25. September 2023
Die internationale Presseschau

Mit Kommentaren zur italienischen Migrationspolitik und zu den ausgelaufenen EU-Handelsbeschränkungen für ukrainisches Getreide. Zunächst geht es aber um die schwierige Regierungsbildung in Spanien.

Alberto Nunez Feijóo geht an der Spitze von tausenden Menschen und winkt in die Kamera. Neben ihm die früheren spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy (l.) und José Maria Aznar (r.).
Demonstration in Spaniens Hauptstadt Madrid zur Unterstützung des konservativen Politikers Alberto Nunez Feijoo (Mitte), der das Amt des Ministerpräsidenten anstrebt. (AFP / THOMAS COEX)
Die argentinische Zeitung LA NACION schreibt dazu: "Das Zünglein an der Waage könnte nun ausgerechnet die katalanische Separatistenpartei 'Junts' von Carles Puigdemont werden. Der Separatistenführer ist vor der Justiz nach Brüssel geflohen. Für die Unterstützung einer Regierung fordert er unter anderem eine Amnestie für sich und weitere katalanische Politiker. Die konservative Volkspartei PP hat das sofort zurückgewiesen, aber bei der Abstimmung im Parlament morgen und übermorgen wäre sie wohl in jedem Fall auf die Stimmen von Regionalparteien angewiesen. Natürlich gibt es heftige Kritik an einer möglichen Amnestie, und zwar nicht nur von Vertretern aus dem rechten Lager. Sie sehen darin einen Verstoß gegen die Verfassung oder befürchten juristische Probleme", betont LA NACION aus Buenos Aires.
Die spanische Zeitung LA VANGUARDIA hält fest: "Zehntausende haben sich gestern in Madrid an einer von der PP veranstalteten Demonstration beteiligt. Das Motto lautete 'Für die Gleichheit der Spanier', aber das eigentliche Ziel war, Unterstützung für PP-Chef Alberto Núñez Feijóo zu äußern, der ab morgen im Parlament Stimmen sammeln will, um zum nächsten Regierungschef gewählt zu werden. Außerdem ging es darum, die Forderungen der katalanischen Separatisten nach einer Amnestie für Politiker wie Puigdemont zurückzuweisen. Aber was wir brauchen ist keine Konfrontation, sondern ein Kompromiss für eine gemeinsame bessere Zukunft. Die Regierung Sánchez hat viel Energie auf die Lösung der Katalonien-Frage verwendet. Verhandlungen mit der separatistischen 'Junts' sind riskant und erfordern viel Geschick, aber mit politischem Willen auf beiden Seiten können sie gelingen – und das ist nötig, um Politik und Wirtschaft in Katalonien und ganz Spanien voranzubringen", argumentiert LA VANGUARDIA aus Barcelona.
THE TIMES aus London beobachtet: "Spanien ist polarisiert zwischen denjenigen, die den spanischen Staat als eine aufgezwungene Macht betrachten, und denen, die mehr regionale Autonomie als Angriff auf die Integrität dieses Staates sehen. Jedes Zugeständnis von Sánchez, der verzweifelt versucht, an der Macht zu bleiben, verschärft diese Kluft nur. Anstatt als Prügelknabe der Separatisten ins Amt zu humpeln und das Land erneut bitter zu spalten, wäre es vielleicht besser, wenn er den Menschen in einer zweiten Wahl seine Vision eines inklusiven, kompetent regierten Spaniens vermitteln würde", meint die britische Zeitung THE TIMES.
Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG kommentiert die Migrationspolitik von Italiens Ministerpräsidentin Meloni, die seit einem Jahr im Amt ist: "Italien trug im Juni die Reform der europäischen Asylregeln mit und verhalf zum ersten Durchbruch seit Jahren in diesem Bereich. Es war in einer so zentralen Frage ein bemerkenswerter Bruch mit den Regierungen in Ungarn und Polen, die Meloni ganz selbstverständlich ihrem Lager zugerechnet hatten. Stattdessen sucht die Ministerpräsidentin das erfolgversprechendere Bündnis mit den moderaten Kräften. Das Vorgehen ist Ausdruck davon, dass Meloni Realpolitik beherrscht. Italien wird das Migrationsproblem nicht alleine lösen können. Ein gutes Einvernehmen mit Brüssel ist auch deshalb essenziell, weil das Land der größte Nutznießer des milliardenschweren EU-Wiederaufbaufonds ist", erinnert die NZZ.
