20. November 2023
Die internationale Presseschau

Kommentiert werden der Nahost-Krieg und die Wahl des neuen argentinischen Präsidenten.

Menschen inmitten durch einen israelischen Luftschlag zerstörter Häuser im südlichen Gazastreifen.
Die Forderungen nach einer Feuerpause für den Gazastreifen mehren sich, hier ein Archivfoto von zerstörten Häusern nach einem israelischen Angriff. (picture alliance / Xinhua News Agency / Khaled Omar)
UNO-Menschenrechtskommissar Türk hat gestern für eine sofortige Feuerpause im Gazastreifen plädiert, dazu schreibt die spanische Zeitung LA VANGUARDIA aus Barcelona: "Israel gerät international immer stärker in die Kritik. Viele vertreten dabei die Ansicht, dass Israels legitimes Recht auf Selbstverteidigung nicht mit den Militäroperationen im Gazastreifen vereinbar ist, vor allem wenn es um Schulen oder Krankenhäuser geht. Im Augenblick widersteht Israel dem Druck von außen und kann weiter auf die Hilfe der USA zählen, aber US-Präsident Biden macht aus seiner Skepsis keinen Hehl. Ein wichtiger Wendepunkt könnte die Befreiung der Geiseln werden, die Hamas aus Israel entführt hat", meint LA VANGUARDIA aus Barcelona.
Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG schreibt: "Die absolute Notwendigkeit, der Zivilbevölkerung in Gaza Hilfe zu leisten, darf nicht von der Dringlichkeit eines Waffenstillstands ablenken. Es geht also nicht darum, eine 'humanitäre Pause' zu fordern, sondern um die vollständige Einstellung der Kriegshandlungen. Nur so kann man der Bevölkerung im Gazastreifen die Hilfe zukommen lassen, die dem immensen Bedarf entspricht, und den Helfenden ein Mindestmaß an Sicherheit gewährleisten. Denn dies ist nach wie vor das Hauptziel: den Schwächsten und Verletzlichsten zu helfen und Inseln der Menschlichkeit zu schaffen", unterstreicht die Schweizer NZZ.
Die JERUSALEM POST appelliert an die israelische Regierung, alles für die Freilassung der Geiseln zu unternehmen: "Israel sollte den Deal nicht von vornherein ablehnen, weil nicht genug Geiseln freigelassen werden. Die Rettung von 50 Geiseln - vor allem von Kindern - ist die dringendste Aufgabe, auch wenn sich dadurch das eigentliche Ziel, die Auslöschung der Hamas, um ein paar Tage verzögert. Nach sechs Wochen Gefangenschaft, in denen ihre Familien zu Hause entsetzliche seelische Qualen erlitten haben, ist es an der Zeit, alles zu tun, um die Menschen zu retten, die wir retten können - jetzt", fordert die israelische Zeitung THE JERUSALEM POST.
Die palästinensische Zeitung AL AYYAM hält das Vorgehen des israelischen Militärs im Gazastreifen für falsch: "Offenbar ist Israel bestrebt, sämtliche Widerstandsbewegungen in Gaza auszuschalten. Dabei scheint das Land nicht zu erkennen, dass sich, selbst wenn dies gelingt, über kurz oder lang neuer Widerstand bilden wird. Denn sobald die Kinder der Toten, der Verletzten und Vertriebenen erwachsen sind, werden sie den Widerstand fortsetzen. Zudem gibt es Millionen Araber und Muslime weltweit, die von den USA unterstützte Politik nicht akzeptieren werden. Daher werden alle Arten von Unterdrückung letztlich dazu führen, dass sich das von den Israelis intendierte Ziel über kurz oder lang in sein Gegenteil verkehrt. Der Widerstand wird bleiben", ist AL AYYAM aus Ramallah im Westjordanland überzeugt.
Die Zeitung PRAVO aus Tschechien warnt vor Antisemitismus unter Muslimen: "Der Kampf Israels gegen islamistische Terroristen im Gazastreifen wird von einem beunruhigenden Anstieg antisemitischer Vorfälle im Westen begleitet. Dazu kommt es nicht nur in Großbritannien und Frankreich, sondern auch in Deutschland, wo eine Welle antijüdischen und teils gewalttätigen Hasses zu beobachten ist. Vizekanzler Habeck hat islamischen Antisemitismus verurteilt. Doch sollten sich die deutschen politischen Eliten an die eigene Nase fassen. 2015 ließen sie ohne jegliche Kontrolle eine enorme Zahl von Menschen mit anderen religiösen Überzeugungen und Werten ins Land", schreibt PRAVO aus Prag.
