Manfred Götzke: Innovation ist der Schlüssel zum Wohlstand, das ist so ein Lieblingssatz der Bundeskanzlerin, und dagegen ist eigentlich auch wenig zu sagen. Wer sich nicht entwickelt, nichts erfindet, dessen Wirtschaft wächst auch nicht, sondern schrumpft. So weit, so banal. Interessant dagegen ist die Frage: Wie entstehen Innovationen, wie kann man sie tatsächlich fördern - als Bundesregierung, als Politiker zum Beispiel? Mit dieser Frage beschäftigt sich jetzt in Forschungsprojekt, an dem unter anderem der Wirtschaftswissenschaftler Georg von Wangenheim von der Uni Kassel mitarbeitet. Ich grüße Sie, Herr Wangenheim!
Georg von Wangenheim: Guten Tag!
Götzke: Würden Sie den Satz von Angela Merkel auch so unterschreiben, ohne Innovation kein Wohlstand?
Wangenheim: Ja durchaus. Innovationen sind erforderlich, zumindest dafür, dass Wohlstand wächst, und nach Wohlstandswachstum streben wir alle - das kann man sicher diskutieren, ob das sinnvoll ist, aber tatsächlich tun wir es.
Götzke: Jetzt ist ja die Gretchenfrage, was kann die Politik, um Innovationen zu fördern?
von Wangenheim: Das ist nicht so ganz einfach, weil Innovationen ja sehr schwer planbar sind. Es geht ja immerhin darum, dass wir etwas Neues erfinden sollen, und das kann die Politik vorher nicht wissen, was da Neues erfunden werden soll. Aber es gibt natürlich Rahmenbedingungen, die Innovationen insgesamt förderlich sind. Die Innovation muss für den Erfinder interessant sein, er will was davon haben, und das heißt auf der staatlichen Ebene, dass es wenig Regulierung, relativ wenig Regulierung geben darf. Wir brauchen gutes und die Erfindung schützendes Patent- und Urheberrecht, und im Wettbewerbsrecht darf es wenig Einschränkungen von Monopolen geben, die auf Innovationen beruhen. Da muss man dann sehr vorsichtig gucken, woher Monopolmacht kommt.
Götzke: Jetzt ist die große Frage, was hilft mehr: Zuckerbrot oder Peitsche? Neue Gesetze, die neue Technologien erforderlich machen, zum Beispiel beim Thema CO2, Elektromobilität, diesen Komplex, oder Belohnungssysteme, Subventionen und so etwas?
von Wangenheim: Nur die Kombination von beidem. Wir kriegen Innovationen natürlich auch ohne die Peitsche, also ohne Gesetze, die Innovationen erforderlich machen, einfach weil Unternehmer gerne Gewinne machen, deswegen sind sie Unternehmer, und das machen sie dadurch, dass sie Produkte erfinden und auf den Markt bringen, die von Konsumenten gewünscht werden und die Konsumenten gefallen. Aber dadurch, dass wir die Peitsche auch haben, steigern wir natürlich auch Innovationen.
Götzke: Ihr Projekt beschäftigt sich beispielhaft mit dem Thema Elektromobilität, um herauszufinden, wie hier Innovationen entstehen. Sie sagen, was der Staat an gesetzlichen Vorgaben machen kann, das ist die eine Sache, genauso wichtig seien aber die ungeschriebenen Gesetze der Innovation, informelle gesellschaftliche Norm. Was meinen Sie genau damit?
von Wangenheim: Informelle gesellschaftliche Normen sind so Vorstellungen, wie wir sie ganz stark im Umweltbereich haben. Man sortiert Verpackungsmüll, das ist eine ganz starke gesellschaftliche Norm in Deutschland. Und entsprechende gesellschaftliche Normen können wir auch im Verkehrsbereich haben. Das könnte also sein, dass sich eine gesellschaftliche Norm durchsetzt, im Zweifelsfall wählt man einfach das Elektroauto.
Götzke: Und jetzt wählt man im Zweifelsfall das PS-starke Auto, weil die gesellschaftliche Norm ist, schnell fahren, Autoland Deutschland.
von Wangenheim: Ja, ein ganz verwunderliches Problem dabei ist, dass man im Moment das laute Auto wählt, weil damit PS-Kraft gezeigt wird, und Elektroautos sind nun mal verdammt leise.
Götzke: Das heißt, man müsste in das Elektroauto einen Lautsprecher einbauen?
von Wangenheim: Das wird zum Teil gemacht.
