15. Juni 2024
Die internationale Presseschau

Mit Stimmen zum G7-Gipfel in Italien und der Ukraine-Konferenz in der Schweiz.

"Ukraine" in großen Buchstaben am Vierwaldstättersee vor der Friedenskonferenz für die Ukraine in der Schweiz
"Ukraine" in großen Buchstaben am Vierwaldstättersee vor der Friedenskonferenz für die Ukraine in der Schweiz (AFP / DIMITAR DILKOFF)
Dazu eine Sichtweise aus Russland vom KOMMERSANT: "Vor Beginn der sogenannten Friedens-Konferenz im schweizerischen Bürgenstock formulierte der Kreml erstmals Bedingungen für die Aufnahme von Verhandlungen. Die ablehnende Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Daran hatten nur wenige Menschen Zweifel. In diesem Zusammenhang zeichnet sich folgendes Szenario ab: Die russische Armee erzielt auf dem Schlachtfeld Erfolge mit weiteren Angriffen auf die kritische Infrastruktur der Ukraine. Der Winter wird kommen und mit ihm die Kriegsmüdigkeit. Die ukrainischen Bürger werden sich besinnen, ihre Regierung stürzen, und konstruktive Führer werden an die Macht kommen. Gleichzeitig werden im Westen Führungspositionen von pragmatischen und aus Sicht des Kremls richtigen Politikern besetzt, insbesondere von Donald Trump. Bis zum neuen Jahr wird dann alles vorbei sein" spekuliert der KOMMERSANT aus Moskau.
Zu den Einlassungen des russischen Präsidenten Putin schreibt das LUXEMBURGER WORT: "Der Forderungskatalog belegt: Mit dem Autokraten Putin ist derzeit kein Friedensdeal zu machen. Kiew wird solche Bedingungen, die die eigene Souveränität drastisch beschneiden, nicht akzeptieren. Schließlich geht es um einen Aggressor, der wiederholt gezeigt hat, dass er nach Lust und Laune den Nachbarn überfällt und dass ihm internationale Verträge herzlich egal sind. Die Konferenz (in der Schweiz) ist dennoch nicht komplett für die Katz‘. Zum einen wird sich endlich wieder mit Fokus auf Friedensvorbereitungen ausgetauscht. Verhandlungen um einen Friedensplan oder eine Marschroute dahin wird es in dem Format nicht geben, aber vielleicht ein engeres Abstimmen zwischen den wichtigsten EU-Akteuren sowie den NATO-Bündnispartnern bei ihrer Unterstützung der zuletzt militärisch stark bedrängten Ukraine", überlegt das LUXEMBURGER WORT.
Zur Ukraine-Konferenz schreibt die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG: "Nach einer verbreiteten Schweizer Vorstellung enden Kriege dann, wenn sich beherzte Vermittler ins Zeug legen, die Streithähne an einen Tisch bringen, unermüdlich an Kompromissen feilen und die Kriegsparteien schließlich zur Unterzeichnung einer Einigung bewegen. Die Regierung der Schweiz hat denn auch immer wieder durchblicken lassen, dass sie Russland gern mit am Tisch sähe, wenn nicht jetzt, so spätestens beim nächsten Mal. Diese Sichtweise zeugt von einer erschütternden Weltfremdheit und Geschichtsvergessenheit. Von zentraler Bedeutung ist, dass Putins Versuch eines Landraubs auf der ganzen Linie scheitert, dass das für unseren Staat so wichtige Prinzip der territorialen Unverletzlichkeit gestärkt wird und Europa frei von einer Bedrohung durch den Aggressor Russland leben kann", unterstreicht die NZZ aus der Schweiz.
Die österreichische Zeitung DIE PRESSE bemerkt: "Frieden kann man am Ende immer nur mit seinem Feind schließen. Doch der ist dieses Mal nicht dabei. Russland war nicht zum Gipfel eingeladen – und hätte wohl ohnehin keinen Vertreter entsandt. Bezeichnend ist, dass auch China fehlt. Peking positioniert sich im Ukraine-Konflikt nach außen hin neutral – mit einem eigenen Friedensplan. Zugleich ist China ein wichtiger Verbündeter Moskaus, vor allem im Bereich Wirtschaft. Es kauft russische Rohstoffe und liefert Technologie, die auch für die russische Rüstungsindustrie bedeutsam sind. Mit China im Boot könnten die USA und die EU-Staaten mehr Druck auf Russlands Präsidenten, Wladimir Putin, ausüben. Doch dabei macht Peking derzeit nicht mit", analysiert DIE PRESSE aus Wien.
