
"Wer war Ismail Hanija?“, fragt die polnische RZECZPOSPOLITA und führt aus: "Trotz seiner aggressiven Rhetorik war Ismail Hanija, der politische Führer der Hamas, kein Vertreter des radikalsten Flügels der Organisation. Hanija war seit 2017 Leiter des Politbüros der Hamas – seitdem wohnte er auch nicht mehr in Gaza, sondern in Doha, der Hauptstadt Katars. In den letzten Monaten war er einer der wichtigsten Verhandlungsführer für den Waffenstillstand mit Israel. Arabische Diplomaten und Politiker aus arabischen Ländern betrachteten Hanija als pragmatischen Politiker. Israel wiederum hält die gesamte Hamas-Führung für Terroristen – und Hanija sah man als den 'Strippenzieher' der Anschläge vom 7. Oktober an", erläutert die RZECZPOSPOLITA aus Warschau.
Die aserbaidschanische Zeitung MÜSAVAT kommentiert: "Auch wenn die Umstände der Ermordung Hanijas in Teheran noch nicht geklärt sind, hat die Welt einen weiteren Schritt in Richtung neuer Spannungen gemacht. Wenn ein Gast auf dem Heimweg getötet wird, richtet sich die Hauptbotschaft an den Gastgeber, hier also an Teheran. Die Botschaft lautet, dass der neue iranische Präsident Peseschkian Israel gleichgültig ist. Von nun an kann Peseschkian, selbst wenn er es wollte, nicht nachgeben, sondern muss im Gegenteil eine harte Haltung gegenüber Israel zeigen. Ein israelischer Offizieller sagte, dass die Welt ohne Hanija sicherer geworden sei. Diese Interpretation ist falsch, sie ist eine vergebliche Hoffnung. Es ist naiv zu glauben, dass die Welt sich beruhigen wird, solange die Gründung eines palästinensischen Staates nicht akzeptiert wird", glaubt MÜSAVAT aus Baku.
Die JERUSALEM POST schreibt zum Tod Hanijas und zum möglichen Tod des Hamas-Militärführers Deif im Gazastreifen vor wenigen Wochen: "Zusammengenommen sind die mögliche Eliminierung von Deif und der Tod von Hanija ein schwerer Rückschlag für die Hamas und die vom Iran unterstützte Terrorachse. Deif und Hanija waren zwei der Personen, gegen die der Internationale Strafgerichtshof nach dem 7. Oktober Anklage erheben wollte. Der dritte Mann ist der Hamas-Führer in Gaza, Sinwar", bemerkt die JERUSALEM POST.
Als Reaktion auf den Raketeneinschlag auf den Golanhöhen hat Israel gestern Ziele im Libanon angegriffen. Die in London erscheinende arabische Zeitung ASHARG AL-AWSAT warnt vor einer weiteren Eskalation: "Denn der Iran hat angekündigt, einzugreifen, sollte es zu einem Krieg im Libanon kommen. Teheran kann es sich nicht leisten, nach der Hamas innerhalb eines Jahres einen zweiten Verbündeten zu verlieren. Darum wird er alles in seiner Macht stehende tun, um seinen Hauptagenten in der Region, die Hisbollah, zu erhalten. Israel hat einen Großteil der militärischen Fähigkeiten der Hamas zerstört und etwa die Hälfte ihrer Führer eliminiert. Mit der Hisbollah wird das nicht möglich sein", ist ASHARG AL-AWSAT überzeugt.
"Die Hisbollah ist deutlich besser bewaffnet als die Hamas", hebt die dänische Zeitung POLITIKEN hervor. "Im Libanon-Krieg 2006 stellte sie ihre Widerstandskraft unter Beweis und ist seither noch gefährlicher geworden. Israel kann natürlich den Libanon in Schutt und Asche bomben - ein Land, das schon jetzt am Rand des Ruins steht. Aber wohin ein solcher Krieg führt und ob er andere Mächte wie den Iran direkt hineinzieht, lässt sich unmöglich vorhersagen. Der Weg zur Vermeidung eines Kriegs führt über Gaza. Nur eine Waffenruhe würde die politischen Voraussetzung für ein Ende der Raketenangriffe auf den Norden Israels ermöglichen. Die Tragödie der Palästinenser ist schlimm genug, und darum muss der Krieg in Gaza beendet werden, bevor er sich weiter ausbreitet", betont POLITIKEN aus Kopenhagen.
