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Die Inszenierung des Tabubruchs -

Rechtsextremismus in Deutschland ist in diesem Sommer bislang kein Thema für die Medien. Das sah vor drei Jahren noch anders aus. Tagtäglich neue Schlagzeilen, viele Berichte in Rundfunk und Fernsehen. Doch mittlerweile sind rechte Ausschreitungen fast völlig von der Agenda der Medien verschwunden. Heißt das: Er existiert nicht mehr, der rechte Spuk in Deutschland? Thomas Pfeiffer vom Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen schüttelt den Kopf: Die mediale Aufmerksamkeit gibt es zur Zeit nicht, aber der Rechtsextremismus sei nach wie vor für gefährlich – im gleichen Umfang wie vor zwei oder drei Jahren:

Sebastian Engelbrecht |
    Rechtsextremismus in Deutschland ist in diesem Sommer bislang kein Thema für die Medien. Das sah vor drei Jahren noch anders aus. Tagtäglich neue Schlagzeilen, viele Berichte in Rundfunk und Fernsehen. Doch mittlerweile sind rechte Ausschreitungen fast völlig von der Agenda der Medien verschwunden. Heißt das: Er existiert nicht mehr, der rechte Spuk in Deutschland? Thomas Pfeiffer vom Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen schüttelt den Kopf: Die mediale Aufmerksamkeit gibt es zur Zeit nicht, aber der Rechtsextremismus sei nach wie vor für gefährlich – im gleichen Umfang wie vor zwei oder drei Jahren:

    Die mediale Aufmerksamkeit ist eine völlig andere. Das Problem sehe ich nicht geringer. Es ist nicht spektakulär angestiegen, wenn man sich beispielsweise die Straftaten ansieht, aber es ist für meine Begriffe kein geringeres Problem geworden, eher setzt sich eine kontinuierliche Entwicklung fort, gerade was eben solche Dinge wie Internet angeht, was Anbindung an Jugendkultur angeht.

    Glaubt man der Statistik, die Polizei, Verfassungsschutz und Ministerien vorlegen, dann ist der Rechtsextremismus weitgehend unter Kontrolle. Im Jahr 2001 zählten die Behörden fast 15.000 so genannte "rechtsextrem motivierte Straftaten". Im vergangenen Jahres waren es noch knapp 13.000 – also rund 2000 weniger. So jedenfalls ist es im jüngsten Verfassungsschutzbericht nachzulesen

    Die Neo-Nazis, die in Springerstiefeln und mit der Reichskriegsflagge auftreten, scheinen in tiefen Schlaf gefallen zu sein. Dagegen macht ein verwandtes Phänomen öfter von sich reden – der Rechtspopulismus. Seine Protagonisten vermitteln rechtes Gedankengut in Anzug und Krawatte – und mit Hilfe der etablierten Medien.

    Der Rechtspopulismus baut – ganz anders als die traditionellen Parteien – nicht auf eine Parteienstruktur, wo Interessen vermittelt werden müssen, wo Interessen ausdiskutiert und verhandelt werden, wo man natürlich auf demokratische Prozeduren Wert legt und um demokratische Vermittlung ringt – zielt der Rechtspopulismus wesentlich auf Inszenierung von sich selbst, auf Inszenierung von Führungspersönlichkeiten, die sich selber im Prinzip durch diese Provokation und durch die Artikulation von vermeintlichen Tabus und Vorurteilen ins Zentrum der Medien setzen.

    Lars Peter Rensmann, Politologe an der Freien Universität Berlin, erkennt rechtspopulistische Tendenzen in halb Europa. Die Liste der – lebenden und nicht mehr lebenden –Führergestalten reicht von Jean-Marie Le Pen in Frankreich über den Österreicher Jörg Haider, den Italiener Silvio Berlusconi und den Niederländer Pim Fortuyn bis hin zu Jürgen Möllemann in Deutschland. Rensmann nennt den Rechtspopulismus auch "Rechtsextremismus light".

    Charakteristische Gemeinsamkeiten bei den Führerfiguren wie auch in den politischen Schwerpunkten der rechtspopulistischen Parteien quer durch Europa hat der Hamburger Journalist Andreas Ross ausgemacht:

    ’Les Francaises d’abord’, 'Frankreich – oder die Franzosen – zuerst’ – das war die Parole, die Le Pen schon Anfang der 80er Jahre zum Leitmotiv seiner Bewegung erklärt hat. Und die Politik, die damit zum Ausdruck kommt, nicht allein der Slogan, nämlich diese Politik der sogenannten 'nationalen Präferenz’, wurde dann zum Exportschlager des Front National. Haider startete 1993 ein Volksbegehren mit dem Titel 'Österreich zuerst’, der belgische Flaams Block, da heißt es 'Ichen Volk erst’ – steht auf allen Plakaten seit vielen Jahren. Und wir erinnern uns an die Republikaner mit 'Deutschland den Deutschen’. Das ist also auch nicht schrecklich weit davon weg. Also damit hält Le Pen sozusagen das Patent auf die überaus erfolgreiche Mobilisierungsstrategie der Populisten, die vor allem auf der Verquickung des Themas Einwanderung und Kriminalität beruht.

