Sonntag, 05. Mai 2024

06. Januar 2024
Die internationale Presseschau

Kommentiert werden heute unter anderem der Sturm auf das Kapitol in Washington vor drei Jahren und die wirtschaftliche Lage in China. Doch zunächst ins Inland. Demonstranten haben Bundeswirtschaftsminister Habeck in Schlüttsiel im Kreis Nordfriesland am Verlassen einer Fähre gehindert.

06.01.2024
Landwirte mit Traktoren und Lkws stehen im Umfeld des Fähranlegers. Wütende Bauern hinderten Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) in Schlüttsiel in Schleswig-Holstein am Verlassen einer Fähre.
Bauern hindern Minister Habeck am Verlassen einer Fähre. (Hagen Wohlfahrt / Schleswig-Holste / Hagen Wohlfahrt)
Dazu meint die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG: "Es gehört zu den nicht verhandelbaren Voraussetzungen der Demokratie, dass Konflikte im friedlichen Gespräch ausgetragen werden. Jemandem, selbst einem ungeliebten Minister, privat aufzulauern, das grenzt nicht nur an Nötigung, das ist Nötigung – die Bedrohung mit einem 'empfindlichen Übel'. Eine Bedrohung ging sowohl nach Einschätzung von Habecks Leibwächtern als auch nach Auskunft der schleswig-holsteinischen Polizei von den teilweise stark emotionalisierten Demonstranten aus. Angstmacherei und Einschüchterung sollen in Deutschland nach aller historischen Erfahrung nie wieder ein Mittel der politischen Auseinandersetzung sein", unterstreicht die Schweizer NZZ.
Die KLEINE ZEITUNG aus Österreich schreibt: "Habeck versucht, den Staatskahn in ökonomisch unwägbaren und klimatisch kritischen Zeiten zu navigieren und ist – wie die Ampel insgesamt – vor Fehltritten wahrlich nicht gefeit. Einem Bundesminister aufzulauern, ist indes verrohte Agitation, mit der die Landwirte auch ihrer Agenda schaden. Der Bauernverband distanzierte sich von den Akteuren, das Problem ist aber ein noch tiefergehendes. Pöbeleien scheinen ein Symptom der Zeit, der respektvolle Diskurs ist zum Gutteil längst abgemeldet. Prinzip Dreschflegel, angewendet auch in Österreich. Umso erbärmlicher war die Eskalation an der Nordsee, als ein von Habeck spontan gemachtes Gesprächsangebot mit einzelnen Landwirten ausgeschlagen wurde. Demokratie, quo vadis?", fragt die KLEINE ZEITUNG aus Graz.
Sorgen um den Zustand der Demokratie gibt es auch in den USA, wo in diesem Jahr Präsidentschaftswahlen stattfinden. Die dänische Zeitung POLITIKEN erinnert daran, dass heute vor drei Jahren aufgebrachte Trump-Anhänger in den US-Kongress eingedrungen waren und gewaltsam versuchten, die Anerkennung von Bidens Wahlsieg zu verhindern. "Es war der schlimmste Anschlag auf die Demokratie in der jüngeren Geschichte der USA, und es war Donald Trump, der dazu angestachelt hatte. Zum Glück wurde der Angriff abgewehrt und Biden zum Wahlsieger erklärt. Aber der Angriff kostete mehrere Menschenleben, und die Lüge von einem Wahlbetrug lebt weiter und ist zu einer Dolchstoßlegende mutiert, die die gesamte republikanische Partei vergiftet hat - und das, obwohl nicht der geringste Beweis vorliegt. Es gleicht einer Katastrophe, wenn sich eine der beiden großen Parteien in den USA weigert, Wahlergebnisse anzuerkennen. Eine der entscheidenden Merkmale einer funktionierenden Demokratie ist das Eingeständnis einer Wahlniederlage", betont POLITIKEN aus Kopenhagen.
Die argentinische Zeitung LA NACION führt aus: "Die US-Bundesstaaten Colorado und Maine haben Trump von einer Kandidatur bei den Präsidentschaftswahlen in diesem Jahr ausgeschlossen. Weitere Bundesstaaten prüfen, ob sie denselben Weg gehen sollen. Eines ihrer wichtigsten Argumente ist ein Verfassungszusatz, der es den Beteiligten einer Rebellion untersagt, für ein hohes politisches Amt zu kandidieren. Nun ist der Fall vor dem Obersten Gerichtshof gelandet. Es wäre ein einmaliger Vorfall in der Geschichte des Landes, wenn eine juristische Entscheidung Wähler daran hindert, für den führenden Kandidaten einer der beiden großen Parteien zu stimmen. Die US-Bürger können daher gespannt sein, wie die Entscheidung des Supreme Court ausfällt", ist in LA NACION aus Buenos Aires zu lesen.
