Rockiger Pop dröhnt, und eine coole Truppe strömt von allen Seiten ins Theater. Diese Menschen sind zwar deutlich von heute, kommen aber zugleich auch aus alter Zeit. Ihr Dresscode ist vor allem von Hippness bestimmt, - zwischen H&M-Shirt und C&A-Kleid, aber auch zwischen historischem und aktuellem Zitat ist alles vorhanden. Plötzlich fangen sie allesamt heftig an zu zucken und zu zappeln: wir wissen, gespielt wird ein Stück über verborgene wie ausbrechende Gier und Leidenschaften. John Websters 1614 uraufgeführtes Rachedrama "Die Herzogin von Malfi" sucht bei all seiner scheinbar leerlaufenden Greuel und Blutrünstigkeit nach einer moralischen Ordnung für einen Menschen, dem nach Reformation und Renaissance seine Stellung im Mittelpunkt des Kosmos abhanden gekommen ist.
Websters Geschichte von der verwitweten Herzogin, die sich heimlich, trotz eines von ihren Brüdern aus habsüchtiger Angst um das Erbe erlassenen Verbots, wieder verheiratet hat und drei Kinder bekommt, ist ein rasend haltloser, alle Handelnden mitreissender tödlicher Schreckenssturz in den Abgrund menschlicher Gewalt und Rachehandlungen. Das Stück besitzt allerdings nicht Shakespeares philosophische Tiefe und psychologische Figurenführung. Auch deshalb taten sich die deutschen Bühnen mit dem selten aufgeführten Stück immer schwer. Im vergangenen Jahr hat Günter Krämer in Köln ohne rechten Erfolg versucht, es mit aktuellen politischen Anspielungen aufzuladen, 1985 hat Peter Zadek es am Beginn seiner Hamburger Intendanz in eine Mafiawelt versetzt, ist aber, trotz prominenter Besetzung, letztlich am Stück gescheitert.
Christina Paulhofer setzt an der Schaubühne erst einmal, wie bei ihrer "Macbeth"-Inszenierung am gleichen Ort, auf Atmosphäre. Die Regisseurin, die Film studiert hat und in ihren Inszenierungen stets die großen Emotionen, die das Kino zu liefern vermag, auch auf der Bühne zu erzeugen sucht, hat sich von Bühnenbildner Alex Harb vor den nackten Beton der Wände des riesigen Schaubühnensaals Stege und Gitterroste bauen lassen.
Das Publikum folgt dem Geschehen auf den umlaufenden Stegen von Drehstühlen im offenen Raum aus, während ein Podest in seiner Mitte nur selten bespielt wird. Denn dies ist in Wirklichkeit keine Raumbühne, sondern eher eine Randbühne. Auf ihr rennen die Protagonisten zwischen einem Gitterkäfig für Squash und Baseball, einem Kardinalsthron und einer Doppeltür, hinter der sich der Hof der Herzogin mit einer Videowand befindet, hin und her.
Mit rast eine choreographierte Handlanger- und Dienertruppe, die in wechselnden Kostümen eine Atmosphäre von Gefahr und Gewalt schaffen soll. Sie drangsaliert ihre Opfer oder schlägt mit Eisenstäben auf die Gitter, was eher ebenso komisch wirkt wie ihr ungeschicktes tänzerisches Zeichenrepertoire. Die Schauspieler schreien in Mikroports und geben dabei eindeutige statt mehrdeutiger Figuren.
Wo bei Webster eine verborgene Wolfsnatur der Menschen unter ihrem dünnen emotionalen Firnis aufbricht, da treten hier von Anfang an nur viele böse und ganz wenige gute Menschen auf. Die Eindeutigkeit der von Pop-Musik unterlegten Inszenierung ist auch einer dramaturgischen Fassung geschuldet, die das ausufernde Stück auf pausenlose zweieinviertel Stunden komprimiert hat.
Gelegentlich gibt es schöne Bilder. So, wenn, statt mit eingespielten Trugbilder gefoltert zu werden, die Herzogin ein französisches Sehnsuchtslied singen muss, bis sie sich das Mikrofon in den Mund stopft und mit dem Kabel stranguliert wird. Und Ursina Lardi gibt der Titelfigur immerhin eine zwischen Liebreiz und Aggressivität, zwischen Klischee und Irritation changierende Aura, während Robert Beyer als der handlangerische mörderische Bösewicht Bosola nichts mehr von dessen enttäuschten Idealen verrät, sondern nur als bitterböse Sprech- und Schimpfmaschine daherkommt.
Ähnlich monoton in ihren Mitteln sind Lars Eidinger und Kay Bartholomäus Schulze als die Brüder der Herzogin: schauspielerisch wirkt diese Inszenierung schlicht. Das junge Ensemble ist für Websters Rollen deutlich nicht stark genug. Und entgegen der Absicht der Regisseurin, die einmal gesagt hat, "ich will nicht, dass der Zuschauer denkt, sondern dass er fühlt", fühlt der Zuschauer hier wenig, denkt dafür aber um so mehr. Z.B. überlegt man unentwegt, was einen diese wüste Geschichte heute überhaupt angeht. Denn obwohl auf dem Programm und allen Plakaten die Herzogin mit Mann und Kind von den Darstellern in heutiger Alltagskleidung als Kleinfamilie gezeigt werden, vermag es Christina Paulhofer nicht, das Stück für klare heutige Fragestellungen zu öffnen.
