11. September 2023
Die internationale Presseschau

Heute vor 50 Jahren putschte das Militär in Chile - dieser Jahrestag ist ein Thema in den Kommentaren. Außerdem wird das Erdbeben in Marokko sowie der WM-Titel für die deutschen Basketballer kommentiert. Zunächst aber zum Abschluss des G20-Gipfels in Indien.

US-Präsident Joe Biden, Indiens Premierminister Narendra Modi, Bundeskanzler Olaf Scholz und andere Teilnehmer des G20-Gipfels am Sonntag beim Besuch des Mahatma Gandhi Memorials in Neu Delhi
Beim Thema Ukraine fand der G20-Gipfel einen Formelkompromiss (picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Kenny Holston)
"Die G20-Präsidentschaft ist ein großer Triumph", jubelt die HINDUSTAN TIMES aus Delhi und führt aus: "Während Kritiker darauf bestehen mögen, dass die Abschlusserklärung die Ukraine-Frage herunterspielt, konzentrierte sich Indien auf das große Ganze. Dabei ging es sowohl um die Auswirkungen des Krieges auf der ganzen Welt als auch um all die anderen Themen, die als Kollateralschaden enden würden, wenn der Gipfel der Staats- und Regierungschefs nicht zu einem Konsens über die Erklärung gekommen wäre. Das Ergebnis - und es wird immer welche geben, die dies bestreiten - war im Vergleich zu den Ergebnissen von Bali eine viel nuanciertere und detailliertere Betrachtung der Ukraine", meint die HINDUSTAN TIMES aus Indien.
"Nur die Ukraine ist nicht glücklich", titelt die polnische GAZETA WYBORCZA und erklärt: "Die westlichen Länder wollten Moskau für die Invasion verurteilen, und Russland behauptete, es würde jede Erklärung blockieren, die nicht seine Position widerspiegelte. Und plötzlich geschah das Wunder: Es kam zu einer Einigung. Lediglich die Ukraine, die kein Mitglied der G20 ist, erklärte, die Gruppe habe 'nichts, worauf sie stolz sein könnte'", notiert die GAZETA WYBORCZA aus Warschau.
Die Kritik aus der Ukraine erläutert die Zeitung SABAH aus der Türkei folgendermaßen: "Dass es in der Abschlusserklärung nicht 'Russlands Angriffskrieg' sondern 'Krieg in der Ukraine' heißt, ist nach Ansicht der Ukraine ein Zugeständnis, das Russland zufriedenstellen soll. Tatsächlich stellt man eine Aufweichung der Sprache im Vergleich zur Erklärung aus dem Vorjahr fest. Aber: was würde es denn nutzen, wenn eine Abschlusserklärung im Sinne der Ukraine herausgekommen wäre? Die Antwort: Gar nichts. Weder würden der Krieg beendet noch die Probleme der Ukraine gelöst", heißt es in der Zeitung SABAH aus Istanbul.
Die Zeitung DE VOLKSKRANT aus Amsterdam hält fest: "Es mag enttäuschend sein, dass nur eine halbherzige Formulierung in die Abschlusserklärung aufgenommen wurde, aber angesichts der großen Herausforderungen, vor denen die Welt steht, ist es immerhin erfreulich, dass die G20 intakt geblieben ist."
Lob für den Gastgeber kommt von der Zeitung LIANHE BAO aus Taipeh: "Dass das Gipfeltreffen mit Erfolg abgeschlossen wurde, ist vor allem der Balancekunst Neu Delhis zur verdanken. Einen Konsens zum Krieg in der Ukraine zu erzielen war eine fast unmögliche diplomatische Aufgabe, doch dem Gastgeber gelang es, die USA und die wichtigsten europäischen Staaten zu Kompromissen zu bewegen. Gleichzeitig mussten auch Peking und Moskau in manchen ihrer Positionen nachgeben", fasst das taiwanesische Blatt LIANHE BAO zusammen.
Die Zeitung NEPSZAVA aus Budapest sieht es so: "In der Tat gelang dem Gastgeber Narendra Modi ein diplomatisches Meisterstück, indem er eine Schlusserklärung formulieren ließ, die von den USA, Russland und China unterzeichnet wurde. Zugleich handelt es sich bei dem Text um eine Anhäufung von Allgemeinplätzen."
Der STANDARD aus Wien übt indes Kritik am indischen Premierminister: "Als mächtiger Gastgeber konnte sich der Premier als Vaterfigur eines neuen Indien gerieren, das selbstbewusst seinen eigenen Weg geht. Doch daheim fördert die indische Regierung Entwicklungen, die weit entfernt von inklusiver Politik sind. Da wird zwar mit vielem, was unter die Kategorie 'koloniales Erbe' fällt, aufgeräumt, aber im Zuge dessen wird eine spezielle hindunationalistische Vision Indiens realisiert, die autoritärer und weniger demokratisch ist und über Minderheiten drüberfährt. Die hochrangigen Gäste in Delhi hielten sich mit offener Kritik vielleicht zurück, weil sie Indien als starken Partner in Asien brauchen", glaubt DER STANDARD.
