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Die geretteten Götter von Tell Halaf

Die Ausstellung "Die geretteten Götter aus dem Palast vom Tell Halaf" ist im Berliner Pergamonmuseum zu sehen. Die Exposition des Vorderasiatischen Museums zeigt bis Mitte August die nach aufwändiger Restaurierung wiederhergestellten Steinbilder, die Max von Oppenheim 1911 bis 1913 am Siedlungshügel Tell Halaf in Nordostsyrien freilegte.

Von Carsten Probst |
    Was Max von Oppenheim, der Selfmade-Archäologe, bei seiner groß angelegten Grabungsexpedition in Syrien 1911 ausgrub, glich schon damals einer archäologischen Sensation. Kolossale Götterstauen und Tierskulpturen eines alten Palastes aus dem 1. Jahrtausend vor Christus, darunter eine Sitzende Göttin mit langen, gedrehten Zöpfen, aber auch grandios modellierte Löwenköpfe, Sphingen, ein riesiger Greif und ein mächtiger Stier, allesamt ausdrucksstarke Bildwerke. Einen Teil seines Fundes konnte er nach Berlin mitnehmen, wo er für die Figuren ein eigenes Museum errichtete, doch in den Bombennächten des Novembers 1943 schien sein Lebenswerk mit einem Schlag verloren gegangen, wie sein Urgroßneffe, Christopher Freiherr von Oppenheim, heute berichtet.

    "Seine Orientalia-Sammlungen waren zerstreut oder zerstört, sein Tell Halaf-Museum war zerstört, sein Vermögen durch Inflation und seine wissenschaftliche Arbeit aufgefressen, seine Wohnungen waren zerstört und zusätzlich noch der Bombenangriff auf Dresden: Er war ein alter, gebrochener Mann am Ende seiner Kräfte. "

    So legte sich über die über dreitausend Jahre alte Geschichte der Götterskulpturen aus der nordsyrischen Wüste jäh der Schatten des Zweiten Weltkriegs und der Nachkriegszeit. Zwar hatte Max von Oppenheim die Trümmerstücke noch bergen und in einem Keller des Vorderasiatischen Museums Berlin lagern lassen. Doch eine Wiederherstellung der Figuren erschien aussichtslos, denn das Museum lag im Ostteil der Stadt. Zu DDR-Zeiten gab es keinerlei Kontakt zwischen den Nachlassverwaltern und dem Museum, und in der DDR fehlten finanzielle Mittel für eine Restaurierung. Erst infolge der Wiedervereinigung der Staatlichen Museen Berlin nach 1990 kam wieder Bewegung in die Angelegenheit. Aber dass es den Forschern und Restauratoren tatsächlich gelingen würde, sämtliche Basaltfiguren wiederherzustellen, teilweise sogar noch zu ergänzen, überrascht und überwältigt die Projektbeteiligten selbst bis heute. Von den 27000 Einzelteilen konnten sie bis auf 2000 alle zuordnen. Der Rest gehört zu Trümmerstücken, die schon Max von Oppenheim so nach Berlin mitgebracht und selbst keinem Werk hatte zuordnen können. Bemerkenswert dabei vor allem, dass selbst die Figurenkerne, die durch keinerlei Konturen oder Bildformen erkennbar waren, komplett aus dem Originalmaterial wieder zusammengesetzt wurden, also die Figuren nicht, wie bei Rekonstruktionen sonst üblich , nur mit ihrer Außenhaut auf neu gegossene Betonkerne aufgeklebt wurden.

    So stehen sie nun im angemessen würdevoll ausgeleuchteten Schlütersaal des Pergamonmuseums, bewegende Zeitzeugen in doppelter Hinsicht, deren desaströser Ausgangszustand anhand von Beispielen und Fotografien anschaulich gemacht wird. Die Große Grabfigur, die Löwenskulpturen, die Sitzende Göttin aus Aleppo und das Sitzende Paar des Kultraumes. Insgesamt sind es aber fünfhundert Einzelwerke, die das interdisziplinäre Forschungswerk Max von Oppenheims wiedererstehen lassen sollen. Lutz Martin, Koordinator des Projektes, denkt jedoch schon weiter. Wenn in fünfzehn Jahren das Pergamonmuseum seinen vierten Flügel, geplant durch den Architekten Oswald Matthias Ungers, erhalten haben wird, sollen die Götterfiguren von Tell Halaf in ihrer ursprünglichen Funktion als Torfiguren ihren prominenten Platz im Museum erhalten, als Eröffnung eines wahrhaft grandiosen Rundganges durch viertausend Jahre Architekturgeschichte.

    "Also man geht von der Säulenhalle des Sahure aus dem vierten Jahrtausend in das erste Jahrtausend mit dem Eingangsportal des Westpalastes, bleibt im ersten Jahrtausend durch das Burgtor von Sencerli, geht durch die Prozessionsstraße, das Ischtar-Tor aus dem sechsten Jahrhundert vor Christus, kommt dann durchs Milet-Tor in den Pergamonsaal und kommt dann wieder in den Nordflügel, wo dann die Fassade des Wüstenschlosses von Mschatta aus Jordanien ausgestellt werden soll, die heute im Islamischen Museum sich befindet, die soll dann ja runtergesetzt werden hier in den Nordflügel."