Freitag, 29. März 2024

16. März 2023
Die internationale Presseschau

Themen sind die heute in Frankreich anstehende Schlussabstimmung über eine Rentenreform, die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank und die Finanzhilfen für die angeschlagene Großbank Credit Suisse. Das in Bedrängnis geratene Kreditinstitut hat angekündigt, sich bis zu 50 Milliarden Franken bei der Schweizer Zentralbank zu leihen. Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG fragt:

16.03.2023
Das Foto zeigt das Logo der Credit Suisse an einem Gebäude der Bank.
Die Zentralbank der Schweiz leiht der Credit Suisse bis zu 50 Milliarden Franken. (Michael Buholzer / KEYSTONE / dpa / Michael Buholzer)
"War der staatliche Beistand unvermeidlich? Gemessen an Maßzahlen für Eigenkapital und auch Liquidität eigentlich nicht, denn die Credit Suisse ist da immer noch solide aufgestellt. Unabhängig davon, was in der Finanzwelt gerade geschieht, es wird am Markt gegen die Credit Suisse verwendet", kritisiert die NZZ aus der Schweiz.
In einem Gastkommentar der japanischen Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN heißt es: "Mit den 50 Milliarden Franken will die Schweizer Nationalbank den Teilnehmern an den Finanzmärkten signalisieren, wie stark ihre Unterstützung für die Credit Suisse ist. Die schnelle und entschlossene Reaktion der Nationalbank ist zwar zu begrüßen. Allerdings droht Gefahr: Je mehr Gelder verliehen werden, desto schwieriger dürfte es werden, einer möglichen Pleite entgegenzutreten", gibt NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio zu bedenken.
"Eine neue Krise steht vor der Tür", titelt die polnische RZECZPOSPOLITA. "Die Schweizer Credit Suisse, die sich seit Monaten mit ihrem Sanierungsprozess schwer tat, erlitt einen Herzinfarkt. Gibt es nun Anlass zur Sorge? Oder erleben wir nur einfache Korrekturen? Wir sollten wohl eher besorgt sein. Vor mehr als einem Jahr schon wurde vor einem Zombie-Effekt in der Wirtschaft gewarnt, also vor Liquiditätsproblemen einiger schlecht geführter Banken und Unternehmen, die seit einem Jahrzehnt an ultrabilliges, schnell verfügbares Kapital gewöhnt sind. Wir sehen nun die Auswirkungen der Verlangsamung in der Wirtschaft, ja mitunter sogar einer Rezession", warnt die RZECZPOSPOLITA aus Warschau.
Die taiwanesische Zeitung ZHONGGUO SHIBAO sieht die Vertrauenskrise in Banken nicht als einzigen Grund für Unsicherheit: "Die Pleite von allein drei amerikanischen Banken hat auch mit der Schuldenkrise zu tun. In den USA fallen die Kurse von Staatsanleihen mit rasch steigenden Zinsen. Zur Lösung des Problems könnte der US-Kongress beitragen, wenn sich Republikaner und Demokraten endlich auf eine Obergrenze für die Neuverschuldung einigen würden. Mit aller Macht muss verhindert werden, dass die Weltwirtschaft in einen Strudel gerät", kommentiert ZHONGGUO SHIBAO aus Taipeh.
In Frankfurt am Main berät zur Stunde die Europäische Zentralbank über Maßnahmen gegen die Inflation. Die belgische Zeitung DE STANDAARD sieht die EZB vor der Quadratur des Kreises. "Wenn sie die Zinssätze wie geplant anhebt, riskiert sie, die Turbulenzen an den Aktienmärkten zu verstärken. Entscheidet sie sich aber für eine geringere oder gar keine Anhebung, könnte die Stimmung in Panik umschlagen. Denn das könnte als Zeichen dafür gewertet werden, dass die EZB mit noch größeren Problemen rechnet. Die unmittelbare Bedrohung, die von den USA ausging, schien nicht weiter besorgniserregend zu sein, und die Märkte beruhigten sich. Doch die Spekulanten wählten gestern ein anderes Ziel: die Crédit Suisse. Was könnte solider sein als eine Schweizer Bank? Bis vor Kurzem lautete die Antwort auf diese Frage: nichts. Diese Gewissheit gilt nun nicht mehr", schlussfolgert DE STANDAARD aus Brüssel.
Die spanische Zeitung EL MUNDO sieht die EZB in einem Dilemma, weil sie zum einen für Preisstabilität sorgen, zum anderen große Banken kontrollieren soll: "Die Zentralbank steht deshalb unter Druck, bei der Erhöhung der Zinsen einen Gang herunterzuschalten. Das aber wäre ein Fehler. Die europäische Regulierungsbehörde darf im Kampf gegen die Inflation jetzt nicht nachlassen. Zugleich muss sie aber ein nachdrückliches Zeichen der Unterstützung für die europäischen Banken aussenden. Dabei geht es darum, das Vertrauen in die Märkte und bei den Bankkunden wiederherzustellen", unterstreicht EL MUNDO aus Madrid.