Die Zeitung MÜSAVAT aus dem autoritär regierten Aserbaidschan findet: "Schon jetzt ist klar, dass der Versuch der Bildung einer 'antirussischen Koalition' nicht gelingen wird. Die verrückte Idee, 'die Welt gegen einen Staat zu vereinen', scheint Selenskyj zu gehören. Zumindest glaubt er, so seine Position in möglichen Verhandlungen stärken zu können. Der russische Präsident Putin hat seine Bedingungen für Frieden genannt. Diese Bedingungen bedeuten allerdings eine Fortsetzung des Krieges", bedauert MÜSAVAT aus Baku.
Auch beim Treffen der Staats- und Regierungschefs der führenden sieben Industriestaaten in Italien ging es um die Ukraine und deren finanzielle und militärische Unterstützung. Die britische TIMES zeigt sich erleichtert: "Befürchtungen hinsichtlich der Dauer der Hilfen für die Ukraine dürften durch die bedeutenden Ergebnisse des G7-Gipfels zumindest zeitweise zerstreut worden sein. Am Rande des Treffens unterzeichneten US-Präsident Joe Biden und sein ukrainischer Amtskollege Wolodymyr Selenskyj ein zehnjähriges bilaterales Sicherheitsabkommen. Es beinhaltet einen verstärkten Austausch nachrichtendienstlicher Erkenntnisse, militärische Ausbildung sowie eine Aufrüstung der ukrainischen Luftabwehr, der Munitionsbestände und der Cyberabwehr. Zusätzlich zu dieser Hilfe haben die USA erneut bekräftigt, dass die Zukunft der Ukraine im transatlantischen Bündnis liegt. Diese Schritte werden zu Recht als Versuch Bidens gewertet, der Ukraine eine langfristige strategische Unterstützung gegen die sich abzeichnende Möglichkeit einer zweiten Trump-Präsidentschaft zu sichern", analysiert THE TIMES aus London.
Die dänische Zeitung POLITIKEN konstatiert: "Es ist offensichtlich, dass der Westen in einer tiefen politischen Krise steckt, und es war eher symbolischer Natur, dass die G7-Gruppe auch die Staatsführer von Indien, Brasilien und der Türkei als Gäste geladen hatte. Wir können den Rest der Welt nicht mehr dazu zwingen, nach unserer Pfeife zu tanzen, aber wir können argumentieren und Bündnisse bilden. Genau das hat der G7-Gipfel auch versucht. Stärke äußert sich auf unterschiedliche Arten, und dazu gehört auch die Weisheit, in Krisenzeiten zusammenzuhalten." Das war POLITIKEN aus Kopenhagen.
Zum ersten Mal in der fast 50-jährigen Geschichte der G7 hat ein Oberhaupt der katholischen Kirche an solch einem Treffen teilgenommen. Dazu schreibt die japanische Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN: "Papst Franziskus warnte vor der Gefahr autonomer Waffen mit Künstlicher Intelligenz. Die Europäische Union hat im Mai das weltweit erste Regelwerk für KI verabschiedet. Der Vatikan unterstützt die Verabschiedung eines internationalen Abkommens. Sollte der Papst bei Lösung der globalen Konflikte seine Führungsqualität entfalten können, wäre auch die Präsenz der katholischen Kirche weltweit erhöht – das ist doch ein Ziel des Vatikans", vermutet NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio.
Die spanische Zeitung LA RAZON geht auf einen anderen Aspekt ein: "Für Schlagzeilen sorgte der entschlossene Widerstand von Italiens Premierministerin Giorgia Meloni gegen das Recht auf Abtreibung. Während der französische Präsident Macron und Bundeskanzler Scholz bei den Europawahlen eine Niederlage hinnehmen mussten, konnte Meloni triumphieren. Das hat ihre Rolle eindeutig gestärkt. Daraus schöpfte Meloni auch die Legitimation, um die Aufnahme des Rechts auf Abtreibung in die Abschlusserklärung der G7 zu verhindern. Damit stellte sie sich auch gegen die Positionen von Biden und Macron, der das Recht auf Abtreibung sogar in die französische Verfassung aufnehmen ließ - und Meloni konnte sich am Ende in dieser heiklen Frage durchsetzen. Es ist bemerkenswert, dass sie sich allein gegen alle behaupten konnte - und das heißt, auch gegen Ursula von der Leyen", kommentiert LA RAZON aus Madrid.
Zum Schluss hören sie noch einen Kommentar der staatlichen Zeitung HUANQIU SHIBAO aus der Volksrepublik China zu den angedrohten EU-Zöllen für Elektroautos: "Die einseitigen Strafzölle sind keine Option. Stattdessen sollte sich die Europäische Union an den Regeln der Welthandelsorganisation zu staatlichen Subventionen orientieren. Die Europäer müssen sich im Klaren sein, was sie wollen. In der Handelspolitik führen Maßnahmen und Vergeltung nur in eine Sackgasse. Die vor einigen Jahren erfolgreichen Verhandlungen zwischen der Europäischen Union und Peking um chinesische Solarmodule könnten richtungweisend sein", meint HUANQIU SHIBAO aus Peking.