Heute jährt sich der Militärputsch in Chile zum fünfzigsten Mal. Die Zeitung EL MOSTRADOR aus Santiago de Chile merkt an: "Es mag überraschen, dass keineswegs alle politischen Akteure bereit sind, den Staatsstreich von 1973 zu verurteilen. Es gibt sogar Äußerungen, in denen der Putsch ausdrücklich gerechtfertigt wird. Ein Grund dafür ist der Flügelstreit innerhalb des konservativen Lagers, weshalb besonders rechte Kräfte inzwischen versuchen, Pinochet als Staatsmann darzustellen. Es ist von zentraler Bedeutung, darauf zu reagieren. Trotz aller Fehler von damals: Der 11. September 1973 war ein Staatsstreich gegen einen Präsidenten, der ein soziales Projekt plante, um die Lebensbedingungen einer Mehrheit der Bevölkerung zu verbessern", unterstreicht EL MOSTRADOR aus Chile.
Die uruguayische Zeitung EL PAIS aus Montevideo schreibt: "Für die Linke in Chile und auf dem übrigen Kontinent war Präsident Allende eine Ikone, und sein Tod machte ihn zum Symbol des Widerstands gegen die Unterdrückung. Ebenso wichtig ist aber auch, die Hintergründe der Tragödie näher zu betrachten. Es herrschte der Kalte Krieg, und die chilenische Regierung war mehrfach gewarnt worden, in Südamerika kein zweites Kuba zu errichten. Allende war kein Kommunist, aber er hatte nicht die nötige Mehrheit für seine tiefgreifenden Reformen, und seine Wirtschaftspolitik führte zu Instabilität", erinnert die Zeitung EL PAIS aus Montevideo.
"Dieser Jahrestag ist eine gute Gelegenheit, um über den Wert der Demokratie nachzudenken", ist sich die kolumbianischen Zeitung EL ESPECTADOR sicher: "Chiles linker Präsident Boric misst diesem Datum große Bedeutung bei, denn sein Wunsch ist es, die Chilenen jenseits ihrer politischen Überzeugung zu einen - und er hat es geschafft, gemeinsam mit seinen Vorgängern ein Bekenntnis zur Demokratie zu verabschieden."
Themenwechsel. Nach dem schweren Erdbeben in Marokko hatte die Regierung zunächst nur Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate, Großbritannien und Spanien um Hilfe gegeben. Dazu fragt die französische Zeitung LIBÉRATION: "Wollte sich das Königreich Zeit lassen, um ein Chaos bei der humanitären Hilfe zu vermeiden, wie es ihm nach dem Erdbeben 2004 vorgeworfen worden war? Hat es sich von der Größe der Aufgabe überfordern lassen, zumal der König abwesend war, als sich das Drama ereignete? Oder entschied er sich bewusst dafür, diejenigen, mit denen es diplomatisch im Clinch liegt, wie Frankreich, hinzuhalten? Früher oder später wird die Stunde der Wahrheit schlagen", prophezeit LIBÉRATION aus Paris.
Die Zeitung LE FIGARO ergänzt: "Wenn dieses Land von einem schlimmen Schicksal heimgesucht wird, sind wir nicht Zuschauer eines weit entfernten Dramas: Wir sind direkt betroffen und bereit, zur Hilfe zu eilen. Nur: Die Staatschefs unserer beiden Länder bekämpfen sich. Zwei Jahre lang herrschte ein persönliches und politisches Zerwürfnis. Das Erdbeben ist nun ein zwingender Grund, dem ein Ende zu setzen. Angesichts der Tausenden von Opfern ist keine gekränkte Selbstachtung angebracht", mahnt LE FIGARO aus Paris.
Zum Abschluss der Presseschau noch zwei Stimmen zur deutschen Basketball-Nationalmannschaft, die zum ersten Mal Weltmeister geworden ist: Die spanische Zeitung MARCA gratuliert: "Ein imperiales Deutschland erobert dank Marschall Schröder die Basketball-Weltmeisterschaft. Der Point Guard und Franz Wagner waren die Protagonisten des historischen Siegs der Deutschen über Serbien, das in der zweiten Hälfte Schiffbruch erlitt."
Der KURIER aus Wien zieht den Vergleich zum Fußball: "Geschlossenheit und Entschlossenheit, Mut und Disziplin, Selbstvertrauen und Cleverness. Die deutschen Basketballer zeigten in den vergangenen Wochen all jene deutschen Sport-Tugenden, die ihren kickenden Landsleuten aktuell in Abrede gestellt werden. Als hoch veranlagtes Team in die Weltmeisterschaft gestartet, vollendeten Deutschlands Basketballer am Sonntag in Manila eine märchenhafte Reise." Und mit dieser Stimme aus dem KURIER endet die Internationale Presseschau.