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Die Impressionistenhochburg

Das Kunsthaus Zürich will 150 Millionen Franken in eine Erweiterung investieren. Nach den Worten von Direktor Christoph Becker zeigt das Kunsthaus derzeit nur etwa zehn Prozent seines Bestandes. In Zukunft könnten 15 bis 18 Prozent gezeigt werden, wobei insbesondere neue Medien und die zeitgenössische Kunst mehr Raum bekommen sollen.

Moderation: Stefan Koldehoff |
    Stefan Koldehoff: Auf höfische oder staatliche Kunstsammlungen kann die traditionell bürgerliche Schweiz nicht zurückgreifen. Dort aber gab es schon früh progressive Privatsammler, denen es ein Anliegen war, ihre Schätze auch der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dadurch entstanden in unserem Nachbarland viele Museen als Gründungen aus der Mitte der Gesellschaft heraus.

    Das Kunsthaus Zürich, vis-à-vis dem Schauspielhaus am Heimplatz gelegen, gehört zu den bedeutendsten Instituten der Schweiz: Dort hängen zum Beispiel van Goghs "Selbstbildnis mit verbundenem Ohr", Picassos "Akrobat und junger Harlekin" und Meisterwerke vom Mittelalter bis zur Gegenwartskunst. Heute Nachmittag nun hat Direktor Christoph Becker bekanntgegeben, dass sich in Zukunft am Heimplatz einiges ändern wird: Das Kunsthaus will enorm wachsen: 13.000 Quadratmeter Nutzfläche sollen bis 2014 hinzukommen; 150 Millionen Franken wird das Projekt kosten. Was gibt’s dafür, Herr Becker?

    Christoph Becker: Die Pläne werden erst noch gemacht, denn der Architekturwettbewerb beginnt Ende dieses Jahres, aber es ist ab heute sicher, dass das Kunsthaus diesen Erweiterungsbau bekommt.

    Koldehoff: Und sicher bedeutet vor allen Dingen, man hat sich hinsichtlich des Grundstücks geeinigt. Da gab es einige Schwierigkeiten noch, weil dort denkmalgeschützte Bauten stehen.

    Becker: Das Grundstück selbst trägt verschiedene Nutzungen, unter anderem zwei Turnhallen, von denen eine unter Denkmalschutz steht. Es wird aber möglich sein, diesen Denkmalschutz aufzuheben und das Gelände ganz zu bebauen und zu nutzen.

    Koldehoff: Herr Becker, Zürich hat rund 350.000 Einwohner. Das Kunsthaus hat ungefähr 350.000 Besucher im Jahr. Eigentlich könnten Sie doch ganz zufrieden sein, jeder kommt einmal im Jahr zu Ihnen. Wofür also überhaupt Erweiterungspläne?

    Becker: Das Kunsthaus ist eine besondere Konstruktion. Es war von Anfang an als ein Ort geplant, in dem gleichzeitig Ausstellungen stattfinden und eine Sammlung aufgebaut wird. Und diese Wechselbeziehung, die später dann viele Nachfolger gefunden hat in Europa und auch in Amerika, hat es nötig gemacht, dass man auf die Bedürfnisse der Kunst und des Publikums immer wieder Rücksicht genommen hat. Und so ist das Haus von 1910 kontinuierlich erweitert worden, um diesen Bedürfnissen gerecht zu werden. Und jetzt ist es Zeit, weil die Bedürfnisse haben sich markant geändert, und die bestehenden Museumsräume können diesem Anspruch der Kunst nicht mehr gerecht werden.

    Koldehoff: Wie viel Prozent dessen, was Sie haben, können Sie denn im Moment zeigen und was wird nach dem Erweiterungsbau möglich sein?

    Becker: Wir zeigen jetzt ungefähr zehn Prozent unseres Bestandes, der ungefähr 4.000 Gemälde und Skulpturen umfasst. Wir werden in Zukunft etwa 15 bis 18 Prozent dieses Bestandes zeigen können. Vor allem werden wir die neueren Medien und die zeitgenössische Kunst breiter darstellen. Es ist aber auch so, dass die Sammlung Bührle, die hier in Zürich durch eine Stiftung beheimatet ist, die Absicht bekundet hat, unter das Dach des Kunsthauses zu kommen. Das bedeutet, dass mit der Sammlung Bührle – deren Schwerpunkt auf der französischen Kunst des 19. Jahrhunderts und besonders des Impressionismus von Manet bis zum Spätimpressionismus und van Gogh reicht –, dass dieser Bestand mit den Beständen der Kunstgesellschaft fusioniert werden kann und damit der wohl größte Sammlungskomplex französischer Malerei außerhalb von Paris entsteht.

    Koldehoff: Diese Sammlung Bührle ist eine fantastische Sammlung, was die Qualität angeht, in den allermeisten Werken, Sie haben einige Künstler gerade schon genannt. Wird diese Sammlung integriert in die Bestände des Kunsthauses, oder wird das eine separate Präsentation bleiben? Im Moment ist das Ganze ja in einem Privathaus oben am Zürichsee zu sehen. Das Haus hat allerdings leider nicht so viele Besucher, wie man dieser Sammlung wüschen würde.

    Becker: Die Sammlung hat ungefähr 9.000 bis 10.000 Besucher pro Jahr: Das ist zu wenig angesichts der bedeutenden Bestände, die dort versammelt sind. Der Stiftungsbrief sagt, dass die Sammlung als Ganzes geschlossen gezeigt werden muss und wir werden das natürlich berücksichtigen, aber es gibt in der Architektur dieses neuen Museums Möglichkeiten, die beiden Sammlungsbereiche miteinander so zu verbinden, dass man von der Kunsthaussammlung in die Bührlesammlung - fast ohne es zu merken - an bestimmten Stellen wechseln kann.

    Koldehoff: Die Schweiz ist immer ein Land gewesen, die – anders als andere europäische Länder – nicht so stark von höfischen oder staatlichen Sammlungen profitiert hat, sondern immer ein sehr, sehr starkes bürgerliches Engagement für die Kunst vorweisen konnte. Haben Sie denn – über die Pläne, die Sie jetzt vorgestellt haben, wird seit längerem diskutiert – schon Signale empfangen, dass weitere Sammler bereit sind, sich durch Leihgaben an dieser Erweiterung zu beteiligen?

    Becker: Die Sammlung des Kunsthauses umfasst zu mehr als 50 Prozent Werke, die als Geschenk an dieses Haus gelangt sind, und wir sind international durchaus dafür bekannt, dass wir Privatsammler mit Leihgaben an das Haus binden können. Es gibt Signale, dass das auch in Zukunft der Fall sein wird. Was wir nicht wollen, ist ein Sammlermuseum, so wie es in den 70er Jahren konzipiert worden ist und wie es sich nicht bewährt hat. Die Werke, die man heute in der Kunsthaussammlung sieht, die aus Privatbesitz stammen, sind in die Sammlung eingegliedert und auch nicht als die Werke von einzelnen Personen gekennzeichnet, sondern als Leihgaben aus Privatbesitz, und so werden wir es auch in Zukunft halten. Die Sammler haben diese Praxis akzeptiert und sie war nicht zu ihrem Nachteil. Klar ist, dass das Kunsthaus mit dem Erweiterungsbau das größte Kunstinstitut der Schweiz wird und sicher auch, was seine Ausstrahlung angeht, zusätzliches Gewicht international bekommt, das ist keine Frage.

    Koldehoff: Christoph Becker, vielen Dank, war das, Direktor des Kunsthauses Zürich, über die heute präsentierten Pläne zur Erweiterung des Museums.