06. März 2024
Die internationale Presseschau

Kommentiert werden der Volkskongress in China sowie Pläne der EU zum Ausbau der Rüstungsindustrie. Zunächst aber Stimmen zu den US-Vorwahlen, bei denen US-Präsident Biden und sein Vorgänger Trump ihre Siegeszüge fortgesetzt haben.

Ex-US-Präsident Donald Trump ballt auf einer Wahlkampfveranstaltung die Faust.
Donald Trump ist die erneute Nominierung als Präsidentschaftskandidat der Republikaner kaum noch zu nehmen. Viele Zeitungen blicken bereits auf den kommenden Wahlkampf gegen US-Präsident Biden. (picture alliance / AP / Chris Carlson)
"Nach dem Super Tuesday ist eine Wiederauflage Biden gegen Trump, die kaum jemand wollte, so gut wie sicher", meint USA TODAY und analysiert: "Für immer mehr Wähler der Mitte scheint eine zweite Präsidentschaft Trumps den Schrecken zu verlieren. Dabei hat er seine Rhetorik keineswegs gemäßigt. Trump sei eben Trump, sagen jetzt manche. Selbst die zahlreichen Anklagen gegen ihn kosten Trump nicht die Nominierung als Kandidat seiner Partei. Stattdessen ist seine Stammwählerschaft sogar gestärkt. Hinzu kommt: Die Republikaner werten jedes Stolpern des inzwischen 81-jährigen Biden als Beweis dafür, dass er geistig und körperlich nicht mehr in der Lage ist, das Amt des Präsidenten auszufüllen."
"Noch nie war ein Präsident acht Monate vor den Wahlen so unbeliebt wie Biden", schreibt die norwegische Tageszeitung VERDENS GANG. "Das liegt nicht nur an seinem hohen Alter, sondern auch an der Migrationkrise an der Südgrenze der USA. Außerdem ist eine große Mehrheit der Wähler der Ansicht, dass es ihnen wirtschaftlich schlechter geht als vor vier Jahren. Wie alle anderen haben auch die Amerikaner eine Zeit mit hoher Inflation hinter sich, für die viele Biden verantwortlich machen. Dass die USA besser als andere westliche Länder dastehen, die Arbeitslosigkeit niedrig, und das Wachstum solide ist – das alles bringt ihm keine Pluspunkte. Dieser weit verbreitete Pessimismus spricht gegen eine Wiederwahl Bidens", konstatiert VERDENS GANG aus Oslo.
"Der Vorwahlkampf in den USA repräsentiert nicht die Stimmung unter den Wählern insgesamt", findet hingegen O GLOBO aus Rio de Janeiro. "Das Rennen um die Präsidentschaft ist noch offen. Biden hat noch acht Monate Zeit, um die Wähler von den Leistungen seiner Regierung zu überzeugen und an das Chaos während der Amtszeit von Trump zu erinnern. Letztlich dürfte dann die aktuelle wirtschaftliche Lage den Ausschlag geben."
Die polnische Zeitung RZECZPOSPOLITA bewertet das Abschneiden von Trumps letzter parteiinterner Rivalin, Haley, am Super Tuesday und spricht von einem Fiasko. "Erfolgreich war sie nur in Vermont, einem kleinen demokratischen Bundesstaat, der 2016 für einen gemäßigten republikanischen Gouverneur gestimmt hatte. Eine der größten Fragen lautet, ob Haley ihren Wahlkampf nun fortsetzen wird. Und falls sie aufgibt, wird sie dann Donald Trump unterstützen? Haley war sehr erfolgreich darin, sowohl bei einfachen Wählern als auch bei wohlhabenden Spendern Geld einzusammeln. Sie könnte es sich also leisten, den Wahlkampf fortzusetzen", schreibt RZECZPOSPOLITA aus Warschau.
Der THE KOREA HERALD aus Seoul befasst sich mit den Folgen für die Internationale Ordnung, falls Trump erneut US-Präsident werden sollte. "Es ist nicht ausgeschlossen, dass Trump während einer zweiten Amtszeit die amerikanische Unterstützung für die Ukraine und für Taiwan beendet. Die Folgen für die betroffenen Nationen scheinen ihm dabei egal zu sein, solange er die USA in den Isolationismus führt. Trump selbst behauptete kürzlich, er könne einen drohenden Dritten Weltkrieg stoppen. Aber wären Amerika und die Welt mit ihm sicher?", fragt die südkoreanische Zeitung KOREA HERALD.
"Wenn Sie sich Sorgen über eine aufkommende Autokratie in Amerika machen wollen, dann sollten Sie das tun!", schreibt die WASHINGTON POST und schränkt zugleich ein: "Es ist kaum möglich, Trumps Verhalten vorherzusagen, aber im Grunde war er schon immer eher ein feiger Entertainer als ein intriganter Monarchist. Allerdings wird er alles dafür tun, um sich selbst zu retten. Würde er seine Kontrolle über das Justizministerium nutzen, um die Strafverfolgung gegen ihn zu unterbinden? Auf jeden Fall!"
