Mittwoch, 08. Mai 2024

04. April 2024
Die internationale Presseschau

Viele Kommentare in der Auslandspresse stehen ganz im Zeichen der NATO-Gründung heute vor 75 Jahren, am 4. April 1949. Außerdem geht es um den israelischen Angriff auf einen Hilfskonvoi im Gazastreifen.

04.04.2024
Fahnen der NATO-Mitgliedsstaaten vor dem Brüsseler NATO-Hauptquartier neben einem Schild mit der Aufschrift NATO.
Die NATO-Gründung vor 75 Jahren ist eines der Themen in der internationalen Presseschau. (imago / photothek / Janine Schmitz)
Hören Sie zunächst die norwegische Zeitung DAGSAVISEN aus Oslo. "Die NATO wurde vor 75 Jahren als Allianz von 12 Staaten in Washington gegründet, als westliches Bündnis gegen den erstarkenden Feind im Osten. Lord Ismay, der erste Generalsekretär, benannte ein klares Ziel: 'Die Amerikaner drinnen, die Russen draußen und die Deutschen am Boden halten'. Die USA drinnen zu halten ist nach wie vor die größte Herausforderung, und 2024 ist die primäre Aufgabe der NATO wieder, die Russen draußen zu halten. Die Allianz ist in ihrem Jubiläumsjahr somit wieder am Start angekommen, der Kreis hat sich geschlossen", betont DAGSAVISEN aus Oslo.
"Putin hat die NATO gerettet. Donald Trump wird sie jetzt nicht mehr aufgeben können", titelt die polnische RZECZPOSPOLITA und schreibt: "75 Jahre nach der Unterzeichnung des Washingtoner Vertrags ist die NATO zu ihrer ursprünglichen Aufgabe zurückgekehrt: die Alliierten gegen Russland zu verteidigen. Ohne Putins russischen Imperialismus würde die NATO heute eine drittklassige Rolle spielen."
Für die Zeitung POSTIMEES aus Tallin steht fest: "Die NATO ist noch immer Estlands größter Sicherheitsgarant, auch wenn der Krieg in der Ukraine und die bevorstehenden Wahlen in den USA für Unruhe sorgen."
Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG blickt zurück in die Geschichte der NATO. "Die militärische Abschreckung, das heißt die bloße Androhung von Gewalt, funktionierte in dem Sinne, dass die Allianz nie in einen Krieg gegen die Sowjetunion ziehen musste. Als 1989 die Berliner Mauer fiel und danach der Ostblock implodierte, schien die NATO ausgedient zu haben. Nach drei Jahrzehnten der Sinnkrise – in denen die NATO bald auf dem Balkan intervenierte, bald Truppen nach Afghanistan und in den Irak entsandte, um sich im Kampf gegen den Terrorismus neu zu definieren – kam das Bündnis spätestens nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 wieder auf sein Kerngeschäft zurück: Abschreckung und klassische Landesverteidigung gegenüber einem potenziell unberechenbaren Rivalen im Osten." Sie hörten die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG.
"Die Geschichte schläft nicht", kommentiert DER STANDARD aus Österreich. "Schon gar nicht hat sie ein Ende, wie viele nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und dem Ende der harten Ost-West-Konfrontation 1991 geglaubt und gehofft hatten. Putins Krieg in der Ukraine hat den Europäern vor Augen geführt, dass sie – ob sie wollen oder nicht – selbst viel mehr für ihre Sicherheit sorgen müssen, als das bisher geschehen ist. Die europäischen NATO-Staaten sind alles andere als 'rüstig'. Es steht ihnen eine Neuordnung ihrer Armeen ins Haus, die über alles hinausgeht, was man sich bisher vorstellen konnte und wollte", prophezeit DER STANDARD aus Wien.
"In einem instabilen politischen Klima wird eine NATO, die auf Krieg vorbereitet ist, eher in der Lage sein, den Frieden zu sichern", vermutet die britische TIMES. "Doch derzeit wird die Verteidigung der westlichen Freiheit von erschöpften Soldaten an der ukrainischen Front geleistet, von denen viele nie mehr nach Hause zurückkehren werden. Im Vergleich dazu verblasst das Opfer, das NATO-Staaten, in denen Frieden herrscht, für diese Verteidigung bringen sollen."
