25. Januar 2024
Die internationale Presseschau

Weltweit blicken die Zeitungen auf den Sieg Donald Trumps bei der zweiten Vorwahl in den USA. Auch die Frage, was eine erneute Präsidentschaft Trumps für die NATO bedeuten würde, wird erörtert.

Ex-Präsident Donald Trump klatscht bei einer Wahlkampfveranstaltung in die Hände.
Donald Trump hofft auf eine Wiederwahl. (picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Charles Krupa)
"Trumps Stärke trotz seiner vielen Skandale ist Folge einer eindeutig systemfeindlichen Strömung", meint der Kommentator der spanischen Zeitung EL MUNDO. "Der Magnat ist nicht mehr der Überraschungskandidat, der 2016 Hillary Clinton besiegte. Jetzt will er als Ex-Präsident und Wortführer der populistischen Welle zur Wahl antreten, die die Grundlagen der liberalen Demokratie auf beiden Seiten des Atlantiks untergräbt. Trumps Rückkehr ins Weiße Haus wäre ein Schlag für den Multilateralismus zu einer Zeit, in der die NATO nach dem Scheitern der ukrainischen Gegenoffensive dem Risiko eines möglichen russischen Angriffs in Mitteleuropa ausgesetzt ist. Trumps mögliche Wiederwahl könnte mit dem Ende der Militärhilfe zusammenfallen, was Alarm in Polen und dem Baltikum auslösen würde und Auswirkungen auf den gesamten Kontinent hätte", gibt die Zeitung EL MUNDO aus Madrid zu bedenken.
"Noch nie zuvor wurde einem Kandidaten der Republikaner, der die Vorwahlen in Iowa und New Hampshire gewann, die Nominierung für das Weiße Haus verweigert", bemerkt die Zeitung RZECZPOSPOLITA aus Polen. "Dieses Jahr könnte es anders sein. Indem sie weiter kämpft, macht Haley den republikanischen Wählern viele Wahrheiten bewusst, die für den Milliardär unangenehm sind: Die ehemalige Diplomatin verweist darauf, dass sie bei gemäßigten Wählern ein besseres Ergebnis erzielt als ihr Konkurrent. Ohne diesen Teil der Wählerschaft könnten die Republikaner die Rückeroberung des Weißen Hauses vergessen, argumentiert sie. Außerdem ist es ihr Plan, mindestens so lange an den Vorwahlen teilzunehmen, bis die ersten Entscheidungen in den 91 Strafanzeigen gegen den Milliardär fallen. Haley hofft, dass ein erheblicher Teil der amerikanischen Wähler ihre Präferenzen ändern wird, wenn sie ihren Kandidaten hinter Gittern sehen. Aber die Gesellschaft ist bereits zu polarisiert. Sie konzentrieren sich auf Schwarz oder Weiß: Joe Biden oder Donald Trump", lesen wir in der Zeitung RZECZPOSPOLITA aus Warschau.
"In Zeiten der Polarisierung wird die Demokratie schnell zu einem Zweikampf degradiert, bei dem es nur Schwarz oder Weiß gibt", lesen wir auch in der niederländischen Zeitung DE VOLKSKRANT aus Amsterdam. "Das gilt besonders für das Zweiparteiensystem der USA. Nikki Haley hat noch einige Wochen Zeit um zu zeigen, dass es auch Grautöne gibt, und um zu erklären, warum Trump auch in ihren konservativen Augen nicht ideal für das Land und die Welt ist. Anders als Trump sieht sie Amerika nach wie vor in einer wichtigen Rolle auf der Weltbühne und hält die Unterstützung für die Ukraine für unerlässlich."
"Natürlich musste Haley eine positive Bilanz ziehen", schreibt die NEW YORK TIMES aus den USA. "'Was für eine großartige Nacht', behauptete sie, als Trump sie in einem Bundesstaat mit einer der gemäßigtsten, unabhängigsten republikanischen Parteien des Landes um etwa 11 Prozentpunkte schlug. Haley gab sich optimistisch - aber die Mitglieder der republikanischen Elite, die sie unterstützt hatten, hielten sich an den Rettungswesten fest und bereiteten sich darauf vor, ihr sinkendes Schiff zu verlassen."
"Der Wahlausgang in New Hampshire wirft zwei Fragen auf", heißt es im Kommentar in der tschechischen Zeitung Právo. "Erstens, ob Haley dort mit 43 Prozent die Obergrenze für eine Anti-Trump-Kandidatin erreicht hat. Um diesen Wert zu übertreffen, müsste sie anfangen, Trumps Anhänger abzuwerben, und es ist nicht ganz klar, wie sie diese überzeugen könnte. Dies wirft die zweite Frage auf: Wird Haley ihre Kampagne beenden, falls dies nicht gelingt?"