    Europas Populisten verwenden fremdenfeindliche, nationalistische oder antisemitische Ideologieelemente. Außerdem inszenieren sie sich als Tabubrecher und stilisieren sich zu Kämpfern gegen die herrschende politische Klasse.

    Haider hat gleich ganz klar plakatieren lassen: 'Wer EU-kritisch ist, wählt blau’ – viel klarer kann man’s nun nicht sagen – und wettert vor allem gegen die Ost-Erweiterung, aber auch gegen die Brüsseler Bürokraten. Und Le Pen hat sich interessanterweise vor allem in der allerletzten Phase des Präsidentenwahlkampfs ganz plötzlich ganz extrem auf dieses Europa-Thema gestürzt. Er hat offenbar dieses Thema für mehrheitsfähiger gehalten und auch irgend wie für salonfähiger gehalten. Er hat also offenbar gedacht, damit könnte man wirklich viele ansprechen und gleichzeitig würde er dadurch nicht seine Stammklientel verprellen.

    Ohne die Medien wäre Jean-Marie Le Pen nie so weit gekommen wie im Frühjahr vergangenen Jahres, als er bei den Wahlen zum französischen Präsidenten den Sozialisten Jospin überflügelte und in der Stichwahl gegen Jacques Chirac antreten konnte. Rechtspopulisten wie Le Pen nutzen die Medien systematisch – wie Lars Peter Rensmann analysiert hat.

    Die Medien spielen oft die unheilvolle Rolle, dass sie oft zum Verstärker dieser unheilvollen Figuren werden, Figuren, die oftmals sich durchaus telegen oder medial zu inszenieren wissen und im Prinzip die Medien als unfreiwillige Helfershelfer nutzen. Ironie der Geschichte ist es, dass zugleich Rechtspopulisten sich zumeist von den Medien verfolgt fühlen – die sie doch benutzen und selbst ihre wichtigste Plattform sind.

    In den – wirtschaftlich prosperierenden – Niederlanden dauerte die Hochphase des Rechtspopulismus nur acht Monate: Bis zum 6. Mai 2002, als Pim Fortuyn ermordet wurde – kurz vor seinem Ziel, der Wahl zum niederländischen Ministerpräsidenten. Aus "Langeweile", aus Überdruss an politischer Korrektheit hatten die niederländischen Medien Fortuyn vor anderthalb Jahren auf den Schild gehoben.

    Die Amsterdamer Korrespondentin Annette Birschel beschreibt Fortuyn als schwulen Dandy, als Provokateur mit Bodyguards und Bentley, Siegelring und Einstecktuch. Er attackierte den Islam als rückständige Religion, wünschte sich Umerziehungslager für ausländische Kriminelle, pflegte frauenfeindliche Parolen. Und er forderte, das EU-Parlament, überflüssig wie ein Kropf, müsse abgeschafft werden.

    Pim Fortuyn, das Gesamtkunstwerk, war der perfekte Fernseh-Politstar oder: politische Fernsehstar. Er befriedigte die Bedürfnisse der verwöhnten Zuschauer und formulierte das latente Unbehagen der Bürger. Er brachte Farbe in politische Fernsehsendungen, sorgte für Drama. Und vor allem eins: Die Kameras liebten ihn.

    Mit Hilfe des Fernsehens wurde Pim Fortuyn – trotz seiner rechtspopulistischen Gesinnung – zum Popstar. Seine Nadelstreifenanzüge interessierten mehr als die Inhalte seiner Politik. Ein typisches Phänomen: Im Umgang mit dem Rechtspopulismus verlässt die Medien das kritische Bewusstsein. Selbst das Niveau der Zeitungen verflacht im Zuge der "fersehgerechten" Vermarktung von Politik", meinen Medienforscher: Politik als Unterhaltungsshow. Die Folge:

    Das Diskurs-Niveau verflacht in der Politik und in den Medien. Das Fernsehen bietet immer weniger politische Analyse und Kritik, bemüht sich dafür aber, die diffusen Gefühle des Publikums zu bedienen, etwa ein unbestimmtes Unbehagen gegenüber Ausländern oder das Bedürfnis nach Sicherheit. Da wundert es nicht, wenn Medien und Politik unter dem Eindruck des Erfolgs von Protagonisten wie Fortuyn denselben populistischen Stil pflegen. So kann ein ganzer Staat zur "Drama-Demokratie" verkommen.