Auch in Japan findet das NATO-Jubiläum Beachtung. Die Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN bemerkt: "In der NATO müssen alle Entscheidungen einstimmig fallen. In Brüssel haben die Außenminister des Bündnisses über die Gründung eines Hilfsfonds für die Ukraine diskutiert. Dabei zeigte sich Ungarn wieder einmal zurückhaltend. Generalsekretär Stoltenberg und seine Kollegen arbeiten hart daran, Budapest zu überzeugen. Ihre Verhandlungen könnten zu einem Prüfstein für die Zukunft des Bündnisses werden. Mit einem erfolgreichen Abschluss bis zum NATO-Gipfel im Juli könnte die NATO ihre Geschlossenheit gegenüber Russland demonstrieren", betont NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio.
Ein weiteres Thema ist erneut der Tod von sieben Mitarbeitern der Organisation World Central Kitchen bei einem israelischen Luftangriff im Gazastreifen. "Mitarbeiter von Hilfsorganisationen sind bereit, Risiken in Kauf zu nehmen, denn das gehört zu ihrer Arbeit", schreibt der ECONOMIST aus London. "Aber in Gaza scheinen diese Risiken zu hoch zu sein. In Teilen des Gebietes herrscht Anarchie, und die israelischen Befehlshaber haben bislang nur wenig Rücksicht auf den Schutz der Zivilbevölkerung genommen. Die Bemühungen, genug Nahrungsmittel nach Gaza zu bringen, erwiesen sich oft als planlos und tödlich." Das war der britische ECONOMIST.
Der IRISH INDEPENDENT aus Dublin fragt: "Wäre es denn zuviel erhofft, dass die weltweite Empörung über den Tod der sieben Helfer Israel zum Nachdenken bewegen kann?"
Die JERUSALEM POST bezeichnet den Angriff auf den Hilfskonvoi von World Central Kitchen als "schreckliche Tragödie". "Es war richtig, dass Generalstabschef Halevi um Entschuldigung bat, den Beschuss des Konvois als schwerwiegenden Fehler bezeichnete und eine rasche und transparente Untersuchung zusagte." Im weiteren Verlauf des Leitartikels kritisiert die JERUSALEM POST dann aber die Stellungnahme von US-Präsident Biden zu dem Vorfall. Zitat: "Nicht ein einziges Mal erkennt der Präsident die Verantwortung der Hamas für die gesamte Situation an. Hätte die Hamas Israel am 7. Oktober nicht angegriffen und hätte sie schon kurz danach die Geiseln freigelassen und aufgegeben, dann wäre all das nicht passiert. Israel wird diese Tragödie untersuchen und Lehren daraus ziehen, weil das richtig ist. Aber es braucht nicht dazu gedrängt zu werden", stellt die JERUSALEM POST klar.
Einer der Kolumnisten der WASHINGTON POST befasst sich näher mit der Rolle der USA. "Es ist an der Zeit, dass die Biden-Regierung echten Druck ausübt, und das beinhaltet auch die Drohung, Waffenlieferungen an Israel auszusetzen. Das Ziel muss sein, die israelische Regierung davon zu überzeugen, genau das zu tun, was der Internationale Gerichtshof gefordert hat - nämlich die ungehinderte Versorgung mit Nahrungsmitteln, Hygieneartikeln und medizinischer Hilfe zuzulassen. Dass die US-Regierung gerade erst die Lieferung tausender weiterer Bomben für die israelische Armee genehmigt hat, sendet genau das falsche Signal", unterstreicht die WASHINGTON POST.
Die arabischsprachige Zeitung AL QUDS aus London sieht den Angriff auf den Hilfskonvoi besonders kritisch. "Auch dieser Fall zeigt, dass die israelische Armee alles ins Visier nimmt: Menschen, Häuser, Schulen, Krankenhäuser, Transportmittel, Bauernhöfe und Fabriken. Israel setzt nicht nur auf Waffen von erheblicher Zerstörungskraft, sondern zögert auch nicht, für jeden Schritt alle nur denkbaren Entschuldigungen und Rechtfertigungen zu liefern."
XINJING BAO aus Peking wirft der israelischen Armee ganz grundsätzlich ein rücksichtsloses Vorgehen vor. "Wie lange will die US-Regierung, die Israel zu einem anderen Kurs bewegen könnte, dieser Entwicklung noch zusehen? Noch agieren der Iran als größter Feind Israels und Teherans Verbündete eher zurückhaltend. Amerika muss entschiedener eingreifen, damit der Krieg in Gaza sich nicht ausweitet und noch mehr Opfer fordert."
"Die Hamas muss ihre Geiseln freilassen", fordert POLITIKEN aus Kopenhagen, und fügt hinzu: "Israel muss sich aus dem Gazastreifen zurückziehen. Es muss anerkennen, dass die Palästinenser das gleiche Recht auf Unabhängigkeit haben wie die Israelis. Und es muss akzeptieren, dass den Palästinensern ein Staat neben Israel im Gazastreifen und im Westjordanland versprochen wird. Es sind bereits zu viele Menschen getötet worden." Das war zum Abschluss der internationalen Presseschau die dänische Zeitung POLITIKEN.