Götzke: Wie prägen sich diese Normen aus, wie verändern die sich?
von Wangenheim: Sie prägen sich aus in der Form, dass es manchmal gar nicht möglich ist, durch gesetzliche oder andere rechtliche Vorgaben Verhalten von Menschen zu ändern. Wenn es nun mal den starken Wunsch gibt nach Autos, die durch ihren Lärm ausdrücken, dass sie stark sind, dann kann man da nicht einfach drüber hinweggehen. Andererseits die Frage, wie ändern sich gesellschaftliche Normen, das ist was sehr, sehr Schwieriges, aber etwas, was wir sehr genau kennen müssen, um es durch die Politik zu beeinflussen. Wenn wir den Schlüssel dafür hätten - und den haben wir nicht bisher -, wie wir eine gesellschaftliche Norm, man fährt einfach ein Elektroauto, einführen könnten, dann wäre sehr, sehr viel geholfen. Und das ist was, woran wir arbeiten. Wir versuchen zu modellieren, wie sich gesellschaftliche Normen ausbreiten, wie sie sich in einer Gesellschaft verbreiten, und greifen dabei zurück auf Modelle, die eigentlich aus der Sozialmedizin auch kommen und aus der Biologie, nämlich auf Ansteckungsprozesse. Der Ausbreitungsprozess ist ähnlich, er ist bei Einstellungen und gesellschaftlichen Normen ein bisschen komplizierter. Denn bei der Krankheit muss ich mich nur an einer Person anstecken, bei gesellschaftlichen Normen spreche ich mit vielen Menschen, um meine eigene Einstellung weiterzuentwickeln.
Götzke: Kommen wir noch mal auf die praktischen Bedingungen für Innovationen zurück. Jetzt wird seit einigen Jahren beklagt, Deutschland sei nicht so innovativ wie früher, die Patentanmeldungen gingen zurück, die Erfindungen ebenfalls. Teilen Sie diesen Befund?
von Wangenheim: Wir müssen da sicher unterscheiden zwischen der Inventions- und Innovationsfreundlichkeit. Inventionen, also Erfindungen, gibt es viele, Innovationen gehen vielleicht nicht zurück, das ist überwunden, die Zeit, aber sie wachsen nicht so stark, wie das sein könnte, also die eigentliche Markteinführung, das, was die Erfindung zum Produkt macht, da hapert es etwas, da könnte man mehr erreichen durch einfache Änderungen, einzelne Änderungen von Gesetzen, aber auch durch eine Änderung der Innovationskultur. Und da sind wir wieder bei den Normen. Innovationskultur schließt ein, dass man auch jemandem mal erlaubt, was Falsches zu machen, dass man auch mal scheitert mit einer Innovation. Es ist immer noch so, gesellschaftlich, dass derjenige geächtet wird, der ein Unternehmen sagen wir ruhig gegen die Wand gefahren hat, weil seine Innovationsidee eben doch nicht so gut war.
Götzke: Was zum Beispiel in den USA überhaupt nicht so ist.
von Wangenheim: Da ist das ganz anders. Da gibt es die Möglichkeit, auch zu sagen, ja, ist schiefgegangen, ich fang mit was anderem wieder an.
Götzke: Der Wirtschaftswissenschaftler Georg von Wangenheim sucht den Schlüssel für Innovationen. Vielen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Georg von Wangenheim: Guten Tag!
Götzke: Würden Sie den Satz von Angela Merkel auch so unterschreiben, ohne Innovation kein Wohlstand?
Wangenheim: Ja durchaus. Innovationen sind erforderlich, zumindest dafür, dass Wohlstand wächst, und nach Wohlstandswachstum streben wir alle - das kann man sicher diskutieren, ob das sinnvoll ist, aber tatsächlich tun wir es.
Götzke: Jetzt ist ja die Gretchenfrage, was kann die Politik, um Innovationen zu fördern?
von Wangenheim: Das ist nicht so ganz einfach, weil Innovationen ja sehr schwer planbar sind. Es geht ja immerhin darum, dass wir etwas Neues erfinden sollen, und das kann die Politik vorher nicht wissen, was da Neues erfunden werden soll. Aber es gibt natürlich Rahmenbedingungen, die Innovationen insgesamt förderlich sind. Die Innovation muss für den Erfinder interessant sein, er will was davon haben, und das heißt auf der staatlichen Ebene, dass es wenig Regulierung, relativ wenig Regulierung geben darf. Wir brauchen gutes und die Erfindung schützendes Patent- und Urheberrecht, und im Wettbewerbsrecht darf es wenig Einschränkungen von Monopolen geben, die auf Innovationen beruhen. Da muss man dann sehr vorsichtig gucken, woher Monopolmacht kommt.
Götzke: Jetzt ist die große Frage, was hilft mehr: Zuckerbrot oder Peitsche? Neue Gesetze, die neue Technologien erforderlich machen, zum Beispiel beim Thema CO2, Elektromobilität, diesen Komplex, oder Belohnungssysteme, Subventionen und so etwas?
von Wangenheim: Nur die Kombination von beidem. Wir kriegen Innovationen natürlich auch ohne die Peitsche, also ohne Gesetze, die Innovationen erforderlich machen, einfach weil Unternehmer gerne Gewinne machen, deswegen sind sie Unternehmer, und das machen sie dadurch, dass sie Produkte erfinden und auf den Markt bringen, die von Konsumenten gewünscht werden und die Konsumenten gefallen. Aber dadurch, dass wir die Peitsche auch haben, steigern wir natürlich auch Innovationen.
