16. Januar 2024
Die internationale Presseschau

Kommentiert werden erneut der Wahlausgang in Taiwan sowie die Vorwahlen zur Präsidentschaftskandidatur im US-Bundesstaat Iowa. Zunächst geht es aber um die gestern zu Ende gegangene Protestwoche der deutschen Landwirte.

Zahlreiche Traktoren, Lastwagen und Autos stehen am Morgen auf der Straße des 17. Juni.
Bauernproteste - Großkundgebung in Berlin (Monika Skolimowska / dpa / Monika Skolimowska)
Dazu ist in der österreichischen Zeitung DER STANDARD zu lesen: "Man muss Christian Lindner eines lassen: Gedrückt hat sich der deutsche Finanzminister und FDP-Chef nicht. Am Montag stellte er sich in der deutschen Hauptstadt als einziges Regierungsmitglied direkt der Wut der Bauern und nahm dabei zahlreiche Schmähungen in Kauf. Die Stimmung war nicht nur ob der Minusgrade eisig. Lindner schlug regelrechter Hass entgegen. Was sich da vor dem Brandenburger Tor in Berlin abspielte, war weit mehr als eine Meinungsverschiedenheit zwischen dem Finanzminister und den Bauern. Denn es brodelt nicht nur auf den deutschen Bauernhöfen. Viele Deutsche stehen hinter den Protesten der Landwirte, die Unzufriedenheit mit der Ampelregierung quer durch Berufsgruppen und Bevölkerungsschichten ist enorm", beobachtet DER STANDARD aus Wien.
"Die Bauern haben Recht", titelt die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG und führt aus: "Die deutsche Regierung, aber auch die in der Agrarpolitik dominierende EU täten gut daran, das Thema nach der Protestwoche nicht einfach abzuhaken. Nicht die Beibehaltung der Agrardieselrückvergütung tut not, sondern Reformen. Bundesfinanzminister Lindner hat auf der gestrigen Abschlusskundgebung einen Bürokratieabbau versprochen, nun müssen Taten folgen. Maßvolle Subventionen für öffentliche Leistungen der Landwirte wie beispielsweise Landschaftspflege lassen sich rechtfertigen. Aber sie müssen zielgerichteter werden. Die Bauern und ihre Lobbys sollten sich aktiv an dieser Debatte beteiligen. Die bloße Verteidigung des Status quo ist keine Option", meint die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG aus der Schweiz.
Die tschechische Zeitung LIDOVÉ NOVINY notiert: "Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so scheint – die unterschiedlichen Proteste, die Deutschland seit dem Herbst bewegen, haben alle einen gewissen gemeinsamen Nenner. Sie sind der Spiegel einer Zeit, in der es im Land keine wirkungsvolle Opposition mehr gibt und deren Rolle von der AfD übernommen wird. Warum Alternative? Weil Bundeskanzlerin Merkel in 16 Regierungsjahren den Unterschied zwischen Regierung und Opposition aufgelöst hat. Wer gegen den Zustrom von Migranten, den Ausstieg aus der Atomenergie oder die grüne Transformation war, hatte keine andere Wahl als die AfD. Auch wenn er damit Radikale mit unguten Neigungen wählt." So weit LIDOVÉ NOVINY aus Prag.
Nun in die USA. Bei der ersten Vorwahl zur Präsidentschaftskandidatur der Republikanischen Partei im Bundesstaat Iowa hat der frühere Amtsinhaber Trump erwartungsgemäß gewonnen. Nach Auszählung fast aller Stimmen kommt er auf etwa 51 Prozent. Die polnische Zeitung RZECZPOSPOLITA erläutert: "Der Sieg von Donald Trump in Iowa ist keine Überraschung und wurde schon 31 Minuten nach Beginn der Abstimmung bekannt gegeben. Trotz seiner juristischen Probleme und der Anklagen, mit denen er vor Gericht konfrontiert wird, liegt der ehemalige US-Präsident seit Monaten in Umfragen an der Spitze und lässt seine Rivalen weit hinter sich: Nikki Haley, ehemalige Gouverneurin von South Carolina und ehemalige US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, sowie Ron DeSantis, Gouverneur von Florida. Der Sieg in Iowa verschafft Trump eine starke Position für die nächste Abstimmung, die am 23. Januar in New Hampshire stattfinden wird", hält die RZECZPOSPOLITA aus Warschau fest.
Die aserbaidschanische Zeitung MÜSAVAT aus der Hauptstadt Baku ist folgender Meinung: "Trump erhöht den Druck auf Biden weiter. Den amtierenden Präsidenten hat er zum 'Feind der Vereinigten Staaten und der ganzen Welt' erklärt. Trump ist davon überzeugt, dass Biden die Menschen in einen Dritten Weltkrieg stürzen kann. Deswegen müsse dieser von der Macht entfernt werden. Die von Trump vorgebrachte Behauptung über einen globalen Atomkrieg gehört zu den Themen, die den Präsidentschaftswahlkampf in den USA entscheidend beeinflussen werden."
