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Die größte Baustelle Sofias

Die bulgarische Hauptstadt Sofia plant ein gigantisches Projekt: Auf einem ehemaligen Militärgelände soll ein komplett neues Viertel entstehen. Dabei handelt es sich um die größten Baustelle in der langen Geschichte Sofias, die bis in die Römerzeit zurückreicht.

Thomas Frahm im Gespräch mit Kathrin Hondl |
    Kathrin Hondl: Die bulgarische Hauptstadt Sofia bekommt ein neues Zentrum, eine City vom Reißbrett soll da entstehen nach Plänen des französischen Architekten Dominique Perrault. Perrault hat sich in einem Wettbewerb gegen andere Giganten aus der internationalen Architektenstar-Riege durchgesetzt, auch Zaha Hadid, Norman Foster und Massimiliano Fuksas hatten Entwürfe eingereicht. Und das Projekt klingt ja auch gigantisch: Auf einem ehemaligen Militärgelände soll da in Sofia ein komplett neues Viertel entstehen. Die Rede ist sogar von der größten Baustelle in der langen Geschichte Sofias, die bis in die Römerzeit zurückreicht. Wir schauen jetzt aber nicht zurück, sondern nach vorn. Am Telefon ist Thomas Frahm, Kulturkorrespondent in Bulgarien. Herr Frahm, vor allem das politische Zentrum von Sofia - Ministerien und Parlamentsgebäude und so weiter - soll da jetzt aus dem historischen Zentrum in das neue von Dominique Perrault entworfene Viertel verlegt werden. Geht es also darum, knapp 20 Jahre nach der politischen Wende auch ein architektonisches Zeichen des politischen Wandels zu setzen?

    Thomas Frahm: Man kann das vielleicht etwas anschaulich auf den Punkt bringen. Wenn man sich vorstellt, dass die Büros der Abgeordneten, der 240 bulgarischen Parlamentsabgeordneten sich im ehemaligen Parteihaus der Kommunisten befinden, dann kann man sich vielleicht vorstellen, wie kitzelig die ganze Angelegenheit ist und dass natürlich 20 Jahre nach der politischen Wende durchaus ein Bedarf besteht, einen Neuanfang zu setzen. Pikant ist an der Angelegenheit vielleicht, dass der jetzige Ministerpräsident, der ja auch der Sohn eines ehemaligen Politbüromitglieds ist, Sergei Stanischew, dass ausgerechnet ein Kommunist jetzt also etwas plant, was vielleicht schon längst fällig gewesen wäre.

    Hondl: Also: Die Politik soll raus aus dem alten Zentrum in das neue Viertel. Was ist denn mit den alten Gebäuden geplant, was soll da geschehen?

    Frahm: Es ist ja kritisiert worden - wenn man die Kritiker dieses Projektes hört -, dass also das städtische Leben aus der City verschwinden würde. Wenn man selber in Sofia lebt und einmal miterlebt hat, wenn ein Großereignis, also zum Beispiel eine staatliche Konferenz, hier stattfindet, dann weiß man, dass in diesem verhältnismäßig doch sehr kleinen Zentrum Sofias komplett alles lahm liegt. Die Stadt hat einen Infarkt. Und insofern ist rein verkehrstechnisch diese Auslagerung sinnvoll. Die freiwerdenden Gebäude sind eigentlich so frei gar nicht. Wenn man sich zum Beispiel vorstellt, dass das wichtigste bulgarische Museum, das Nationalhistorische Museum, auch wieder in der alten Residenz des Machthabers Todor Schiwkow von vor der Wende liegt und nur einen ganz geringen Teil seiner wertvollen Ausstellungsstücke zeigen kann, dann weiß man eigentlich sofort, wofür die freiwerdenden Gebäude wie zum Beispiel dieses Parteihaus verwendet werden könnten. Denn dort wäre wirklich Platz, wirklich endlich alles zu zeigen, abgesehen davon, dass das im ganz engen Bereich der City liegt und damit die Museumslandschaft von Sofia geschlossen wäre und fußläufig erreichbar, von Nationalen Kunstmuseum zur Städtischen Galerie, zum Folkloremuseum, und daran würde sich eben dann dieses Parteihaus als Herberge zum Beispiel für ein Nationalhistorisches Museum eigentlich sehr schön anschließen.

    Hondl: Die Kultur käme also in die alte City. Und die neue City? Ja, wenn wir jetzt schon von Kunst und Kultur sprechen: In dieser neuen City von Sofia - wird da Kunst eine Rolle spielen, abgesehen von der Baukunst von Dominique Perrault?

    Frahm: Ich denke in zweierlei Hinsichten. Zunächst mal ist natürlich jede Regierung daran interessiert, wie wir es ja von Berlin auch kennen, eine Art Kunstgeschmack der Regierung in einem entsprechenden Gebäude zu präsentieren. Das Zweite, was eigentlich an dem Entwurf sehr, sehr geschickt ist, auch auf die bulgarische Mentalität zugeschnitten: Wenn man also diese, ich sage mal, geschnittene, mit leichtem Hanglauf verlaufende Oberfläche dieser zweigeteilten rhombischen Fläche sich anguckt, dann sieht man, dass die eigentlichen Gebäudeeinheiten nur sehr umrisshaft geplant sind, sodass also dort einzelne Architekten noch einen Akzent setzen können. Das wäre also wirklich von der Planung her eine Möglichkeit, wirklich neue architektonische Akzente zu setzen und nicht alles über den Leisten jetzt dieses allgemeinen Projektes zu scheren.

    Hondl: Sie, Herr Frahm, klingen ja sehr überzeugt von diesem gigantischen Projekt, wenn ich Sie richtig verstehe.

    Frahm: Ja!

    Hondl: Und gigantisch ist es ja in der Tat. Man fühlt sich ja schon fast an die gigantischen Bauvorhaben in den arabischen Emiraten erinnert, wo Jean Nouvel und Kollegen ein neues Museum nach dem anderen planen. Wie realistisch ist das eigentlich, dass in Bulgarien tatsächlich da was draus wird? Kann sich Sofia, kann sich Bulgarien das überhaupt leisten - ein neues Regierungsviertel vom internationalen Stararchitekten Dominique Perrault?

    Frahm: Ja, das ist natürlich eine gute Frage. Der Herr Perrault hat, also zumindest für seine Skizzen hat er sein Salär erhalten, eine Million Euro. Die Konkurrenten, die fünf, wurden mit 100.000 Euro abgefunden. Die Finanzierung ist in der Tat das große Problem, deswegen bleiben viele auch eigentlich ganz ruhig. Die sagen jetzt: Gut, der Herr Stanischew hat dies Projekt letztes Jahr gestartet, der Architekturwettbewerb ist jetzt abgeschlossen und zwei Monate vor der Wahl will er irgendeinen Akzent setzen, zumal das auch - das ist immer so ein kleines Detail hier in Bulgarien - ausgerechnet der Bruder des Ministerpräsidenten auch noch Architekt ist. Es ist schon zwei Mal ein neues Regierungsviertel geplant worden, es ist immer an der Finanzierung gescheitert. Auch jetzt: Die eigentliche Ausschreibung für die Finanzierung, die soll jetzt erst starten im Herbst, das heißt, es ist noch gar nicht gesagt, dass aus diesem wundervollen Plan eigentlich was wird.

    Hondl: Ja, der französische Architekt Dominique Perrault hat für Sofia ein neues Regierungsviertel entworfen. Darüber sprach ich mit Thomas Frahm, Kulturkorrespondent in Bulgarien.