Samstag, 04. Mai 2024

29. Januar 2024
Die internationale Presseschau

Heute mit Kommentaren zur politischen Lage in Venezuela und zu den Vorwürfen gegen das UNO-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge. Doch zunächst nach Frankreich. Dort wollen Bauern aus Protest gegen die Agrarpolitik der Regierung Autobahnen rund um Paris blockieren. Dazu schreibt die französische Zeitung LIBERATION:

29.01.2024
Eine lange Reihe von Treckern steht auf einer Straße in Paris. Davor stehen einige Bauern.
Bauernprotest in Frankreich (Christophe Ena / AP / dpa / Christophe Ena)
"Premierminister Attal ist gerade mal zwanzig Tage im Amt und muss sich bereits bewähren - und mit ihm die gesamte Regierung. Attal wird die Verstärkung der Minister für Wirtschaft, Landwirtschaft und vor allem des Innenressorts brauchen, um zu verhindern, dass die Wutbewegung der Landwirte die Zufahrtswege nach Paris in Schlachtfelder verwandelt. Als Reaktion auf die anhaltenden Bauernproteste hatte Attal bereits Maßnahmen versprochen. Innenminister Darmanin, der zuletzt noch auf die Proteste der Landwirte Rücksicht nahm, weiß, dass die kommenden Tage mit einem hohen Risiko verbunden sind. Bereits gestern Abend positionierten sich Ordnungskräfte rund um Europas größten Markt für Agrarprodukte südlich von Paris. Es wurden sogar leichte Panzerfahrzeuge gesichtet. Von den Liebesbeweisen, die Premier Attal am Freitag noch zwischen zwei Heuballen den Bauern brachte, sind wir weit entfernt", meint LIBERATION aus Paris.
Die französische Zeitung OUEST FRANCE mahnt eine europäische Lösung an, hält die EU-Agrarpolitik aber im Grundsatz für richtig. "Die Europäische Union verteilt jährlich Milliarden an die Betriebe und die Bilanz ist über sechzig Jahre hinweg positiv. Niemand kann dem alten Kontinent vorwerfen, dass er nicht das Beste für das Klima tun will. Die Verbraucher wollen aber nicht den Preis dafür zahlen, wie man an der jüngsten Inflation gesehen hat. Die Schlussfolgerung ist, dass es einen dritten Weg geben muss - zwischen Freihandel und Rückkehr zur abgeschotteten Landwirtschaft. Dieser dritte Weg ist der Weg der Gegenseitigkeit und der Entschlossenheit. Europa darf kein Pflanzenfresser in einer Welt voller Fleischfresser sein", mahnt OUEST FRANCE aus der bretonischen Stadt Rennes.
Die italienische Zeitung LA REPUBBLICA zeigt Verständnis für die Bauernproteste in Europa: "Es gibt eine ganze Reihe von Gründen für die Demonstrationen: Obstbauern zum Beispiel erhalten für ihre Äpfel manchmal nicht kostendeckende Verkaufspreise, es gibt einen scharfen Wettbewerb mit Produzenten in anderen Staaten. Und auch die Europäische Union mit ihrem 'Green Deal' für mehr Umwelt und Klimaschutz spielt eine Rolle. So müssen italienische Landwirte innerhalb von sechs Jahren ein Viertel der Anbauflächen auf ökologischen Landbau umstellen und sollen den Einsatz von Pestiziden drastisch reduzieren. Das sind die gleichen Gründe, warum Landwirte in Deutschland, Frankreich, Spanien, den Niederlanden und Polen protestieren", fasst LA REPUBBLICA aus Rom zusammen.
Nun nach Nahost. Zwölf Mitarbeiter des UNO-Hilswerks für palästinensische Flüchtlinge stehen im Verdacht, in den Terroranschlag der Hamas auf Israel im Oktober verwickelt gewesen zu sein. Zahlreiche Länder stellten ihre Zahlungen an das Hilfswerk daraufhin ein. Dazu schreibt die israelische Zeitung JERUSALEM POST: "Das vorübergehende Einfrieren der Gelder ist keine Lösung, auch wenn es dazu dient, die Wut darüber zu besänftigen, dass die von der UNO finanzierten Schulbücher Antisemitismus und Aufwiegelung gegen Juden enthalten. Das UNO-Hilfswerk muss nun seinen Kurs ändern. Die Palästinenser brauchen Hilfe und Anerkennung, jetzt mehr denn je. Es ist Zeit für eine Neuausrichtung", findet die JERUSALEM POST.
Nach Ansicht der tschechischen Zeitung MLADA FRONTA DNES verfolgt das UNO-Hilfswerk auch eine politische Agenda: "Kein Palästinenser im Gazastreifen, im Westjordanland oder anderswo lernt heute etwas über den Holocaust. Stattdessen wird ihnen in UNRWA-Schulen mit EU-und US-Geldern beigebracht, Juden und Israel zu hassen."