In der norwegischen Zeitung DAGBLADET heißt es: "Es fühlt sich so an, als laufe der Wahlkampf in den USA bereits seit Monaten, aber tatsächlich war der Beginn erst gestern, als die Bewohner von Iowa über den Kandidaten der Republikaner abstimmten. Die Wähler in dem kleinen konservativen Bundesstaat sind traditionell die Ersten bei den Vorwahlen bei beiden Parteien, und oft haben sie das übrige Land schockiert, indem sie allen Meinungsumfragen trotzten. Aber nicht so dieses Mal. Es scheint, als habe Trump so loyale Anhänger, dass diese angesichts der eisigen Temperaturen sogar ihr Leben riskieren. Ganz offensichtlich sind seine Fans auch besonders enthusiastisch. Haley oder DeSantis lösen dagegen keine sonderliche Begeisterung aus, sondern motivieren vor allem Wähler, die verzweifelt auf der Suche nach einer Alternative zu Trump sind. Aber das sind eben längst nicht genug", stellt das DAGBLADET aus Oslo fest.
Die NEW YORK TIMES aus den USA sieht es so: "Die Wähler mögen den Plänen des ehemaligen Präsidenten zustimmen, die Steuern weiter zu senken, Abtreibungen einzuschränken und die Einwanderung streng zu begrenzen. Aber Trump für vier weitere Jahre ins Weiße Haus zu wählen, ist eine einzigartige Gefahr. Seine Missachtung der Verfassung sowie seine Bereitschaft, Menschen, Systeme und Prozesse zu seinem Vorteil zu korrumpieren, gefährden den Wohlstand und die Sicherheit der Nation."
Themenwechsel. Zu Taiwan merkt die schwedische Zeitung DAGENS NYHETER aus Stockholm an: "2023 war ein weiteres Jahr, in dem die Demokratie in der Welt einen Rückschlag hinnehmen musste. Dass die PiS-Partei die Wahlen in Polen verlor, war die erste erfreuliche Nachricht für die Demokratie seit Langem. Aber nun hat sich auch Taiwan diesem positiven Trend angeschlossen. Die Wähler in dem Inselstaat halten nämlich trotz expliziter und konkreter Drohungen aus China an ihrer liberalen Demokratie fest und wollen sich nicht beugen."
Die chinesische Zeitung MING PAO aus Hongkong wirft ein: "Das Streben Taiwans nach Unabhängigkeit scheinen weder Peking noch Washington langfristig eindämmen zu können. Wahlsieger Lai sollte sich aber nun darum bemühen, weder China allzu sehr zu reizen, noch die USA in einen weiteren Konflikt hineinzuziehen. Vielmehr sollte er auf die regionale Sicherheit und eine stabile Weltwirtschaft bedacht sein. Sollte es nämlich zu einer kriegerischen Auseinandersetzung der beiden Weltmächte China und USA kommen, wäre Taiwan der größte Verlierer einer solchen Eskalation."
Die portugiesische Zeitung CORREIO DA MANHA aus Lissabon wirft ein: "Der erneute Wahlsieg der Demokratischen Fortschrittspartei in Taiwan stellt eine eindeutige Niederlage für die Volksrepublik China dar, die unter Androhung von Gewalt und wirtschaftlicher Erpressung auf einer Wiedervereinigung des Territoriums im Wege der Annexion besteht. Taiwan zeigt China, dass es nicht notwendig ist, totalitär zu sein, um politische Stabilität zu gewährleisten und eine Weltmacht zu sein - beispielsweise bei der Herstellung von Halbleitern."
Die Zeitung ZIYOU SHIBAO aus Taiwan analysiert: "Wählen ist ein einfacher, aber wunderbarer politischer Akt: Die Bürger geben ihre Stimme ab, um die öffentlichen Amtsträger zu bestimmen, die ihnen dienen sollen. Das taiwanische Volk sandte mit der Wahl eine eindeutige Botschaft an die Welt. Nämlich die, dass man Taiwan und nicht dem chinesischen Machthaber Xi vertrauen soll. Freie und faire Wahlen sind in Taiwan inzwischen etwas ganz Normales, aber dies war nicht immer eine Selbstverständlichkeit, sondern musste hart erkämpft werden. Das Regime in Peking hat versucht, mittels Desinformation, gekauften Prominenten sowie wirtschaftlicher und militärischer Einschüchterung die Wahl zu beeinflussen, aber am Ende ist es damit gescheitert. Dem taiwanischen Volk gebührt höchste Anerkennung dafür, dass es sich von dieser massiven Einmischung von außen nicht hat beeindrucken lassen." Das war zum Ende der internationalen Presseschau ZIYOU SHIBAO aus Taipeh.