    Ähnliche Symptome sind in Italien unter Silvio Berlusconi zum Dauerzustand geworden. Die Rom-Korrespondentin Birgit Schönau ordnet den italienischen Ministerpräsidenten zwar nicht als ideologiegesteuerten Rechtspopulisten ein, macht ihn aber verantwortlich für die Entpolitisierung des gesamten Fernsehprogramms. Die drei großen Privatsender seiner eigenen "Mediaset"-Gruppe kontrolliert er ohnehin. Durch das Regierungsamt kommt der Einfluss auf die öffentlich-rechtliche RAI hinzu. Birgit Schönau:

    Das interessante Phänomen, was sich in den Medien widerspiegelt, ist eine weitreichende Entpolitisierung auch der Nachrichtenprogramme, namentlich des staatlichen Rundfunks RAI. An erster Stelle steht eben schon lange nicht mehr die Politik, abgesehen von militärischen Konflikten, aber sonst stehen im Mittelpunkt absolut unpolitische Themen wie zum Beispiel Unfälle, Naturkatastrophen oder Familientragödien. Berlusconis eigene Sender bestreiten wirklich ganze Nachrichtenstrecken, ganze Nachrichtensendungen nur über Familientragödien und die so genannte chrona canera, also allgemeine Kriminalitätsfälle.

    Berlusconi ist kein Rechtspopulist auf den ersten Blick. Anders als Fortuyn es tat, pflegt Berlusconi, der früher ein Sozialist war, keine ausländerfeindlichen oder gar antisemitischen Parolen. Aber er regiert selbstherrlich, verachtet die demokratischen Institutionen und hintergeht die unabhängige Justiz.

    Von einer solchen Monopolisierung staatlicher und medialer Macht kann in Deutschland keine Rede sein. Aber es ist gerade mal ein Jahr her, dass ein Politiker mit rechtspopulistischen Methoden über Monate die deutsche Öffentlichkeit in Atem hielt. Jürgen Möllemann ist bei den Wählern im Herbst 2002 durchgefallen – trotz seiner polemischen Flugblätter gegen Ariel Scharon und Michel Friedman. Noch einmal Lars-Peter Rensmann

    Schon aus der Bundestagswahlkampagne – und da steht auch die FDP insgesamt in der Verantwortung – kann man sagen, dass Möllemann rechtspopulistisch agiert hat. Möllemann hat versucht, ethnozentrische Vorurteile, insbesondere den Antisemitismus, zu verbreiten. Natürlich geschieht das codiert. Man sagt jetzt nicht: Man hasst Juden, sondern man sagt eben: Man hasst einzelne Juden, und die Juden sind dann verantwortlich für Antisemitismus – eine Schuldzuweisung, die aus dem klassischen Repertoire des Antisemitismus kommt.

    Möllemanns Angriffe gegen den stellvertretenden Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, gegen Michel Friedman, und gegen den israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon sind für Rensmann typische Symptome von Rechtspopulismus: Der frühere FDP-Mann verkaufte seine antisemitischen Anwürfe als Auffrischungen des demokratischen Diskurses, als Aufbruch in eine "neue Politik". Er verstand sich als Tabubrecher, der es als einziger wagt, den wahren Volkswillen zu artikulieren.

    Das haben wir vor allem bei Möllemann und Haider immer wieder gesehen. Immer wieder, nach ein zwei Wochen, nach vier, fünf Wochen manchmal, kommt dann die Entschuldigung, um dann im gleichen Satz wieder eins draufzulegen, und dann hat man sich entschuldigt. Man hat auch keine Probleme, sich zu entschuldigen – was früher, bei den Rechtsextremen eine schlimme Geschichte war. Das ist für Rechtspopulisten eigentlich kein Problem, auch für den Haider. Der entschuldigt sich gerne mal, wenn das irgendwie falsch verstanden worden ist, was er über den Ariel Musikant gesagt hat: Wie jemand Ariel heißen kann und so schmutzige Wäsche waschen. Dann entschuldigt er sich dafür, da hat er überhaupt keine Probleme mit – um das in zwei Wochen wieder fortzuführen.