Die palästinensische Zeitung AL AYYAM hält den Zahlungsstopp einiger Geberländer für fragwürdig: "Denn worin besteht die Schuld der mehr als zwei Millionen Palästinenser, weil angeblich einige Mitarbeiter des Hilfswerks an dem Anschlag vom siebten Oktober beteiligt waren? Hunderttausende Menschen leiden unter Vertreibung infolge von Angriffen. Sie leiden an Nahrungs- und Medikamentenmangel, an Kälte und daran, dass sie nicht einmal in Unterkünften der UNRWA sicher sind, daran, dass sie jederzeit mit Bombenangriffen rechnen müssen. Wenn der Westen nun die Hilfe für diese Menschen einstellt, zeigt das, dass er alle moralischen Grenzen überschritten hat", urteilt AL AYYAM aus Ramallah.
Die chinesische Zeitung HUANQIU SHIBAO warnt davor, Untersuchungsergebnisse politisch zu instrumentalisieren: "Zumal die Arbeit des UNO-Hilfswerks im Nahen Osten nicht durch andere Organisationen ersetzt werden kann und deshalb auch nicht unterbrochen werden darf. Eine 'kollektive Strafe' für die Bevölkerung in Gaza ist keine Option", stellt HUANQIU SHIBAO aus Peking klar.
Ähnlich argumentiert eine Gastkommentatorin der japanischen Zeitung ASAHI SHIMBUN aus Tokio: "Für die Bevölkerung im Gaza-Streifen ist das UNO-Hilfswerk überlebenswichtig. Die Zahlungen an UNRWA auszusetzen, sollte aus humanitären Gründen nicht erlaubt sein. Das ist eine erneute Kollektivstrafe gegen die Palästinenser."
Der österreichische STANDARD konstatiert: "Da es mittlerweile um das nackte Überleben der Menschen im Gazastreifen geht, wird dennoch weiter Geld fließen und die Strukturen der UNRWA werden für die Hilfe genutzt werden müssen. Aber die unheilvolle Rolle der Hilfsorganisation wird aufzuarbeiten sein – wie so vieles andere auch in diesem Endloskonflikt", kommentiert DER STANDARD aus Wien.
Nun nach Venezuela. Die Oppositionspolitikerin María Corina Machado ist von der Präsidentschaftswahl ausgeschlossen worden. Die spanische Zeitung EL PAIS hält fest: "Der Oberste Gerichtshof – in Wahrheit ein verlängerter Arm des Regimes – hat die Entscheidung bestätigt. Begründet wurde dies mit Korruptionsvorwürfen, mit denen das Regime oft gegen seine Gegner vorgeht. Die Entscheidung ist insofern keine große Überraschung, aber sie verschärft die Spannungen in dem Land. Die konservative Politikerin hatte es geschafft, die stark zersplitterte Opposition hinter sich zu einen", beobachtet EL PAIS aus Madrid.
Die mexikanische Zeitung LA RAZON erinnert: "Vor Machado wurde bereits der Oppositionspolitiker Henrique Capriles für 15 Jahre von allen politischen Ämtern ausgeschlossen. Paradoxerweise dürfen dagegen andere Politiker antreten, die eigentlich auch ausgeschlossen wurden, aber keine realen Aussichten auf einen Sieg haben. Das Regime kam ursprünglich durch demokratische Wahlen an die Macht aber heute ist Venezuela eine Diktatur." Das war LA RAZON aus Mexiko-Stadt.
Die venezolanische Zeitung EL NACIONAL spricht von Manipulationen: "Präsident Maduro hält sich mit solchen Taktiken an der Macht, wirkt aber zunehmend verzweifelt. Die von ihm verbreiteten Verschwörungsmythen, die Beeinflussung der Medien und die Unterdrückung der Opposition werden heute eher als Zeichen der Angst vor einem Machtverlust gedeutet. Internationale Akteure wie die USA und die EU werden ihre Standpunkte jetzt neu bewerten müssen.Venezuela steht vor einem historischen Moment seiner Geschichte, denn es muss nicht nur seine künftige Führung wählen, sondern auch über seine Identität entscheiden – und dazu gehört, dass die Bevölkerung die Wiederherstellung der Demokratie wünscht", betont EL NACIONAL aus Caracas.
Zum Schluss hören Sie einen Kommentar zu dem Anschlag auf eine katholische Kirche in Istanbul mit einem Toten, zu dem sich die IS-Terrormiliz bekannte. Die türkische Zeitung AKSAM überlegt: "Es könnte sein, dass die Terroristen die Türkei destabilisieren wollen. Die Sicherheitskräfte müssen entschlossen handeln. Bereits 2015 hatte der IS vergebens versucht, die Türkei mit Bombenanschlägen aus dem Gleichgewicht zu bringen, genauso wie Al-Kaida 2003 mit Anschlägen auf Synagogen. Offenbar wiederholen sich die Ereignisse. Um weitere Anschläge zu verhindern, muss alles umfassend untersucht werden." Das war AKSAM aus Istanbul. Damit endet die Internationale Presseschau.