Sicher, Krieg, Gewalt, Gier und Habgier sind auch heute verbreitete Erscheinungen. Doch was Websters Figuren für uns fragen oder uns sagen können, fast ist man versucht zu formulieren, was sie uns lehren können, das läßt Christina Paulhofers athmosphärisch wie handwerklich nur solide gebosselte Inszenierung offen. Weshalb die Aufführung in der zweiten Hälfte, in der einer nach dem anderen ermordet wird und es besonders spannend werden müsste, auch gerade alle Spannung verliert. Man kann sich über diese Inszenierung weder ärgern noch ereifern. Das schlimme ist, man sieht nur Theaterhandwerk, das mit aller vergeblichen Macht Hitze und Leidenschaft zu produzieren sucht. Und das lässt uns eher kalt.
Websters Geschichte von der verwitweten Herzogin, die sich heimlich, trotz eines von ihren Brüdern aus habsüchtiger Angst um das Erbe erlassenen Verbots, wieder verheiratet hat und drei Kinder bekommt, ist ein rasend haltloser, alle Handelnden mitreissender tödlicher Schreckenssturz in den Abgrund menschlicher Gewalt und Rachehandlungen. Das Stück besitzt allerdings nicht Shakespeares philosophische Tiefe und psychologische Figurenführung. Auch deshalb taten sich die deutschen Bühnen mit dem selten aufgeführten Stück immer schwer. Im vergangenen Jahr hat Günter Krämer in Köln ohne rechten Erfolg versucht, es mit aktuellen politischen Anspielungen aufzuladen, 1985 hat Peter Zadek es am Beginn seiner Hamburger Intendanz in eine Mafiawelt versetzt, ist aber, trotz prominenter Besetzung, letztlich am Stück gescheitert.
Christina Paulhofer setzt an der Schaubühne erst einmal, wie bei ihrer "Macbeth"-Inszenierung am gleichen Ort, auf Atmosphäre. Die Regisseurin, die Film studiert hat und in ihren Inszenierungen stets die großen Emotionen, die das Kino zu liefern vermag, auch auf der Bühne zu erzeugen sucht, hat sich von Bühnenbildner Alex Harb vor den nackten Beton der Wände des riesigen Schaubühnensaals Stege und Gitterroste bauen lassen.
Das Publikum folgt dem Geschehen auf den umlaufenden Stegen von Drehstühlen im offenen Raum aus, während ein Podest in seiner Mitte nur selten bespielt wird. Denn dies ist in Wirklichkeit keine Raumbühne, sondern eher eine Randbühne. Auf ihr rennen die Protagonisten zwischen einem Gitterkäfig für Squash und Baseball, einem Kardinalsthron und einer Doppeltür, hinter der sich der Hof der Herzogin mit einer Videowand befindet, hin und her.
Mit rast eine choreographierte Handlanger- und Dienertruppe, die in wechselnden Kostümen eine Atmosphäre von Gefahr und Gewalt schaffen soll. Sie drangsaliert ihre Opfer oder schlägt mit Eisenstäben auf die Gitter, was eher ebenso komisch wirkt wie ihr ungeschicktes tänzerisches Zeichenrepertoire. Die Schauspieler schreien in Mikroports und geben dabei eindeutige statt mehrdeutiger Figuren.
Wo bei Webster eine verborgene Wolfsnatur der Menschen unter ihrem dünnen emotionalen Firnis aufbricht, da treten hier von Anfang an nur viele böse und ganz wenige gute Menschen auf. Die Eindeutigkeit der von Pop-Musik unterlegten Inszenierung ist auch einer dramaturgischen Fassung geschuldet, die das ausufernde Stück auf pausenlose zweieinviertel Stunden komprimiert hat.
Gelegentlich gibt es schöne Bilder. So, wenn, statt mit eingespielten Trugbilder gefoltert zu werden, die Herzogin ein französisches Sehnsuchtslied singen muss, bis sie sich das Mikrofon in den Mund stopft und mit dem Kabel stranguliert wird. Und Ursina Lardi gibt der Titelfigur immerhin eine zwischen Liebreiz und Aggressivität, zwischen Klischee und Irritation changierende Aura, während Robert Beyer als der handlangerische mörderische Bösewicht Bosola nichts mehr von dessen enttäuschten Idealen verrät, sondern nur als bitterböse Sprech- und Schimpfmaschine daherkommt.
Ähnlich monoton in ihren Mitteln sind Lars Eidinger und Kay Bartholomäus Schulze als die Brüder der Herzogin: schauspielerisch wirkt diese Inszenierung schlicht. Das junge Ensemble ist für Websters Rollen deutlich nicht stark genug. Und entgegen der Absicht der Regisseurin, die einmal gesagt hat, "ich will nicht, dass der Zuschauer denkt, sondern dass er fühlt", fühlt der Zuschauer hier wenig, denkt dafür aber um so mehr. Z.B. überlegt man unentwegt, was einen diese wüste Geschichte heute überhaupt angeht. Denn obwohl auf dem Programm und allen Plakaten die Herzogin mit Mann und Kind von den Darstellern in heutiger Alltagskleidung als Kleinfamilie gezeigt werden, vermag es Christina Paulhofer nicht, das Stück für klare heutige Fragestellungen zu öffnen.
Sicher, Krieg, Gewalt, Gier und Habgier sind auch heute verbreitete Erscheinungen. Doch was Websters Figuren für uns fragen oder uns sagen können, fast ist man versucht zu formulieren, was sie uns lehren können, das läßt Christina Paulhofers athmosphärisch wie handwerklich nur solide gebosselte Inszenierung offen. Weshalb die Aufführung in der zweiten Hälfte, in der einer nach dem anderen ermordet wird und es besonders spannend werden müsste, auch gerade alle Spannung verliert. Man kann sich über diese Inszenierung weder ärgern noch ereifern. Das schlimme ist, man sieht nur Theaterhandwerk, das mit aller vergeblichen Macht Hitze und Leidenschaft zu produzieren sucht. Und das lässt uns eher kalt.