    So bemächtigen sich Rechtspopulisten der Medien: Erst die antisemitische oder ausländerfeindliche Provokation, dann die Relativierung, gefolgt von der erneuten Zuspitzung.

    Auch das ist Teil sozusagen dieser geschickten Medienstrategie, wobei die Medien da oft reagieren und sagen: 'Er hat sich doch entschuldigt. Was sollen wir jetzt erwarten? Ist doch kein Rechtsextremist, kein Rechtspopulist, ist doch kein Antisemit. Er hat sich doch entschuldigt. Kann doch jedem mal irgendwas rausrutschen. Ist doch nur allzu menschlich.’ Und damit folgt man schon, fällt man ein bisschen auf diese rechtspopulistische Strategie hinein.

    In den Hoch-Zeiten der Diskussion über Möllemann mangelte es zumindest im deutschen Fernsehen an kritischen Analysen. Allzu häufig wurden die Äußerungen des damaligen stellvertretenden FDP-Vorsitzenden unreflektiert transportiert. Medien ließen sich – ähnlich wie im Falle Pim Fortuyn – als Bühne eines rechtspopulistischen Akteurs missbrauchen, behauptet zum Beispiel der Politologe Rensmann.

    Einen Mangel an analytischer Tiefe lässt sich auch bei der Fernseh-Berichterstattung über den Rechtsextremismus beobachten. Der Kommunikationswissenschaftler Hans-Jürgen Weiß von der Freien Universität Berlin hat die Fernsehberichte über Deutschlands Rechte in den 90er Jahren ausgewertet.

    Es ist so, dass eigentlich die Grundtendenz der Fernsehberichterstattung zu diesem Thema getragen ist von einer Ablehnung rechtsextremistischer Tendenzen in Deutschland. Das heißt: Sie finden relativ viele wertende Stellungnahmen in der Berichterstattung, ablehnende, kritische Stellungnahmen. Hört sich ja nicht so schlecht an. Das Problem ist allerdings, dass sie relativ wenige Begründungen für die Ablehnung finden. Das heißt: Was überwiegt, ist so eine pauschale Distanzierung. Aber sie erfahren aus dem Fernsehen nicht mehr so sehr, warum, mit welchen Argumenten man sich gegen bestimmte politische – oder in dem Fall speziell auch Gewalt-Tendenzen – positioniert. Es ist ein blankes, schlichtes Positionieren ohne Hintergrund.

    Fernsehjournalisten enthalten sich nach den Beobachtungen von Hans-Jürgen Weiß in ihren Beiträgen oft eigener politischer Analysen. An die Stelle der journalistischen Deutungen tritt das Interview mit dem Experten. Für ihre Beiträge nutzen die Fernsehmacher zunehmend atmosphärisch-emotionalisierende Stilmittel. Und sie schwimmen mit ihren Reportagen selten gegen den Strom der Aufmerksamkeit.

    Ich denke, was uns fehlt, ist, dass man gerade auch im Medium Fernsehen – das ist sehr wichtig – dass man sozusagen dranbleibt an dem Thema, dass man gegen die Spitzenereignisse einzelne Beiträge sendet, die immer wieder an dem Problem dran bleiben, die kontextuell sind.

    Im Falle des Rechtsextremismus ist dieser Wechsel zwischen aktuellem Medieninteresse und langen Schweigephasen gefährlich. Er könnte in der Öffentlichkeit zu einem trügerischen Gefühl der Sicherheit vor den Aktivitäten der rechten Szene führen.

    Die kleinen Gewalttaten, die Tat und meistens dann die Prozesse, die sich darauf beziehen, die schaffen das – jetzt mal zynisch gesprochen – vielleicht ins Morgenmagazin, aber nicht so sehr in die Hauptnachrichtensendungen am Abend. Zum Teil werden sie mittlerweile eher als lokale Ereignisse behandelt. Da ist dann der Medienunterschied, dass sie dann in den Zeitungen noch bearbeitet werden, aber weniger im Fernsehen. Das heißt, da ist der Schwellenwert vergleichsweise hoch geworden.

    Ein weiteres Problem der Berichterstattung sieht der Berliner Kommunikationswissenschaftler in der Qualität der Bilder. Das Fernsehen präsentiert gern Klischee-Szenen vom Rechtsextremismus: Die immer selben "geilen" Bilder – wie Hans-Jürgen Weiß sie nennt – von aufmarschierenden Glatzköpfen in Springerstiefeln und Bomberjacken.

