
Die norwegische Zeitung VERDENS GANG aus Oslo äußert sich vor dem Hintergrund der Eroberung von Bachmut wie folgt: "Die russischen Streitkräfte kontrollieren jetzt zwar den Großteil der völlig zerstörten Stadt, aber die ukrainischen Truppen rücken an den Flanken vor. Als der Kreml den Sieg feiern wollte, griffen außerdem bewaffnete Truppen auf der russischen Seite der Grenze an. Vieles ist noch unklar, aber auf jeden Fall war es ein Signal an die Russen, dass der Krieg nicht irgendwo weit entfernt stattfindet. Kämpfe in Belgorod, Drohnen über dem Kreml und hohe Opferzahlen zeigen den Russen eine andere Wirklichkeit. Die Ukraine weist jede Verantwortung für die Angriffe in Belgorod zurück. Aber solche Ereignisse können für Unsicherheit sorgen und Zweifel an Putins sogenannter Militäroperation erwecken", vermutet VERDENS GANG.
Die russische Zeitung NESAWISSIMAJA GASETA, die von einem Kreml-treuen Unternehmer geleitet wird, bemerkt: "Die Operation fand unter falscher Flagge statt – die Sabotagegruppe vertrat offiziell die Legion ‚Freiheit Russlands‘ und das ‚Russische Freiwilligenkorps‘, die in Russland als Terrororganisationen gelten und verboten sind. Das ermöglicht es den Ukrainern, die Forderung des Westens zu umgehen, nicht auf russischem Territorium anzugreifen“, folgert die NESAWISSIMAJA GASETA aus Moskau.
Die französische Zeitung LE FIGARO aus Paris stellt fest: "Dieser Angriff verändert den Krieg nicht radikal, aber er ist lehrreich genug, um den Kreml 'zutiefst zu beunruhigen'. Es zeigt die Verwundbarkeit des größten Landes der Welt, das kaum in der Lage ist, seine 1.500 km lange Grenze zur Ukraine zu schützen. In diesem Krieg, in dem wir noch nicht alles gesehen haben, haben die Ukrainer gerade eine neue Waffe gezogen - die russische", meint LE FIGARO.
In einem Gastkommentar analysiert die japanische Zeitung ASAHI SHIMBUN aus Tokio: "Diese Gruppe 'Freiheit für Russland' gehört nicht zum offiziellen Militär: Die Mitglieder sehen sich zwar als Russen, kämpfen aber gegen die eigene Regierung und quasi für das gegnerische Land, die Ukraine. Ein rechtlicher Status solch einer Gruppe ist im Kriegsvölkerrecht nicht vorgesehen und daher international schwierig einzuordnen. Es gibt noch großen Diskussionsbedarf und viele offene Fragen", notiert ASAHI SHIMBUN.
Aus Sicht der spanischen Zeitung EL MUNDO offenbart der Angriff "die Verwundbarkeit Russlands und die Unfähigkeit des Militärs des Landes, das eigene Gebiet zu schützen. Zu der Schwäche, die Moskaus Truppen an der Front zeigen, wo sie seit Monaten in der Defensive verharren und außer der von den Wagner-Söldnern behaupteten Einnahme von Bachmut keine Fortschritte erzielt haben, kommt die wachsende Unsicherheit der russischen Bürger im eigenen Land hinzu. Der Krieg überschreitet die Grenze und rückt damit immer näher an das tägliche Leben der Russen heran, die zunehmend befürchten, dass sich solche Attacken im ganzen Land ausbreiten könnten", folgert EL MUNDO aus Madrid.
Die finnische Zeitung HUFVUDSTADSBLADET aus Helsinki hebt hervor: "Wenn es etwas gibt, das die ukrainische Kriegsführung gegenüber der russischen auszeichnet, dann ist es ihr ungleich geschickteres Vorgehen. Die Ukrainer wissen besser als alle anderen, warum die russische Bevölkerung bislang so passiv war. Die Menschen haben Angst vor Repressalien, sind aber auch davon überzeugt, dass der Krieg nichts mit ihnen zu tun hat, dass er woanders stattfindet und sich nicht auf sie auswirkt. Also versucht die Ukraine Schrecken und Unruhe in Russland zu verbreiten, indem sie ihren Nachbarn ständig vor Augen führt, dass sie eben nicht einfach so davonkommen werden", schätzt HUFVUDSTADSBLADET die Lage ein.
