04. Januar 2024
Die internationale Presseschau

Kommentiert werden die Anschläge im Iran und in Beirut, die Rücktritte an US-Universitäten und das Flugzeugunglück in Tokio.

Iran, Kerman: Menschen versammeln sich nach Explosionen auf einer Straße.
Nach zwei verheerenden Explosionen am Todestag des mächtigen iranischen Generals Ghassem Soleimani in dessen Heimatstadt Kerman ist die Zahl der Todesopfer weiter gestiegen. (Mahdi Karbakhsh Ravari/Mehr News Agency/dpa)
Im Iran sind bei Bombenexplosionen am Todestag des Generals Ghassem Soleimani mehr als 100 Menschen ums Leben gekommen. Das WALL STREET JOURNAL unterstreicht: "Die Bombenanschläge sind verabscheuungswürdig, unabhängig davon, wer sie verübt hat. Das iranische Regime könnte versucht sein, Israel und die USA, seine üblichen Verdächtigen, dafür verantwortlich zu machen. Aber solche Explosionen liegen nicht im Interesse der beiden Länder. Die USA und Israel haben Ziele im Iran bislang auch nicht auf diese Art angegriffen. Die israelische Methode sieht aus wie die Explosion am Dienstag in Beirut, bei der Saleh al-Aruri, ein hochrangiger Hamas-Führer, getötet wurde", erklärt das WALL STREET JOURNAL aus New York.
Ähnlich sieht das die Wiener Zeitung DER STANDARD: "Auf dem ersten Blick ist eine israelische Urheberschaft unwahrscheinlich: Das Gemetzel ist für Israel weder taktisch noch strategisch von Nutzen, die eingesetzten Waffen – Benzinkanister – sind völlig untypisch. Der Iran hat ein Problem mit Terrorismus vonseiten sunnitischer Extremisten."
Die iranische Zeitung HAMMIHAN schreibt: "Hinter dem Anschlag könnte eventuell ein Ableger der Terrorgruppe IS stecken. Israel könnte als zweiter Hauptverdächtiger betrachtet werden, da es möglicherweise durch den Einsatz von Geheimdienstinformationen und Logistik Kräfte angestiftet und bei der Durchführung des Verbrechens unterstützt hat. Es ist wichtig zu betonen, dass die offizielle Verantwortung Israels für die Tat sorgfältig bedacht werden sollte, da dies erhebliche Konsequenzen haben könnte. Ebenso besteht die Möglichkeit, dass interne Kräfte, die nach regionalen Konflikten und Spannungen streben, für das Verbrechen verantwortlich sein könnten. Leider sind die aktuellen Nachrichten widersprüchlich und bieten keine aufschlussreichen Informationen", heißt es in der Zeitung HAMMIHAN aus Teheran.
Die IRISH TIMES notiert zu dem Anschlag auf einen hochrangigen Hamas-Funktionär in Beirut: "Beobachter sehen Anzeichen für eine Änderung der Taktik hin zu gezielteren und weniger wahllosen Bombardements. Dies sei eine - wenn auch von den Israelis nicht offen zugegebene - Reaktion auf Forderungen von US-Präsident Biden, den Krieg mit präziseren Angriffen anzugehen und Spezialkräfte für Angriffe auf die Führung und Infrastruktur der Hamas einzusetzen. Der Drohnenangriff auf das Beiruter Hamas-Büro, bei dem mehrere hochrangige Kommandeure getötet wurden, scheint diesen Wandel zu bestätigen. Es besteht aber auch die Gefahr, dass ein Angriff auf Ziele im Herzen der Hisbollah-Basis im Libanon einen größeren regionalen Flächenbrand auslösen könnte", befürchtet THE IRISH TIMES aus Dublin.
In der türkischen Zeitung EVRENSEL heißt es: "Obwohl Israel die Verantwortung nicht übernommen hat, machen alle Israel für das Attentat verantwortlich. Israel hatte vor Kurzem gesagt, dass jeder Hamas-Verantwortliche Ziel sein werde, egal wo diese sich befinden. Andererseits führen Israel und die Hisbollah seit dem 7. Oktober einen auf die Grenzregion beschränkten Krieg. Dass dieses Attentat in einer Hisbollah-Hochburg passiert ist, könnte als eine Herausforderung für die Hisbollah angesehen werden", meint EVRENSEL aus Istanbul.
Die palästinensische Zeitung AL AYYAM spekuliert: "Vielleicht ist die Ermordung Saleh al-Arouris in Beirut eine Strategie der israelischen Regierung, um ihr Scheitern zu beenden. Womöglich setzt das Land auf eine Ausweitung des Krieges, um so zu einem umfassenden Waffenstillstand an allen Fronten zu kommen. Es ist allerdings fraglich, ob die Ausweitung des Krieges dem ganzen Land Israel dient oder nicht eher der israelischen Regierung, die auf diese Weise versucht, sich ihrer Verantwortung für ihr Scheitern zu entziehen. Zu befürchten ist allerdings, dass die Region vor erbitterten Kriegen und einer endlosen Spirale der Gewalt und Verwüstung steht", befürchtet AL AYYAM aus Ramallah.