    Ist es denn notwendig, dass man immer diese signalsetzenden, stark überreizten Bilder bringt – weil sie natürlich der anderen Seite, dem Milieu, so etwas wie einen Orden verleiht. Das Milieu findet sich sozusagen immer wieder in einer Art uniformierten Medienpräsenz. Ich kann mir vorstellen, dass da eine Diskussion stattfinden könnte zwischen denen, die eben an den Bildern arbeiten, und denen, die am Text arbeiten.

    Im Bereich der Zeitungen und Zeitschriften hat sich in den vergangenen Jahren eine rechte Stimme auf dem Markt etabliert: Die "Junge Freiheit". Die Wochenzeitung streut rechte Gesinnung quasi-intellektuell in den gesellschaftlichen Diskurs ein. Seit Jahren erwähnt der Verfassungsschutz die "Junge Freiheit" in seinen Berichten – auch im neuesten für das Jahr 2002. Für den Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen ist die Zeitung seit 1994 ununterbrochen ein "Beobachtungsobjekt". Rechtsextremistische Positionen werden in dem Blatt nur angedeutet oder in gemäßigte Worte verpackt. So wird die Grenze zum demokratisch-konservativen Lager unscharf.

    Aus dem Blatt stammt zum Beispiel der vom früheren CDU-Fraktionsvorsitzenden Friedrich Merz propagierte Begriff "Leitkultur". Thomas Pfeiffer vom Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen zählt die "Junge Freiheit" zu den "weichen", "verkappten" Formen des Rechtsextremismus.

    Worum geht’s da? Um eine Spielart des intellektuellen Rechtsextremismus, die wir 'Neue Rechte’ nennen, wo es darum geht, Kultur zu prägen. Solche Begriffe wie 'deutsche Leitkultur’ ist ein Begriff, der ursprünglich in dieser neuen Rechten seinen Ursprung hat, das heißt, der von dem Verständnis herkommt: Es gibt eine homogene deutsche Gesellschaft, ethnisch homogen, kulturell homogen, und diese Homogenität ist zu fördern, und im Zweifel ist alles, was nicht in diese Homogenität hineinpasst, eher ein Problem.

    Mehr Aufmerksamkeit als die rechten Zeitungen verlangt das Internet vom Verfassungsschutz. Es ist "zum bedeutendsten Kommunikationsmedium für Rechtsextremisten geworden", heißt es im Verfassungsschutzbericht 2002. Über Suchmaschinen und spezielle Kommunikationsportale kommen vor allem Jugendliche mit rechten Seiten in Verbindung. Im Internet gibt es gesonderte Marktplätze für den Austausch von rechtsextremen Musikdateien, Büchern und Filmen.

    Zunächst mal ist das, was sich im Internet abspielt im Bereich Rechtsextremismus das Spiegelbild dessen, was es in Deutschland, aber auch weltweit an Rechtsextremismus gibt. Das ganze war eine Entwicklung. Rangegangen sind nach meiner Beobachtung in erster Linie die besonders aggressiven Formen, auch immer die Formen an der Grenze der Strafbarkeit. Mittlerweile findet man im Internet alles, was in irgend einer Weise rechtsextremistisch ist. Parteien, und zwar alle, allerdings die NPD besonders eng vernetzt im Internet – über Musikvarianten über Skinhead bis Liedermacher, neuheidnische germanische Sekten bis hin zum Bereich intellektueller Rechtsextremismus, also 'Neue Rechte’.

    Auf "nationalen Kontaktbörsen" tauschen sich Internetnutzer unter Pseudonym aus. Da redet einer, der sich "Kanackenkiller" nennt, mit dem "Niggerhater". Über Foren, Gästebücher und Mailinglisten werden rassistische Parolen, nordische Mythologie und braune Esoterik ausgetauscht. Beim Verfassungsschutz Baden-Württemberg kontrolliert Hans-Jürgen Doll die elektronische Dimension der rechten Szene.

    Es gibt inzwischen eine gemeinsame Plattform der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, die in Baden-Württemberg entwickelt worden ist und mit der man systematisch nach entsprechenden Websites im world wide web recherchiert, sie erfasst und dann elektronisch überwacht. Seit einiger Zeit handelt es sich um eine bundesweite Plattform, mit der man eigentlich das Internet, soweit es die deutschsprachigen rechtsextremistischen websites angeht, ganz gut im Griff hat.

    Auch wenn die Statistik Entwarnung zu geben scheint – Rechtsextremisten von der NPD bis zu Skinhead-Gruppen verfügen über eine gut ausgebaute mediale Infrastruktur und damit über das Potential, gegen den Trend wieder stärker zu werden. Zugleich bleiben die etablierten Medien, vor allem das Fernsehen, anfällig für den unkritischen Transport rechtspopulistischer Inszenierungen.