebärmutter und sorgt dafür, dass sich die Lungenhärchen bewegen und so Fremdstoffe aus unserer Lunge katapultieren. Auch im Inneren unserer Zellen ist es die Spedition für alle Arten von Molekülen und Organellen. Wie der Dynein-Motor im Detail funktioniert, ist aber ein Rätsel:

    Im Moment ist unser Wissen darüber, wie Dynein und die Flagellen funktionieren so primitiv, dass wir Probleme, die auftreten, nicht diagnostizieren können. Das ist als würden wir ein kaputtes Auto in die Werkstatt bringen und der Mechaniker sagt: "Tja – es ist kaputt, aber wir wissen nicht, wie der Motor funktioniert und können es daher nicht reparieren."

    Dr. Peter Knight von der Universität Leeds ist zusammen mit Kollegen jedoch auf dem besten Weg, das zu ändern. Klar ist bereits, dass Dynein rhythmisch seine Struktur ändert, um die Zellen anzutreiben. Ähnlich wie ein Kolben, der so das Getriebe bewegt. Als Treibstoff für diese Bewegung dient das ATP, der Energiespeicher der Zelle: Es wird zersetzt, die dabei freiwerdende Energie in mechanische umgewandelt. Peter Knight hat nun im Elektronenmikroskop einzelne Dyneinmoleküle in unterschiedlichen Phasen des Bewegungsprozesses betrachtet.

    Wir konnten das Molekül in dem Zustand bevor es Arbeit leistet – also die Flagella bewegt – beobachten und danach. Wir waren also in der Lage, Anfang und Ende des Bewegungszyklus zu sehen, konnten die beiden Zustände miteinander vergleichen und sehen, wie sich die Molekülstrukturen unterscheiden.

    Und die unterscheiden sich gewaltig, wie Peter Knight feststellte. Prinzipiell sieht Dynein so ähnlich aus wie ein Doughnut auf Stelzen: Eine große ringfömige Struktur bildet den Kopf des Moleküls. Aus ihm ragen zwei langgestreckte Fortsätze – der Stengel und der Stamm, wie die Biochemiker sie nennen. Wenn nun ATP an den Kopf des Dynein-Moleküls bindet und umgesetzt wird, ändern Stengel und Stamm ihre Lage zueinander: Der Stamm bewegt sich auf den Stengel zu und verringert so Abstand und Winkel zwischen den beiden Fortsätzen.

    Das ist eine große Veränderung und wir verstehen im Moment noch nicht genau, was passiert, haben aber eine Modell entwickelt, nach dem Dynein sich sehr von den Motor-Proteinen unterscheidet, die bisher beobachtet wurden.

    Nach dem Modell kann das Dynein-Molekül mit jedem Zusammenklappen von Stengel und Stamm ein anderes Molekül ein kleines Stückchen voran schieben oder zur Bewegung der Flagelle beitragen. In der macht ein einzelnes Dynein allerdings nur einen winzigen Teil des Motors aus. So sitzen zum Beispiel im Schwanz eines Spermas bis zu 50.000 Dynein-Moleküle aufeinander. Erst das Zusammenspiel ihrer Strukturänderung bewegt die ganze Flagella.

    Was es zusätzlich kompliziert, ist, dass zum Beispiel im Schwanz des Spermas acht verschiedene Arten des Dyneins vorkommen. Sie arbeiten alle vermutlich ein bisschen anders. Daher wissen wir bisher natürlich nicht, ob unser Dynein-Typ genau so funktioniert, wie die sieben anderen.

    Dennoch hat man nun zumindest bei einem Dynein-Typ eine Vorstellung davon, wie er funktioniert. Diese Vorstellung zu untermauern, ist Peter Knights nächstes Ziel. Dazu will er das Motor-Protein in Wasser schockgefrieren und die Momentaufnahmen mit dem Elektronenmikroskop vergrößern. In den "Eiswürfeln" kann er das Molekül dann von drei Seiten sehen. Bisher sah er nur zwei Seiten des Dyneins, da es sich wegen seines runden, aber flachen Kopfs – wie eine Münze – nur auf die Vorder- oder Rückseite legt.