Auch die chinesische Zeitung JIEFANG RIBAO warnt vor einer Eskalation der Gewalt: "Bereits zu Beginn des Krieges mit der Hamas hat Israel eine Most-Wanted-Liste von 15 Hamas-Funktionären veröffentlicht. Jetzt ist der Funktionär Al Aruri getötet worden, er galt als das 'Gehirn der Hamas'. Dies wird nicht ohne Folgen bleiben. In den Verhandlungen mit Israel über die Freilassung der Geiseln und Feuerpausen hat Al Aruri eine entscheidende Rolle gespielt. Nun sind diese Gespräche unmöglich geworden. Nicht nur die Hamas, auch die Hisbollah droht mit Vergeltung. Die Gefahr einer Eskalation und Verlängerung des Krieges steigt. Auch wenn ein umfassender Krieg zwischen Israel und Libanon nicht unmittelbar bevorsteht, muss er mit allen Mitteln verhindert werden", fordert JIEFANG RIBAO aus Shanghai.
In den USA ist die Präsidentin der Universität Harvard, Claudine Gay, nach Antisemitismus- und Plagiatsvorwürfen zurückgetreten. Dazu schreibt die schwedische Zeitung SVENSKA DAGBLADET: "Anfang Dezember wurden die Rektoren dreier amerikanischer Spitzenuniversitäten zu einer Befragung in den US-Kongress geladen. Das Thema war der Umgang der Universitäten mit dem Antisemitismus, der sich dort seit dem 7. Oktober ausgebreitet hatte. Das größte Problem der Antworten waren nicht ihre juristischen Argumente, obwohl es anstößig war, die Aufstachelung zum Völkermord auf die Frage nach dem Kontext zu beschränken. Vielmehr wurde die Heuchelei deutlich, deretwegen eine bestimmte Unterdrückung deutlich ernster genommen wird als eine andere. Die Rektorin von Pennsylvania musste nur wenige Tage später zurücktreten, und nun räumt auch Claudine Gay, die Rektorin von Harvard, nach nur sechs Monaten ihren Posten. Das ist zu begrüßen", unterstreicht das SVENSKA DAGBLADET aus Stockholm.
Die spanische Zeitung LA VANGUARDIA vermutet andere Gründe für die Rücktritte. "Der Hintergrund ist freilich, dass es der Rechten in den USA vorrangig darum geht, die Elite-Universitäten des Landes anzugreifen. Bei einer Befragung im US-Kongress im Dezember wurde deutlich, dass die Republikaner ihre Mehrheit im Abgeordnetenhaus nur für rhetorische Fragen zum Antisemitismus nutzten. Gay war aber die erste schwarze Rektorin von Harvard, und während ihrer nur sechs Monate im Amt stand sie unter heftigem Druck ehemaliger konservativer Absolventen und Spender. Es ist schwierig, Aufforderungen zur Gewalt von Äußerungen zu trennen, die unbequem oder kritikwürdig, aber legal sind. Die Frage des Antisemitismus infolge des Gaza-Kriegs hat dadurch nun zu Beginn des Wahljahrs noch eine weitere Front in dem Kulturkrieg zwischen den Republikanern und den Demokraten eröffnet und befeuert diejenigen, die die Universitäten nicht als Ort der Chancengleichheit betrachten", schreibt LA VANGUARDIA aus Barcelona.
Hören Sie abschließend noch einen Kommentar zur Kollision zweier Flugzeuge in Tokio mit mindestens fünf Toten. Die japanische Zeitung ASAHI SHIMBUN ist empört darüber, dass offenbar menschliches Versagen Auslöser des Unglücks war: "Die veröffentlichten Daten der Funk-Gespräche können - anders als der Pilot behauptet - nicht bestätigen, dass die Maschine der Küstenwache eine Erlaubnis hatte, sich auf die Start- und Landebahn des Flughafens zu begeben. Es ist einfach unglaublich, dass es in solch einem elementaren Gespräch zwischen dem Tower und den Piloten zu einem Missverständnis kommt. Kontrollen funktionierten offenbar nicht. Dieser Vorfall erschüttert das Vertrauen in die japanische Regierung und deren Flugaufsicht. Das Verkehrsministerium trägt nun die Verantwortung für eine konsequente Ursachenforschung. Außerdem muss es der Öffentlichkeit erklären, wie derartige Katastrophen in Zukunft verhindert werden können." Mit diesem Kommentar der Zeitung ASAHI SHIMBUN aus Tokio endet die internationale Presseschau.