"Für Nikki Haley dürfte der Traum ausgeträumt sein", zeigt sich der Kommentator in der chinesischen Zeitung XINJING BAO überzeugt. "Sie kann noch so entschlossen sein - die Republikaner sind längst eine andere Partei geworden. Die Anhänger versammeln sich treu und geschlossen um den Ex-Präsidenten, seine Idee 'Make America great again' ist die neue Identität der Partei geworden. Das Duell Trump gegen Biden wird sich wohl wiederholen."
Die mexikanische Zeitung LA CRONICA DE HOY glaubt hingegen, Trump habe wenig Grund zum Jubeln. "Und das hat seine Gründe: Nikki Haley als einzige verbleibende Rivalin hat nicht seinem Wunsch entsprochen, sich aus dem Rennen zurückzuziehen. In der Logik des messianischen Anführers der fremdenfeindlichen neuen Rechten in den USA ist der eigene Wunsch Befehl. Ron DeSantis hat sich dem gebeugt, nicht aber - ausgerechnet - eine Frau."
Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG analysiert: "Laut dem politischen Lehrbuch würde sich ein Kandidat nach gesicherter Unterstützung der Partei gegen die Mitte des politischen Spektrums öffnen, um auch unabhängige Wähler für sich zu gewinnen. Das ist für Trump kaum vorstellbar. Seinen Charakter wird er im weiteren Wahlkampf weder ändern noch in den Hintergrund rücken. Was er sagt, spielt ohnehin eine Nebenrolle bei einem Mann, der Lügen und Täuschung zu seinem Markenzeichen gemacht hat."
Die FINANCIAL TIMES aus London geht davon aus, dass US-Verbündete wie Europa, Japan, Südkorea und Australien besorgt sein sollten. "Trump hat davon gesprochen, das militärische Engagement der USA in Übersee zu reduzieren, die Unterstützung für die Ukraine zu beenden und die Verpflichtungen der USA gegenüber der NATO und der europäischen Verteidigung zu kürzen. Alle NATO-Mitglieder sollten sich bemühen, die Verteidigungsausgaben über das vereinbarte Ziel von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts hinaus zu erhöhen. Sie müssen nicht nur über die kurzfristige Finanzierung der Ukraine nachdenken, sondern auch darüber, wie sie die europäischen Verteidigungsausgaben ohne Unterstützung der USA bewältigen können."
Der deutsche Verteidigungsminister Pistorius warnt vor einem absehbaren Angriff Russlands auf ein NATO-Land. Die Mahnung zur zügigen europäischen Aufrüstung sei richtig, komme aber spät, kommentiert das WALL STREET JOURNAL aus New York. "Vorbei ist die angenehme Fiktion, dass die Geschichte mit dem Kalten Krieg endete - dass ein Land wie Deutschland 'umgeben von Freunden' sei, wie es ein Vorgänger von Pistorius ausdrückte. Europa verlässt sich immer noch darauf, dass die USA mit ihren ökonomischen Ressourcen und militärischer Kraft die eigenen dürftigen Entscheidungen vertuschen. Aber wir bedauern, unseren Freunden mitteilen zu müssen, dass sie nach derzeitigem Kenntnisstand vielleicht nicht mit Washington rechnen können." Sie hörten einen Kommentar im WALL STREET JOURNAL aus den USA.
Zum NATO-Beitritt Schwedens schreibt die Stockholmer Zeitung DAGENS INDUSTRI: "Schweden hat seine Haltung immer Bezeichnungen wie 'moralische Großmacht' eingebracht. Aber nun ist Schluss mit der Sonderrolle. Wir sind jetzt wie alle anderen. Der Norden muss umdenken. In einer sich wandelnden Allianz haben wir die Chance, die Initiative zu ergreifen. Mit unserer Geografie, unserer großen Luftwaffe und der stärksten U-Boot-Flotte in der Ostsee können wir eine zentrale Rolle spielen", lautet die Auffassung in der schwedischen Zeitung DAGENS INDUSTRI.
"Für den russischen Präsidenten Putin ist die schwedische und finnische NATO-Mitgliedschaft eine Niederlage", so die Meinung in der Zeitung AFTENPOSTEN aus Oslo. "Er wollte den westlichen Zusammenhalt schwächen, stattdessen hat er ihn gestärkt. Aber Schweden und Finnland treten dem Bündnis bei, um mehr Sicherheit zu erhalten, und nicht, um Russland zu bedrohen. Bislang bestand die Strategie gegenüber Russland in einer ausgewogenen Mischung zwischen Abschreckung und Besänftigung. Nun müssen wir herausfinden, wie das in einer neuen Wirklichkeit mit einer größeren NATO und einem unberechenbaren Nachbarn im Osten genau aussehen soll."