"Deutschland und die Türkei hatten die Chance, eine gemeinsame Initiative zu Gaza zu starten", notiert die türkische Zeitung EKONOMI mit Blick auf den Besuch des türkischen Präsidenten Erdoğan in Berlin. "All das ist nicht passiert. Mit seinen Äußerungen über den Holocaust hat Präsident Erdoğan auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundeskanzler Scholz hat fast alle diplomatische Türen verschlossen. Erdoğans Worte könnten im Vorfeld der Kommunalwahlen in der Türkei im nächsten Jahr bei einigen Wählern Anklang gefunden haben. Doch das Auftreten Erdoğans in Berlin könnte alle Gesprächskanäle zwischen Ankara und Berlin weitgehend verschlossen haben", unterstreicht EKONOMI aus Istanbul.
Nun zur Wahl des neuen argentinischen Staatspräsidenten Milei. In der Zeitung CLARIN aus Buenos Aires heißt es: "Die Argentinier haben mit der Wahl von Javier Milei zum nächsten Staatspräsidenten zwei deutliche Botschaften übermittelt. Die eine ist, dass endlich ein Schlussstrich unter die Ära Kirchner gezogen werden soll, und die andere ist, dass Argentinien aus seiner Dauerkrise finden muss. Das aber ist eine komplizierte Angelegenheit, denn dazu müsste Milei das politische System von Grund auf ändern. Auch haben die Argentinier diese Aufgabe einem Mann anvertraut, der noch recht neu auf der politischen Bühne ist und nur eine schwach aufgestellte Partei hinter sich weiß. Argentinien hat in den letzten 40 Jahren seit der Rückkehr zur Demokratie viele Wechselbäder erlebt. Große Experimente platzten und endeten in Chaos und Gewalt. Auch Milei hat drastische Schockmaßnahmen angekündigt und dabei von einem Wiederaufbau Argentiniens gesprochen", erläutert die argentinische Zeitung CLARIN.
Die mexikanische Zeitung LA RAZON erinnert: "1983 überwand Argentinien die Militärdiktatur, die zu den tragischsten Abschnitten seiner Geschichte gehört. 40 Jahre später, steht die Demokratie in dem Land vor einer enormen Herausforderung, denn die globale populistische Welle hat nun auch Argentinien erreicht. Mit der Demokratisierung waren großen Erwartungen verknüpft, aber rasch wurde auch deutlich, dass freie und faire Wahlen nicht automatisch zu einem effektiven Staat führen. Bei 140 Prozent Inflation ist es wohl auch kein Wunder, dass die Argentinier unzufrieden mit ihrem System sind. Aber Populismus spaltet und beruht letztlich auf dem gleichen Irrtum: Es ist eben nicht damit getan, dass irgendein starker Anführer endlich die Macht übernimmt und behauptet, er vertrete die wahren Interessen des Volks und könne alle Probleme des Landes lösen", warnt LA RAZON aus Mexiko-Stadt.
Die polnische Zeitung GAZETA WYBORCZA erläutert: "Milei überzeugte die Wähler unter anderem mit dem Versprechen, den 'kranken Peso' zugunsten des US-Dollars aufzugeben und die argentinische Zentralbank abzuschaffen, um den 'Krebs der Inflation' zu beenden. Milei gilt als systemfeindlicher Außenseiter. Er spricht sich gegen Abtreibung aus, befürwortet den Besitz von Schusswaffen für den privaten Gebrauch, verspricht, die Beziehungen zu den wichtigsten Handelspartnern Argentiniens – China und Brasilien – abzubrechen, stellt außerdem die Zahl der Opfer der Militärdiktatur in Frage und bestreitet, dass der Klimawandel durch menschliches Handeln verursacht wird", soweit die GAZETA WYBORCZA aus Warschau und soviel zu diesem Thema.
Hören Sie abschließend einen Kommentar aus der IRISH TIMES, die sich mit den Folgen des Haushaltsurteils des Bundesverfassungsgerichts für die Ampelkoalition befasst: "Die Beziehungen zwischen den beiden kleineren Parteien der deutschen Regierungskoalition, den Grünen und der FDP, sind schlecht. Das Überleben des Bündnisses hängt weitgehend von der zähneknirschenden Bereitschaft der FDP ab, die ehrgeizigen Klimapläne der Grünen und dementsprechende umfangreiche Investitionen in die schwächelnde Wirtschaft zu unterstützen. Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch genau diese Pläne kassiert und damit den Zusammenbruch der Regierung riskiert. Die Haushaltsstrategie der Regierungskoalition ist ruiniert. Genau das war das Ziel der Beschwerdeführer vor dem Verfassungsgericht, der finanzpolitischen Falken der oppositionellen CDU. Die Regierung hat nur begrenzte Möglichkeiten, wenn sie ihr Programm umsetzen will. Eine Änderung der Schuldenbremse würde jedenfalls eine Zweidrittelmehrheit im Parlament erfordern, die nicht erreichbar ist." Das war die IRISH TIMES aus Dublin, mit der die internationale Presseschau endet.