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Die hässliche Seite des Kunst-Geschäfts

Beliebt auf Kunstauktionen waren bis zum Skandal um die "Sammlung Jägers" Bilder, die jahrzehntelang nicht zu sehen waren und plötzlich zum Verkauf standen. Sammler sind vorsichtiger geworden und der Kunsthandel versucht mit dem Aufbau einer Datenbank über kritische Werke nun das Vertrauen zurückzugewinnen.

Von Ulrike Westhoff | 01.09.2011
    "Die Stimmung im Saal bei einem Spitzenwerk ist besonders. Alle möchten bei einem möglichen Rekordzuschlag dabei sein."

    Die Spannung beim Bietgefecht kennt Robert van den Valentyn nur zu gut. Als Kunsthistoriker leitet er die Abteilung für Moderne und Zeitgenössische Kunst im Kölner Auktionshaus Van Ham und steht oft selbst mit dem Hammer in der Hand am Stehpult.

    "Wir hatten jetzt ein wichtiges Werk: Raden Saleh, der war mit 400.000 veranschlagt. Und ja, dann begann das Spiel 420.000, 440.000, 450.000. Ein Bieter am Telefon sagt irgendwann: Ich biete 700.000. Und schon geht ein Raunen durch den Saal: Der nimmt aber richtig Geld in Hand. Und irgendwann sagte einer, eine Million, 1,5, und wir landeten bei 1,6, was ein absoluter Weltrekord für diesen Künstler ist. Da gibt es Beifall im Saal."

    Beklatscht wird nicht nur der Auktionsrekord. Der Applaus spiegelt auch die Stimmung am Kunstmarkt wider. Sammler und Investoren haben sich trotz Finanzkrise nicht die Kauflaune verderben lassen. Im Trend liegen die alten Meister sowie Spitzenwerke der klassischen Moderne. Das Zauberwort für Anbieter und Käufer heißt "Marktfrische": Bilder, die jahrzehntelang für niemanden zu sehen waren, weder in einer Ausstellung noch in einer Auktion und dann plötzlich zum Verkauf stehen.

    Seit dem letzten Herbst hat sich die Sache geändert. Wenn heute ein Bild als "marktfrisch" angeboten wird, kann etwas "faul" sein.

    "Die Kölner Kunstszene wird von einem Fälschungsskandal erschüttert. Besonders betroffen …"

    … Die Mär von der Kunstsammlung Jägers – Ein Fälschungsskandal, der die hässliche Seite des Millionen-Geschäfts mit der Kunst zeigt.

    "Je bedeutender ein Kunstwerk ist, desto einfacher ist eigentlich seine Provenienz zu klären. Es hat immer irgendwo Spuren hinterlassen. Die gibt es auf Ausstellungen, die Bilder haben eine Rückseite, die unheimlich viel aussagt, da sind Nummern drauf, da sind Aufkleber drauf, irgendwelche Beschriftungen, Zettel. Meistens interessiert uns mehr die Rückseite als die Vorderseite."

    Erklärt Provenienzforscherin Dr. Katja Terlau. Meist im Auftrag von Museen recherchiert die Kunsthistorikerin in detektivischer Kleinstarbeit alle Besitzerwechsel, Archivalien, Literatur und Datenbanken, um die Herkunft eines Bildes zu klären.

    "Wobei man manchmal auch hört, dass die Dokumente, die wir suchen, schwer zu finden sind. Aber auch Dokumente wieder auftauchen, die neu erschaffen wurden und so auch neue Provenienzen geschaffen wurden. Da mag die Grauzone übergangslos sein."

    Ergo? Um faule Quellen ausschließen zu können, bedarf es der sorgfältigsten Recherche nach der Herkunft und den rechtmäßigen Eigentümern. In deutschen Museen arbeiten daran gerade mal zehn festangestellte Wissenschaftler. Die Nachforschungen ziehen sich oft über Monate und damit sind sie - teuer.

    "Ich könnte mir vorstellen, dass die Provenienzen in einem Kunsthaus mitunter auch unter einem großen Druck erfolgen müssen. Vor einer Auktion können natürlich keine langwierigen Forschungen erfolgen."

    "Die Stilkritik ist der erste Hinweis, das erste Ergebnis bei solchen Recherchen …"

    … bekräftigt der Vorsitzende des Zentralarchivs des internationalen Kunsthandels, Heinz Holtmann. Als ehemaliger Museumsdirektor und langjähriger Galerist kennt er den Kunstmarkt in all seinen Eigenarten. Aber auch er weiß, selbst renommierte Sachverständige können sich irren. Stilkritik allein reicht nicht mehr aus, um sehr gute Fälschungen wie im Fall Jägers zu erkennen.

    "Ich würde bei wichtigen Bildern, bei Meisterwerken, bei sehr teuren Werken, immer auch andere Hilfsmittel wie Farbanalysen, Spektralanalysen, Materialanalysen anwenden, auch wenn das etwas kostet."

    Selbst wenn alle Prüfmechanismen angewandt werden, eine 100-prozentige Sicherheit gibt es nicht. Deshalb initiierte das Auktionshaus Van Ham bereits vor fünf Jahren eine Datenbank der sogenannten kritischen Werke. Mit deren Hilfe wollen Kunstexperten frühzeitig mögliche Fälschungen aus dem Markt ziehen.

    "Sie können in München ein Bild anbieten und sagen, ich habe es von meiner Großmutter geerbt, das ist doch bestimmt ein toller Kirchner. Der Kollege in München sagt, ja es wäre ein wundervoller Kirchner, wenn die Signatur richtig wäre. Das ist ein kritisches Werk. Dann wird das eingetragen, dann kommt der gleiche Herr mit der gleichen Geschichte noch mal nach Köln oder nach Berlin. Dann kann man aber sagen, das ist Ihnen doch alles schon mal gesagt worden, und dann kann man nicht so tun, als wüsste man von nichts."

    Denn der Besitz von gefälschten Bildern ist in Deutschland nicht strafbar, allerdings der Handel. Ob es dem Kunsthandel gelingt, mit dem Aufbau einer solchen Datenbank das Vertrauen der Sammler zurückzugewinnen, wird sich zeigen. Aufklärung ist bitter nötig. Es hilft nur Transparenz, um den Kunsthandel langfristig sauber zu halten.