25. November 2023
Die internationale Presseschau

Auch heute kommentieren viele Zeitungen den Sieg des Rechtspopulisten Wilders bei der Parlamentswahl in den Niederlanden. Vor allem aber geht es um den Krieg im Gazastreifen und das Abkommen zwischen Israel und der Hamas.

THE HAGUE - Party leader of the Party for Freedom (PVV) Geert Wilders casts his vote for the House of Representatives elections netherlands . robin utrecht
Rechtspopulist Geert Wilders hat die Anzahl der Sitze seiner "Partei für die Freiheit" im niederländischen Parlament verdoppelt. (picture alliance / robin utrecht)
Die Freilassung erster Geiseln sei eine gute Nachricht, schreibt die brasilianische Zeitung O GLOBO: "Mit dem Abkommen ist die israelische Regierung aber ein hohes Risiko eingegangen. Die Pause verschafft den Terroristen die Gelegenheit, sich neu zu formieren und zu bewaffnen, und die Hamas riskiert ganz bewusst das Leben der Menschen im Gazastreifen. Für Israel ist das ein großes Dilemma, für das es keine einfache Lösung gibt. Gerade schweigen die Waffen, die Zivilisten in Gaza erhalten Hilfsgüter und die freigelassenen Geiseln und ihre Angehörigen können feiern. Vielleicht lassen sich diese Erfolge noch ausbauen. Aber der Krieg ist damit noch längst nicht vorbei", unterstreicht O GLOBO aus Rio de Janeiro.
"Die Armeeführung weiß, dass Kampfpausen für die Hamas von Vorteil sind", meint DE TELEGRAAF aus Amsterdam: "Nicht nur, weil sich die Hamas dann neu formieren könnte, sondern vor allem, weil sich die internationalen Proteste wieder gegen Israel wenden werden, sobald die Bombardierungen wieder aufgenommen werden. Das Ziel der israelischen Militäroperation ist es, die Hamas ein für alle Mal auszuschalten. Die große Frage ist, ob sie erfolgreich sein wird. Die Beispiele aus der Vergangenheit sind nicht gerade ermutigend", gibt DE TELEGRAAF aus den Niederlanden zu bedenken.
Aus Sicht der kanadischen Zeitung NATIONAL POST ist die Frage, ob sich das Abkommen lohnt, eher nebensächlich: "Israel steht einer Armee religiöser Extremisten gegenüber. Als liberale Demokratie, der das Leben ihrer Bürger lieb ist, muss Israel die Ungleichheit des Abkommens in Kauf nehmen. Die israelische Armee ist trotzdem in der Lage, die Hamas aus dem Gazastreifen zu vertreiben. Wenn sie die terroristische Bedrohung neutralisiert und möglichst viele der schätzungsweise 240 Geiseln in Sicherheit bringt, dann war Israels Vorstoß im Gazastreifen ein Erfolg", hält die NATIONAL POST aus Don Mills fest.
LA RAZON aus Mexiko-Stadt betont: "Es ist ein hoher Preis, aber in der israelischen Gesellschaft herrscht ein breiter Konsens, ihn zu bezahlen, wenn dafür Geiseln freikommen. Das Massaker an über tausend Zivilisten und die massenhafte Entführung selbst von Babys suchen ihresgleichen in der Geschichte der Menschheit. Kein Trauma-Experte hat ein Rezept dafür, wie man diese Kinder behandelt. Die Freilassung der ersten Geiseln ist ein Hoffnungsschimmer. Vor allem aber bleibt die Unsicherheit, was mit all denen passiert, die weiterhin in Geiselhaft sitzen", notiert LA RAZON.
YOMIURI SHIMBUN aus Tokio stellt fest: "Für die öffentliche Meinung in der internationalen Gemeinschaft ist das Abkommen ein Erfolg. Denn sie legt großen Wert auf die Humanität. Netanjahus Regierung konnte die Kritik aus aller Welt nicht mehr ignorieren. Dennoch hat der Regierungschef schon jetzt angekündigt, dass der israelische Einsatz im Gazastreifen nach der Feuerpause weitergeht. Netanjahu sollte über einen Kurswechsel nachdenken. Bei den großangelegten Angriffen sterben zahlreiche Zivilisten. Dazu kommt die feindliche Haltung gegenüber den Vereinten Nationen. Das könnte Israel auf der Weltbühne isolieren", befürchtet die japanische Zeitung YOMIURI SHIMBUN.
Die israelische Zeitung HAARETZ kommentiert: "Wenn dieser Krieg etwas bewiesen hat, dann, dass Israel zum Überleben Allianzen braucht - bei allem Respekt für die israelischen Verteidigungskräfte und das Iron-Dome-System. Und damit sind absolut nicht die Vereinigten Staaten allein gemeint. Israels Freundschaften mit europäischen Staaten und anderen Ländern auf der ganzen Welt, seine Friedensabkommen und seine Normalisierungsabkommen bilden einen Ring zum Schutz vor Angriffen auf das Land", argumentiert HAARETZ aus Tel Aviv.