Nun nach Frankreich. Zum Streit über die Rentenreform schreibt LE FIGARO: "Heute soll ein Kompromisspapier in beiden Parlamentskammern verabschiedet werden. Von der ursprünglichen Reform ist allerdings nicht mehr viel zu sehen. Der Gesetzestext wurde durch Zugeständnisse und Kompromisse völlig durchlöchert. Dennoch, das Symbol des Renteneintrittsalters ist geblieben. 64 Jahre. Es ist die Anpassung, die niemanden begeistert, um die unsere alternde Gesellschaft aber nicht herumkommt. Es gibt immer mehr Rentner und immer weniger Erwerbstätige. Diese Reform ist monströs unpopulär, aber notwendig", findet LE FIGARO aus Paris.
Die französische Zeitung LIBERATION bemerkt: "Wie könnte man es besser ausdrücken als Olivier Véran? Der Regierungssprecher bezeichnete das Bündnis jener Abgeordneten, die den Kurs von Präsident Macron unterstützen, und der konservativen Kollegen von der Partei "Les Républicains" als 'natürliche Mehrheit'. Sie würden es ermöglichen, die viel gescholtene Rentenreform heute in der Nationalversammlung zu verabschieden. Damit hat er Recht. Dieses Bündnis wird tatsächlich 'natürlich' sein, da der Inhalt dieser Reform dem entspricht, was das rechte politische Lager seit Langem befürwortet. Diese Rentenreform ist eine ungerechte Reform, weil vor allem die Schwächsten bestraft werden sollen" ist LIBERATION aus Paris überzeugt.
Finnlands Staatsoberhaupt Sauli Niinistö reist kurzfristig in die Türkei. Der türkische Präsident Erdogan hatte angedeutet, dem finnischen Beitrittsgesuch zur NATO zuzustimmen. Das schwedische SVENSKA DAGBLADET vermutet innenpolitische Motive: "Ein Grund könnten Erdogans sinkenden Beliebtheitswerte sein. Die letzten Umfragen waren eine kalte Dusche für den Präsidenten, denn sie sehen den Kandidaten der Opposition Kilicdaroglu klar in Führung. Die Türkei hofft auf mehr Geld aus den USA und von der Weltbank zur Beseitigung der Erdbeben-Schäden – aber US-Sicherheitsberater Sullivan verweist darauf, dass Washington einen möglichst schnellen NATO-Beitritt Finnlands und Schwedens will. Vielleicht ist das der Grund, warum Erdogan jetzt gegenüber Finnland einlenkt, denn das könnte als Entgegenkommen gewertet werden", überlegt das SVENSKA DAGBLADET.
Die ebenfalls in Stockholm erscheinde Zeitung DAGENS NYHETER zeigt sich enttäuscht: "Wenn die Türkei Finnland grünes Licht gibt, werden unsere Länder beim NATO-Antragsprozess getrennt. Das, was nicht passieren durfte, geschieht in diesem Fall. Schweden und Finnland gehören zusammen. Die Sicherheit unserer Länder ist so eng miteinander verwoben - wir haben sogar eine gemeinsame Verteidigungsplanung."
Die finnische Zeitung HUFVUDSTADSBLADET bemerkt: "Der russische Angriff auf die Ukraine hat das Zusammengehörigkeitsgefühl Finnlands und Schwedens gestärkt. Wir sitzen im selben Boot und sind aufeinander angewiesen. Hätte Schweden heute auch nur eine Sekunde gezögert, der NATO beizutreten, wenn die Rollen vertauscht wären und Finnland versuchen müsste, Erdogan zu beschwichtigen?", fragt das HUFVUDSTADSBLADET aus Helsinki.
Der Kongress des Fußball-Weltverbands hat FIFA-Präsident Gianni Infantino im Amt bestätigt. Er war der einzige Kandidat. Dazu schreibt die KLEINE ZEITUNG aus Österreich: "Von der höchsten Ebene aus gestaltete Infantino die Gremien nach seinem Ermessen um, setzte willfährige Personen an die Spitze der untergeordneten Instanzen. So wurde die interne Kontrolle ausgeschaltet. Die Weltmeisterschaft in Katar gestaltete er zu seinem persönlichen Triumphzug um. Dass ihn der Großteil der Europäer nicht ausstehen kann, stört den 'Weltbürger' mit Wohnsitz in Katar nicht. Schließlich könnte Infantino denjenigen, die sich daran stoßen, dass Papua-Neuguinea oder Aruba in der FIFA gleich viel wert sind wie Deutschland, antidemokratisches Verhalten vorwerfen. Seit Jahren laufende Korruptionsermittlungen – Teile wurden eingestellt – drehen sich im Kreis. Die Schweizer Justiz hat Schrammen abbekommen. Sollten die Ermittlungen nicht bald Ergebnisse liefern, bleibt Infantino der Fußballwelt noch lange erhalten", vermutet die KLEINE ZEITUNG aus Österreich.