Zur Lage in Venezuela nach der Präsidentenwahl meint die britische Zeitung THE GUARDIAN: "Schon bevor Venezuelas Wähler am Sonntag zu den Urnen gingen, war absehbar, dass sich Nicolás Maduro zum Sieger erklären und die Opposition die offiziellen Ergebnisse als Fälschung bezeichnen würde. Fast acht Millionen Venezolaner - ein Viertel der Bevölkerung - haben bereits das Land verlassen, seit Maduro die Wahlen 2013 knapp gewann. Einer Umfrage zufolge würde bis zu einem Drittel der Venezolaner erwägen, ins Ausland zu gehen, wenn er an der Macht bleibt. Das beunruhigt andere Länder in der Region und die USA, die derzeit selbst vor Wahlen stehen", analysiert THE GUARDIAN aus London.
Die mexikanische Zeitung LA RAZON schreibt: "Am Sonntag gingen die Menschen in Venezuela zur Wahl, und die Abstimmung verlief im Großen und Ganzen ohne Zwischenfälle. Die Wähler wussten, für wen und für was sie gestimmt hatten, aber das Regime kontrolliert die Wahlbehörde, und so mussten die Bürger erleben, wie ihr Votum ignoriert wurde. Seither gehen die Gegner von Nicolás Maduro auf die Straße, und es ist zu befürchten, dass die Gewalt eskaliert. Es steht nicht weniger auf dem Spiel als die Zukunft des Landes. Alles deutet darauf hin, dass die Opposition das Wahlergebnis nicht anerkennen wird, und vermutlich wird das Regime Proteste unterdrücken und Venezuela weiter in die internationale Isolation treiben. Ein Ende des Konflikts wird damit aber nicht erreicht", ist LA RAZON aus Mexiko-Stadt überzeugt.
Die estnische Zeitung POSTIMEES notiert: "Nach dem Krebstod des charismatischen Präsidenten Hugo Chávez 2013 übernahm sein Vize Maduro das Amt, und nach Ansicht von Beobachtern ist Venezuela inzwischen eine Diktatur geworden. Maduro hat längst die Unterstützung der Massen verloren, die sich einst für Chávez und sein sozialistisches Modell begeistern konnten. Die Öleinnahmen gehen zurück, und aus dem früheren lateinamerikanischen Vorzeigeland ist ein Armenhaus geworden, dem Millionen Menschen den Rücken zugekehrt haben und auf dessen Straßen Gesetzlosigkeit und Gewalt regieren. Venezuela ist mit dem Sozialismus ins Chaos gestürzt. Nun hat dort auch noch der dreisteste Wahlbetrug stattgefunden, den Lateinamerika je erlebt hat. Und wer erkennt Maduro als Präsidenten an? Außer den lateinamerikanischen Staaten Bolivien, Nicaragua, Honduras und Kuba sind dies Russland, China, der Iran und Syrien. Allein diese Liste spricht schon Bände", unterstreicht POSTIMEES aus Tallinn.
US-Präsident Biden will das höchste Gericht des Landes, den Supreme Court reformieren - aus mehreren Gründen, wie DER STANDARD aus Österreich erläutert: "Dazu zählte das Ende des Rechts auf Abtreibung 2022; aber vor allem das im Sinne Donald Trumps ausgefallene Urteil vom Juli, wonach Präsidenten auch nach ihrer Amtszeit weitgehend Immunität genießen. Nun hat Biden Änderungen vorgeschlagen: Richterposten sollen nur noch für 18 Jahre statt auf Lebenszeit vergeben werden, alle zwei Jahre würde so jeder Präsident eine Nominierung aussprechen. Ein Verfassungszusatz soll die Präsidentenimmunität beschränken. Die Vorschläge klingen ausgewogen und durchdacht, eine Chance auf Umsetzung haben sie kaum. Die Republikaner im Kongress werden den Teufel tun", prophezeit DER STANDARD aus Wien.
Die chinesische Zeitung XINJINGBAO ergänzt: "Biden war selbst lange genug Senator, um zu wissen, dass sein Vorhaben so gut wie aussichtslos ist. Dass er es dennoch versucht, hängt damit zusammen, dass in den kommenden vier Jahren zwei Oberste Richter in den Ruhestand gehen werden und Trump sie im Fall seines Wahlsiegs dann durch zwei weitere erzkonservative Juristen ersetzen könnte. Die Demokraten mussten auf die besorgniserregenden Grundsatzurteile des Gerichts reagieren, auch wenn die geplante Justizreform am Ende nur taktischen Zwecken in der Wahlkampagne von Kamala Harris zur Mobilisierung von Wählern dienen wird."