Die britische Zeitung THE TELEGRAPH ist der Meinung, große Teile der britischen, europäischen und US-amerikanischen Linken hätten Israel nicht ausreichend unterstützt: "Zu viele waren nur allzu bereit, die Angriffe der Hamas im Namen der Sympathie für das palästinensische Volk zu entschuldigen. Die Tatsache, dass nun Kinder von der Hamas freigelassen werden, wird die Welt daran erinnern, wer den aktuellen Konflikt angezettelt und wer Kriegsverbrechen begangen hat. Die Entführung von Zivilisten, insbesondere von Kindern, ist ganz klar ein Kriegsverbrechen", hebt THE TELEGRAPH aus London hervor.
"Es darf jetzt nicht nicht nur um einen Waffenstillstand für ein paar Tage gehen", fordert die Zeitung AL AYYAM aus Ramallah: "Dieser reicht nicht einmal aus, die Toten aus den Trümmern zu bergen. Letztlich gibt es keine Alternative zu einer politischen Lösung. Nicht nur die Araber, sondern auch viele Israelis, die Amerikaner und Westeuropäer sind von der Notwendigkeit überzeugt, die Zwei-Staaten-Lösung endlich umzusetzen. Ohne diese dürfte es schwierig sein, die palästinensische Frage zu lösen", betont die palästinensische Zeitung AL AYYAM aus dem Westjordanland.
Die türkische Zeitung YENI ŞAFAK fragt: "Könnte sich die humanitäre Pause in einen dauerhaften Waffenstillstand verwandeln? Wohl kaum. 'Dauerhaft' kann man als einen Zeitraum interpretieren, der lang genug ist, damit die Menschen vergessen, wann sie das letzte Mal gekämpft haben. Realistischer ist ein Waffenstillstand 'auf unbestimmte' Zeit." Das war YENI ŞAFAK aus Istanbul.
Nun noch einige Kommentare zum Sieg des Rechtspopulisten Wilders in den Niederlanden. Die russische Zeitung KOMMERSANT thematisiert die möglichen Folgen der Wahlergebnisse für das eigene Land: "Ist das nun alles für Russland von Vorteil? Was Wilders betrifft: ja, er ist dafür, der Ukraine weniger zu helfen, und ist sogar bereit, die EU zu zerschlagen. Allerdings vollzieht Russland eine große Wende, auch in Richtung der islamischen Welt. Hier sind unser Freund aus den Niederlanden und Moskau überhaupt nicht auf dem gleichen Weg. Außerdem ist nicht ganz klar, welchen Nutzen die europäische Rechte aus der Freundschaft mit Russland zieht. Vielleicht billige Energieressourcen – aber so stark friert man im Westen aktuell nicht. Und dann, bei allem Respekt vor den Niederlanden, handelt es sich hier auch nicht um ein Schlüsselland, wenn es um die Unterstützung Kiews geht. Der Hauptverbündete der Ukraine ist immer noch Amerika", heißt es in der Zeitung KOMMERSANT aus Moskau.
Die schwedische Zeitung GÖTEBORGS-POSTEN bringt den Sieg Wilders' mit dem Erstarken rechtspopulistischer Kräfte in ganz Europa in Zusammenhang: "Der Rechtspopulismus ist nicht etwa eine vorübergehende Welle, sondern er ist gekommen, um zu bleiben. Man kann 'Faschisten!' schreien und alle an den Pranger stellen, die sich auf die eine oder andere Weise mit ihnen einlassen. Man könnte die Rechtspopulisten aber auch als Korrektiv sehen, als Folge der Kluft zwischen Politikern und Wählern, befördert durch die Ablehnung der Zuwanderung. Das bedeutet natürlich nicht, dass die Rechtspopulisten harmlos sind. Aber erst, wenn auch ihre Forderungen als Folge einer legitimen Unzufriedenheit ernst genommen werden, kann die Polarisierung in den westlichen Gesellschaften überwunden werden", glaubt die Zeitung GÖTEBORGS-POSTEN.
DER STANDARD aus Österreich macht sich Gedanken über die Zukunft der Klimapolitik unter den Rechtspopulisten: "Es klingt hart, sogar zynisch: Aber um das Klima zu retten, müssen die US-Demokraten und Europas Mainstream-Parteien die illegale Migration besser stoppen als bisher – auch mit umstrittenen Schritten. Nur im Wahlkampf darüber zu reden, wie es in den Niederlanden Mark Ruttes Nachfolgerin tat, bringt wenig. Ein Beispiel dafür sind die dänischen Sozialdemokraten, die einen rechten, manchmal brutalen Migrationskurs mit einer vorbildhaften Klimapolitik verbinden. Aus moralischer Sicht tut das weh. Aber die Alternative ist, dass Wilders und Co die Welt an den Abgrund führen", warnt DER STANDARD aus Wien zum Abschluss der internationalen Presseschau.