Der österreischische STANDARD vermerkt: "Im Juli reiste Meloni zusammen mit EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen nach Tunis und versprach der dortigen Regierung viel Geld. Mehr als eine Milliarde Euro sollte das Land erhalten, wenn dort die Migranten davon abgehalten würden, in die Boote zu steigen. Welche konkreten Schritte Tunis setzen solle, um die Lage der Flüchtlinge im Land zu verbessern, wurde aber nicht besprochen. Berichte über Migrantenvertreibungen bei fortwährend guten Geschäften der Schlepper hatten zwar Kritik an dem Deal zur Folge – aber leider zu spät. Die Ankünfte auf Lampedusa dann boten Meloni die Chance, die Ereignisse als eine Art Invasion zu framen. Würde jemand Rechtsextremen in Europa den Teppich legen wollen – besser könnte er oder sie es fast nicht machen", heißt es im STANDARD aus Wien.
"Die Regierung Meloni will den Kreuzzug gegen die zivilen Seenotretter-Organisationen nicht aufgeben", schreibt LA REPUBBLICA aus Rom. "Auch um den Preis, dass sie vor der Sitzung des EU-Innenministerrats am Donnerstag die Spannungen mit Berlin weiter erhöht. Die Verbindung zwischen Italien und Deutschland wird geschwächt durch die Unterstützung, die Berlin den NGOs weiterhin zukommen lassen will. Neben dem Nein Polens und Ungarns wurde gestern auch Deutschlands Nein zur Krisenverordnung bei der EU-Asylreform durch Außenministerin Baerbock offiziell gemacht. Mehr noch: Deutschland erinnert Italien daran, dass 'die Rettung von Menschen, die ertrinken und in Seenot geraten, eine rechtliche, humanitäre und moralische Pflicht ist'. Worte, die Verteidigungsminister Crosetto empörten", konstatiert die italienische Zeitung LA REPUBBLICA.
Die EU hat die Handelsbeschränkungen für ukrainisches Getreide auslaufen lassen. Das sei keine kluge Entscheidung, meint die niederländische Zeitung DE VOLKSKRANT. "Auch wenn die Preise im Moment stabil zu sein scheinen, ist es kein guter Zeitpunkt, die Sache aus der Hand zu geben und damit den Eindruck zu erwecken, die Bauern in Osteuropa seien dem Markt schutzlos ausgeliefert. Brüssel hat damit politischem Opportunismus Vorschub geleistet. Polens rechte Regierungspartei PiS ließ durch ihren Premierminister verkünden, dass sie keine Waffen mehr an die Ukraine liefern werde. Solche Zwietracht ist genau das, was sich Putin erhofft. Nicht alle Folgen des Krieges lassen sich vorhersehen, abwenden, lösen oder kompensieren. Aber die Sorgen von dadurch benachteiligten Menschen müssen ernst genommen werden - sonst droht die Unterstützung für die Ukraine zu bröckeln", warnt DE VOLKSKRANT aus Amsterdam.
Die polnische RZECZPOSPOLITA kommentiert die Beziehungen zu Deutschland, das das Auslaufen des EU-Embargos unterstützt hatte. "Mitunter liest man, die Ukrainer hätten Polen verraten und sich an die Deutschen verkauft. Oder dass Deutschland Polen den Kalten Krieg erklärt habe und versuche, uns in einen Konflikt mit Kiew zu bringen. Solche und viele ähnliche Meinungen spiegeln zwar die Gefühlslage in der Gesellschaft wider, aber beschreiben sie unsere politische Situation? Das alles ist keine nationale Katastrophe für Polen, sondern nur gewöhnliche, brutale Politik. Wir sind ein wichtiger Akteur in diesem politischen Prozess und es stimmt nicht, dass wir in diesem Spiel keine wichtigen Karten hätten. Der Weg der Ukraine in den Westen führt über Polen. Dieser enorme geopolitische Wandel liefert uns die Grundlage für eine geduldige, langwierige und langfristige Strategie zum Aufbau einer besseren Position in Europa als je zuvor", vermutet RZECZPOSPOLITA aus Warschau.
EU-Handelskommissar Dombrovski spricht heute in Peking über die Handelsbeziehungen mit China. Die chinesische Zeitung HUANQIU SHIBAO schreibt: "Anders als bei früheren Treffen ist man diesmal mit deutlich mehr Streitthemen konfrontiert. Die Europäer geben sich besorgt über die Handelsdifferenzen. Aber China deswegen Protektionismus vorzuwerfen, ist der Tatsache fremd und dient nicht der Problemlösung. Auch die Europäische Union blockiert Chinas Technologien. Das geplante 'Derisking' funktioniert so jedenfalls nicht. Man kann Europa nur von einem Handelskrieg à la Trump abraten. Streitigkeiten dürfen nicht in eine Konfrontation münden. Dafür ist mehr Vertrauen und Offenheit notwendig. Die Rekordhandelsumsätze zwischen China und der EU zeigen, dass wir einander brauchen", unterstreicht HUANQIU SHIBAO aus Peking.