14. April 2023
Die internationale Presseschau

Themen sind der deutsche Atomausstieg und die veröffentlichten Geheimdienstdokumente in den USA. Zunächst aber geht es um den Besuch von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock in China.

Ein Portrait von Bundesaußenministerin Baerbock. Sie spricht in ein Mikrofon.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (AFP / LEE JIN-MAN)
Die russische NESAWISSIMAJA GASETA beobachtet: "Diese Reise ist wohl die schwierigste in Baerbocks bisheriger diplomatischer Laufbahn. Sie hat sich die herausfordernde Aufgabe gestellt, die Möglichkeiten der chinesisch-deutschen Zusammenarbeit auszuloten und dabei gleichzeitig die europäischen Werte zu betonen, die Berlin in den Beziehungen zu Peking leiten. Eine weitere Aufgabe Baerbocks wird es sein, eine angemessene Antwort auf die jüngsten Äußerungen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron zur Notwendigkeit einer eigenständigeren Rolle Europas in der Weltpolitik zu finden. Die Chefin des Auswärtigen Amtes will den chinesischen Gesprächspartnern zeigen, dass Europa unabhängig von Macrons Äußerungen nicht von seiner Linie der transatlantischen Einigkeit mit den USA abweicht und als geschlossene Front agiert", notiert die NESAWISSIMAJA GASETA aus Moskau.
Die in Shanghai erscheinde JIEFANG RIBAO lobt: "Es ist wichtig, dass der chinesisch-deutsche strategische Dialog sich fortsetzt. In einer Zeitenwende sind persönliche Begegnungen und konstruktive Gespräche von besonderer Bedeutung, denn nur dadurch kann Konsens in einer ständig verändernden Welt herausgearbeitet werden, der für die Bewältigung der Krisen unverzichtbar ist. Sicherheits- und Wirtschaftspolitik, Handels- und Klimafragen, die Themenbereiche sind zahlreich, über die sich Frau Baerbock mit ihren chinesischen Kollegen austauschen kann", schreibt die staatliche chinesische Zeitung JIEFANG RIBAO.
Die GLOBAL TIMES, eine andere Staatszeitung aus China, bemerkt: "In der Realität der Globalisierung werden Frankreich, Deutschland und die EU gleichzeitig zu Verbündeten der USA und zu Partnern Chinas. Allerdings wollen die USA die EU dazu zwingen, von ihrem eigenen Interesse im Verhältnis zu China wegzukommen und sich der US-Strategie zu China anzunähern. Es sind die USA, die entscheiden, und Europa folgt. Sie wollen bereitstehen, um China zu sanktionieren, wie sie es gegen Russland getan haben, sobald das chinesische Festland Gewalt anwendet, um die nationale Einheit aufrechtzuerhalten. Der Mangel an strategischer Autonomie in Europa ist eines der offensichtlichsten Zeichen des westlichen Niedergangs", so die chinesische Staatszeitung GLOBAL TIMES.
Der WASHINGTON EXAMINER aus den USA meint: "Im krassen Gegensatz zum deutschen Bundeskanzler erkennt Baerbock, dass es bei China um weit mehr geht als um kurzfristige Handelsabkommen. Sie weiß: Wenn die demokratische Welt nicht bereit ist, Druck auf China in dringenden Fragen der Sicherheit, der Menschenrechte und der grundlegenden demokratischen Werte auszuüben, werden diese Bedenken allmählich von Pekings Stiefel niedergetreten. Dafür gebührt Baerbock neben EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Amerikas Respekt", schreibt der WASHINGTON EXAMINER.
Zum Atomausstieg in Deutschland schreibt die tschechische Wirtschaftszeitung HOSPODARSKE NOVINY: "Das bedeutet zwar nicht das Ende für die deutsche Atomindustrie, aber der Standort Deutschland wird durch diesen Schritt geschwächt. Und das ausgerechnet in einer Zeit, in der Frankreich sich für eine Renaissance der Kernkraft entschieden hat, in neue Reaktoren investieren und seine Modelle selbstverständlich auch ins Ausland verkaufen will. Hinzu kommt der Wettbewerb um den Bau des ersten kommerziellen kleinen, modularen Reaktors im Westen. Wer der Sieger sein wird, ist noch unklar, aber die Deutschen werden nur eine Nebenrolle spielen. Die Nachfrage nach Experten und Fertigungskapazitäten in der Atomindustrie ist groß. Das ist eine Chance für tschechische Fachleute und die tschechische Industrie", folgert HOSPODARSKE NOVINY aus Tschechien.