Themenwechsel. Auf Antrag Südafrikas wird sich der Internationale Strafgerichtshof mit dem Vorwurf des Völkermords gegen Israel befassen. Dazu heißt es in der norwegischen Zeitung AFTENPOSTEN: "Israel nimmt das nicht auf die leichte Schulter. Völkermord gilt als das schlimmste Verbrechen überhaupt, und bislang führte nur ein einziger Fall zwischen zwei Staaten zu einer Verurteilung, nämlich das Massaker in Srebrenica 1995. Für eine Verurteilung muss der Nachweis erfolgen, dass das Ziel des Gaza-Kriegs die Vernichtung der Palästinenser ist. Der Unterschied zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen ist, dass Völkermord das Ziel verfolgt, eine ganze Bevölkerungsgruppe auszurotten. Die Bevölkerung in Gaza hungert, der Norden des Gazastreifens ist weitgehend zerstört, und die Menschen werden von einem Ort zum anderen getrieben. Vielleicht ist es ja nicht die Strategie der gesamten Regierung, die Palästinenser aus Gaza zu vertreiben, aber es ist auch nicht leicht zu verstehen, was für eine Strategie Israel überhaupt verfolgt", findet AFTENPOSTEN aus Oslo.
Die niederländische Zeitung DE TELEGRAAF fragt sich: "Warum geht Südafrika wegen einer schrecklichen Situation in einem Land, das 9.000 Kilometer entfernt ist, vor Gericht? In der Zeit des Apartheidregimes unterhielten beide Länder enge diplomatische Beziehungen, die sich danach jedoch abkühlten. Südafrika argumentiert, dass Israel seit 75 Jahren in den Beziehungen zu den Palästinensern Apartheid praktiziert. Vielleicht ist die Erinnerung an das elende politische Apartheidsystem der Grund dafür, dass Südafrika die Notlage der Palästinenser bewegt", vermutet DE TELEGRAAF aus Amsterdam.
Die spanische Zeitung ABC befasst sich mit der Reise von US-Außenminister Blinken unter anderem nach Israel und ins Westjordanland: "Im Nahen Osten wächst die Angst vor einer Ausweitung des Konflikts, die auch Grund der Reise von US-Außenminister Blinken in die Region ist. Sein Ziel ist unter anderem, dem israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu klarzumachen, dass die Zeit abgelaufen ist, in Gaza weiterhin ohne Einschränkungen vorgehen zu können. Der Beginn des US-Wahlkampfs und die damit einhergehende Politisierung der Unterstützung für Israel führen dazu, dass der Handlungsspielraum schrumpft. Auch deshalb hat Israel grundlegende Änderungen in der Kriegsstrategie angekündigt", meint ABC aus Madrid.
Hören Sie nun Kommentare zum Zustand der chinesischen Wirtschaft. Die türkische Onlinezeitung T24 aus Istanbul schreibt: "Die chinesische Wirtschaft, die einst mit ihrem rasanten Wachstum die Lokomotive der Weltwirtschaft war, ist nicht mehr in Form. Die chinesischen Börsen haben das vergangene Jahr mit großen Verlusten abgeschlossen. An den Weltbörsen dagegen gab es große Gewinne. Es scheint, dass China für die Anleger nicht mehr so interessant ist wie früher. Und es gibt auch die Tendenz, dass ausländisches Kapital abwandert. Das Märchen China ist vorbei."
Die taiwanesische Zeitung LIANHE BAO aus Taipeh sieht die Wirtschaft Chinas mit vielen Problemen konfrontiert: "Der schlappe Konsum, der rückläufige Export, die Immobilienblase und die relativ hohe Arbeitslosigkeitsrate sind Realität. Optimistische Prognosen erscheinen schwierig zu sein. Um dagegenzusteuern, versucht die chinesische Regierung, Anreize zu schaffen für einen wachsenden Konsum der Verbraucher, Privatunternehmen zu fördern und attraktive Konditionen für ausländisches Kapital zu bieten. Ob diese ehrgeizigen Maßnahmen erfolgreich sein werden, ist sehr fraglich."
Abschließend noch ein Kommentar aus der japanischen Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN. In Japan sorgte ein Telegramm des nordkoreanischen Machthabers Kim Jong-un an Ministerpräsident Kishida für Aufsehen. Kim brachte darin sein Beileid über die Opfer der jüngsten Erdbebenkatastrophe in Japan zum Ausdruck: "Mit diesem Telegramm wollte Kim Jong-un wohl der internationalen Gemeinschaft zeigen, dass Nordkorea ein ganz 'normaler Staat' sei. Kurz vor seinem diplomatischen Kurswechsel 2018, als Kim Gespräche mit Washington oder Seoul suchte, fing er an, den Begriff 'Staat' immer häufiger zu verwenden, statt 'Partei'.Nach den Präsidentschaftswahlen in den USA will Kim vermutlich diplomatische Verhandlungen mit Washington starten, indem er in den Vordergrund stellt, dass Nordkorea eben dieser ganz 'normale Staat' sei." Mit diesem Kommentar der Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio endet die internationale Presseschau.