Götzke: Ihr Projekt beschäftigt sich beispielhaft mit dem Thema Elektromobilität, um herauszufinden, wie hier Innovationen entstehen. Sie sagen, was der Staat an gesetzlichen Vorgaben machen kann, das ist die eine Sache, genauso wichtig seien aber die ungeschriebenen Gesetze der Innovation, informelle gesellschaftliche Norm. Was meinen Sie genau damit?
von Wangenheim: Informelle gesellschaftliche Normen sind so Vorstellungen, wie wir sie ganz stark im Umweltbereich haben. Man sortiert Verpackungsmüll, das ist eine ganz starke gesellschaftliche Norm in Deutschland. Und entsprechende gesellschaftliche Normen können wir auch im Verkehrsbereich haben. Das könnte also sein, dass sich eine gesellschaftliche Norm durchsetzt, im Zweifelsfall wählt man einfach das Elektroauto.
Götzke: Und jetzt wählt man im Zweifelsfall das PS-starke Auto, weil die gesellschaftliche Norm ist, schnell fahren, Autoland Deutschland.
von Wangenheim: Ja, ein ganz verwunderliches Problem dabei ist, dass man im Moment das laute Auto wählt, weil damit PS-Kraft gezeigt wird, und Elektroautos sind nun mal verdammt leise.
Götzke: Das heißt, man müsste in das Elektroauto einen Lautsprecher einbauen?
von Wangenheim: Das wird zum Teil gemacht.
Götzke: Wie prägen sich diese Normen aus, wie verändern die sich?
von Wangenheim: Sie prägen sich aus in der Form, dass es manchmal gar nicht möglich ist, durch gesetzliche oder andere rechtliche Vorgaben Verhalten von Menschen zu ändern. Wenn es nun mal den starken Wunsch gibt nach Autos, die durch ihren Lärm ausdrücken, dass sie stark sind, dann kann man da nicht einfach drüber hinweggehen. Andererseits die Frage, wie ändern sich gesellschaftliche Normen, das ist was sehr, sehr Schwieriges, aber etwas, was wir sehr genau kennen müssen, um es durch die Politik zu beeinflussen. Wenn wir den Schlüssel dafür hätten - und den haben wir nicht bisher -, wie wir eine gesellschaftliche Norm, man fährt einfach ein Elektroauto, einführen könnten, dann wäre sehr, sehr viel geholfen. Und das ist was, woran wir arbeiten. Wir versuchen zu modellieren, wie sich gesellschaftliche Normen ausbreiten, wie sie sich in einer Gesellschaft verbreiten, und greifen dabei zurück auf Modelle, die eigentlich aus der Sozialmedizin auch kommen und aus der Biologie, nämlich auf Ansteckungsprozesse. Der Ausbreitungsprozess ist ähnlich, er ist bei Einstellungen und gesellschaftlichen Normen ein bisschen komplizierter. Denn bei der Krankheit muss ich mich nur an einer Person anstecken, bei gesellschaftlichen Normen spreche ich mit vielen Menschen, um meine eigene Einstellung weiterzuentwickeln.
Götzke: Kommen wir noch mal auf die praktischen Bedingungen für Innovationen zurück. Jetzt wird seit einigen Jahren beklagt, Deutschland sei nicht so innovativ wie früher, die Patentanmeldungen gingen zurück, die Erfindungen ebenfalls. Teilen Sie diesen Befund?
von Wangenheim: Wir müssen da sicher unterscheiden zwischen der Inventions- und Innovationsfreundlichkeit. Inventionen, also Erfindungen, gibt es viele, Innovationen gehen vielleicht nicht zurück, das ist überwunden, die Zeit, aber sie wachsen nicht so stark, wie das sein könnte, also die eigentliche Markteinführung, das, was die Erfindung zum Produkt macht, da hapert es etwas, da könnte man mehr erreichen durch einfache Änderungen, einzelne Änderungen von Gesetzen, aber auch durch eine Änderung der Innovationskultur. Und da sind wir wieder bei den Normen. Innovationskultur schließt ein, dass man auch jemandem mal erlaubt, was Falsches zu machen, dass man auch mal scheitert mit einer Innovation. Es ist immer noch so, gesellschaftlich, dass derjenige geächtet wird, der ein Unternehmen sagen wir ruhig gegen die Wand gefahren hat, weil seine Innovationsidee eben doch nicht so gut war.
Götzke: Was zum Beispiel in den USA überhaupt nicht so ist.
von Wangenheim: Da ist das ganz anders. Da gibt es die Möglichkeit, auch zu sagen, ja, ist schiefgegangen, ich fang mit was anderem wieder an.
Götzke: Der Wirtschaftswissenschaftler Georg von Wangenheim sucht den Schlüssel für Innovationen. Vielen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.