Die in Hongkong erscheinende Zeitung TAKUNGPAO, ein Sprachrohr der Kommunistischen Partei Chinas, beleuchtet die Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf die Weltwirtschaft: "Es zeichnet sich immer mehr ab, dass die Ukraine und das westliche Lager wohl nicht in der Lage sein werden, Russland zu besiegen und den Krieg in naher Zukunft zu beenden. Vielmehr wird eine Beibehaltung und Verschärfung der westlichen Sanktionen gegen Russland den Inflationsdruck in den Ländern des Westens, aber auch in vielen anderen Ländern, weiter erhöhen. Die Industrieländer dürften damit besser zurechtkommen als ein Teil der Schwellenländer, die anhaltende Defizite in ihrer Leistungsbilanz aufweisen", erwartet TAKUNGPAO.
Die britische Zeitung THE GUARDIAN spekuliert: "Was auch immer in den kommenden Wochen geschieht, es könnte eine weitere lange und blutige Pattsituation mit mehr Bachmuts folgen. Ein Zermürbungskrieg erschöpft nicht nur die Truppen, sondern auch die Menschen, die an der Heimatfront mit Armut und Energieknappheit zu kämpfen haben. In zurückeroberten Gebieten wird es zerstörte Häuser, zerstörte Hoffnungen und traumatisierte Zivilisten geben. Die Ukraine braucht die Gegenoffensive, um sowohl innenpolitisch als auch auf diplomatischem Gebiet wieder ein Gefühl von Dynamik herzustellen, aber sie wird wahrscheinlich nur eine weitere Etappe in einem langen und anstrengenden Konflikt sein", befürchtet der GUARDIAN.
Themenwechsel. Die portugiesische Zeitung JORNAL DE NEGOCIOS aus Lissabon geht auf den andauernden Schuldenstreit in den USA ein: "Die Gespräche zwischen Präsident Biden und dem republikanischen Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus, McCarthy, über eine Anhebung der Schuldengrenze treten auf der Stelle. Der Grund dafür hat allerdings gar nichts mit der Wirtschaft zu tun: Es sind die Präsidentschaftswahlen im November 2024. Der politische Kalender bestimmt also nicht nur die Rolle der USA im Ukraine-Krieg, sondern sorgt nun auch noch für eine Verunsicherung der Märkte bezüglich der Zahlungsfähigkeit der USA. Ein solches Szenario ist durchaus möglich, und Finanzministerin Yellen warnt für diesen Fall vor katastrophalen Folgen für die Weltwirtschaft. Der US-Kongress hat diese Schuldengrenze schon häufiger angehoben, aber noch halten die Spannungen zwischen Biden und den Republikanern an. Allerdings verlangt die wirtschaftliche Lage nach einer Einigung, und so wird sie vermutlich noch vor dem 1. Juni zustande kommen – ganz einfach, weil es keine Alternative gibt", erwartet JORNAL DE NEGOCIOS.
Die US-amerikanische Zeitung WASHINGTON POST mahnt: "Ein Zahlungsausfall wäre ein Irrsinn. Dieser würde die Märkte und die Wirtschaft erschüttern und, was vielleicht am schlimmsten wäre, dem Ansehen der USA in der Welt schaden. Die Nation braucht diese Woche eine Einigung. Die Zeit der Posen und des Spiels mit dem Feuer ist vorbei."
In der Online-Ausgabe der maltesischen Zeitung TIMES OF MALTA heißt es: "Einige werden argumentieren, dass die Verhandlungen zwischen Republikanern und Demokraten nur Teil der politischen Theatralik und des Säbelrasselns sind, die leider in vielen westlichen Demokratien fest verankert sind. Dennoch müssen alle demokratischen Länder ihre Lehren daraus ziehen, dass die Risiken einer großzügigen Finanzpolitik nicht angemessen gehandhabt werden. Amerikas wachsende Verschuldung resultiert aus einfacher Mathematik - jedes Jahr gibt es ein Missverhältnis zwischen Staatsausgaben und -einnahmen", betont THE TIMES OF MALTA.
Die tschechische Wirtschaftzeitung HOSPODARSKE NOVINY gibt zu bedenken: "Falls die US-Politiker dennoch von der Klippe springen sollten, fallen Amerika und die Welt ins kalte Wasser. Der US-Dollar, immer noch die wichtigste Weltwährung, würde an Wert verlieren. Ein Einbruch der Börsen wäre sicher. Das Wirtschaftswachstum würde einen ordentlichen Schlag bekommen. Eine Spirale nach unten würde in Gang gesetzt. Wenngleich sich die politischen Lager in Washington unversöhnlich gegenüberstehen, werden sie eine solche finanzielle Apokalypse doch lieber verhindern wollen", prognostiziert HOSPODARSKE NOVINY aus Prag.