Themenwechsel. In China tagt der Nationale Volkskongress. Trotz der angespannten wirtschaftlichen Lage hat sich das Land für dieses Jahr ein Wachstumsziel von rund fünf Prozent gesetzt. Die staatliche chinesische Zeitung XINJINGBAO nennt dieses Ziel "ambitioniert". "Das hängt mit der geringen Nachfrage und den anhaltenden geopolitischen Unwägbarkeiten zusammen. Um das angestrebte Wachstumsziel zu erreichen, muss sich Chinas Wirtschaft grundlegend modernisieren. Daher müssen nun alle Behörden auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene an einem Strang ziehen, was bislang nicht immer der Fall gewesen ist."
Die dänische Zeitung POLITIKEN fühlt sich angesichts der Reden auf dem Volkskongress in Peking an George Orwells Roman "1984" erinnert. "Es ist unmöglich, die politischen Ereignisse dieser Woche in China zu verfolgen, ohne dass einem der Begriff 'Doppeldenk' einfällt. Ministerpräsident Li Qiang sprach in seiner Rede von der Notwendigkeit einer Öffnung Chinas, hatte aber kurz davor seine einzige jährliche Pressekonferenz mit ausländischen Journalisten abgesagt. Weiter erzählte er, China wolle verstärkt ausländische Investoren gewinnen, obwohl es im vergangenen Jahr mehrere Polizeirazzien in US-Unternehmen gab. Mehr Berechenbarkeit in China? Fehlanzeige – stattdessen wurde deutlich, wie sehr der chinesische Staat im Kampf mit sich selbst gefangen ist", kommentiert POLITIKEN aus Kopenhagen.
Die Zeitung ZHONGGUO SHIBAO aus Taiwan befasst sich mit dem angespannten Verhältnis zu China und notiert: "Der Tätigkeitsbericht der chinesischen Regierung enthielt keine unliebsamen Überraschungen. Man kann daraus sogar schließen, dass sich die Beziehungen zwischen China und Taiwan ein wenig entspannen könnten. Um die chinesische Wirtschaft ist es derzeit nicht gut bestellt. Pekings Prioritäten scheinen deshalb darin zu bestehen, die Binnenwirtschaft anzukurbeln und das Vertrauen ausländischer Unternehmen zu stärken. Dies wird nicht gehen ohne eine Verbesserung der Beziehungen zum Westen", hofft ZHONGGUO SHIBAO aus Taipeh.
Die japanische Zeitung YOMIURI SHIMBUN sieht hingegen keine Anzeichen für eine Entspannungspolitik Chinas. "Trotz der enormen Aufgaben in der Wirtschaftspolitik wurde das Budget fürs Militär um 7,2 Prozent aufgestockt. Das Vorhaben ist klar: Mit Streitkräften, die qualitativ mit denen der USA vergleichbar sind, wollen sie die Wiedervereinigung mit Taiwan erreichen. Das Ziel von Staatschef Xi Jinping, aufzurüsten, um den Status quo mit Gewalt zu ändern, kann aber keineswegs toleriert werden", fordert YOMIURI SHIMBUN aus Tokio.
Die EU-Kommission will in Zukunft deutlich mehr Waffen in Europa produzieren und sich damit unabhängiger von internationalen Rüstungsproduzenten machen. Ein richtiger Schritt, findet die Zeitung VECERNJI LIST aus Kroatien "Russlands Krieg in der Ukraine zeigt, dass Kriege nicht nur durch Ausrüstung, Ausbildung und Motivation der Armee gewonnen werden, sondern auch durch gute Logistik, Waffen- und Munitionsvorräte, aber eben auch durch die Rüstungsindustrie. Denn wenn die Vorräte verbraucht sind, kommt es zum Krieg zwischen der Rüstungsindustrie der verfeindeten Seiten. Das ist die Logik dieses Schrittes der EU: eine Investition in die Sicherheit, aber auch in Arbeitsplätze in Europa", erklärt VECERNJI LIST aus Zagreb.
Die türkische Zeitung KARAR blickt kritisch auf die Aufrüstungspläne der EU. Zugleich sieht sie Ermüdungserscheinungen bei den Verbündeten der Ukraine. "Auch wenn einige führende Politiker es nicht wahrhaben wollen, Europa hat diesen Krieg satt, inzwischen sind Risse in der EU und der Nato entstanden. Selbst Polen hat genug von der Ukraine. Das Land will weder die Flüchtlinge noch das Getreide, das es billig zu verkaufen versucht. Die Bauern in Frankreich, Spanien, ja in ganz Europa sind in Aufruhr. Sie wollen, dass das Geld, das für den Krieg bereitgestellt wurde, an sie ausgezahlt wird. Die extreme Rechte ist fast überall auf dem Vormarsch. Der russische Expansionismus kann auch durch Kompromisse und Eindämmung gestoppt werden", meint KARAR aus Istanbul zum Ende der Internationalen Presseschau.