Die NEW YORK TIMES aus den USA bemerken: "Es begann während der Ära des Kalten Kriegs als eine Bewegung von Pazifisten, die sich an die Zäune von Atomkraftwerken ketteten. Fünf Jahrzehnte später werden deutsche Kernkraftwerke abgeschaltet - während Russlands Krieg in der Ukraine sowohl an die Risiken als auch an die Aussichten der Kernenergie erinnert. Deutschlands drei verbleibende Reaktoren werden bis Samstag abgeschaltet – das Ende der Atomstromerzeugung in Europas größter Volkswirtschaft. Dieser Schritt erfolgt in einer Zeit, in der sich der Kontinent mit der Frage auseinandersetzt, ob er genug Energie bereitstellen kann, um seine Volkswirtschaften am Laufen und Häuser warm zu halten sowie gleichzeitig ehrgeizige Klimaziele zu erreichen", mahnt die NEW YORK TIMES.
Die NEUE NZÜRCHER ZEITUNG kritisiert: "Die deutsche Klimabilanz verschlechtert sich. Nicht nur wegen des Verzichts auf russisches Gas, sondern auch wegen des seit einigen Jahren forcierten Atomausstiegs nimmt der Anteil des Kohlestroms zu. Wer hätte es je gedacht, dass ausgerechnet die Grünen zum eifrigsten Lobby-Verein des Klima-Killers Kohle würden? Der Grund hierfür ist pure Ideologie. Ideologien sind in der Menschheitsgeschichte stets die stärksten Treiber gewesen, gerade weil sie auf Fakten keine Rücksicht nehmen. Sie beruhen auf dem unbedingten Willen, die Welt einer Gesinnung zu unterwerfen. Atomkraft ist CO2-arm, und sie steht im Gegensatz zu Wind- und Sonnenstrom Tag und Nacht zur Verfügung. Angesichts von Klimawandel und Energiekrise darauf zu verzichten, ist nichts anderes als Ideologie", findet die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG.
Die Veröffentlichung von Geheimdienstdokumenten in den USA sind Thema im STANDARD aus Österreich: "Die Konsequenzen des Leaks sind schwerer vorherzusehen. Die USA haben frühere Enthüllungen ganz gut weggesteckt. Am folgenreichsten war die Veröffentlichung von US-Depeschen über die Korruption in Tunesien, die den Aufstand gegen das Regime von Präsident Ben Ali 2011 angefeuert hat. Diesmal könnte das ukrainische Militär im Kampf gegen Russland tatsächlich geschwächt werden. Jedenfalls werden die USA ihre Geheimhaltungsregeln verschärfen, was die Regierungsarbeit tendenziell erschwert. Allein das Misstrauen, das solche Leaks fördern, ist ein schwerer Schaden", stellt DER STANDARD fest.
Die Zeitung THE TIMES aus London analysieren: "Die Veröffentlichungen sind ein Schlag für das Prestige des US-Geheimdienstes, das Vertrauen in die Sicherheit seiner Kommunikation und die Beziehungen zu wichtigen Verbündeten wie Großbritannien, Israel, Südkorea und anderen, deren Geheimnisse so großzügig preisgegeben wurden. Und es ist ihr Inhalt, der für Amerikas Ansehen verheerend sein könnte. Eine Einschätzung war, dass die Bestände der Ukraine an Flugabwehrraketen in etwas mehr als einem Monat erschöpft sein würden, was den Weg für einen möglicherweise kriegsverändernden russischen Luftangriff ebnen könnte. US-Präsident Biden hat alles darauf gesetzt, den Stellvertreterkrieg gegen Russland zu gewinnen oder zumindest Wladimir Putin in einer Pattsituation zu halten. Ein Scheitern wäre ein humanitäres und politisches Desaster für die Ukraine und ein Hammerschlag für die Glaubwürdigkeit und Führung Amerikas", warnt THE TIMES.
Die WASHINGTON POST bemängelt: "Das Durchsickern von klassifizierten Geheimdienstdokumenten im Internet über Discord, einer bei Videospielern beliebten Plattform, scheint aktuelle und hochsensible Geheimdienstinformationen kompromittiert zu haben, eine Verletzung, die schädlich ist und auch unterstreicht, dass das System zur Verwaltung von Geheimnissen in einer tiefen Krise steckt. Die Wahrung von Geheimnissen ist für eine funktionierende Regierung unerlässlich. Wenn sich aus den Discord-Leaks irgendetwas Positives ergibt, dann sollte es eine Generalüberholung sein, um die wertvollsten Geheimnisse der Nation besser zu schützen und zu verwalten." Und mit dieser Stimme aus der WASHINGTON POST endet die internationale Presseschau.