25. September 2024
Die internationale Presseschau

Kommentiert werden hauptsächlich die israelischen Angriffe gegen die Terrormiliz Hisbollah im Libanon.

Eine Straße in Baalbek im Libanon, deren Häuser, Autos und Zäune durch einen israelischen Angriff völlig zerstört sind.
Israeli setzt seine Luftangriffe auf den Libanon fort. (picture alliance / Anadolu / Suleiman Amhaz)
Dazu schreibt die israelische Zeitung HAARETZ: "Die Regierung wiederholt weiterhin mit aufrichtiger Stimme, dass Israel sich nicht im Krieg mit dem libanesischen Volk befinde. So weit wie möglich greife man nur militärische Ziele an und tue alles, um Verluste unter Zivilisten zu vermeiden. Nach Ansicht der militärischen und politischen Führer liegt das Hauptaugenmerk auch der jüngsten Militäraktionen auf den Raketenbasen und -vorräten der Hisbollah. Aber gibt es in einer kleinen und dicht besiedelten Region wirklich so etwas wie ein rein 'militärisches Ziel'? Nein. Was auch immer sich unsere Führer selbst erzählen: Libanesen und Israelis, die auf beiden Seiten der Grenze in unseren beiden winzigen und überfüllten Ländern leben, sind alle Ziele", unterstreicht HAARETZ aus Tel Aviv.
Die österreichische Zeitung DER STANDARD hält fest: "Israel hat seine Offensive im Libanon begonnen, um die militärische Schlagkraft der bis an die Zähne bewaffneten Hisbollah nachhaltig zu degradieren. Über dem Warten, wann mit einem besonders zerstörerischen Raketenangriff der libanesischen Schiitenmiliz in Israel – entweder auf sensible Infrastruktur oder auf Zivilisten – der neue Krieg auch offiziell eröffnet ist, hat man eines fast vergessen: Hinter der Hisbollah steht auch noch der Iran. Es wurde allgemein damit gerechnet, dass die Hisbollah angesichts ihrer schweren Verluste früher oder später die Flucht nach vorne antritt: wenn schon bluten, dann kämpfend. Aber lässt sich der Iran das Kronjuwel auf seiner über Jahre aufgebauten 'Achse des Widerstands' zerschießen? Ganz abgesehen davon, dass er noch die Rechnung der israelischen Tötung von Hamas-Chef Ismail Haniyeh mitten in Teheran offen hat", erinnert DER STANDARD aus Wien.
"Die Hisbollah versucht, die israelische Armee in den Libanon zu locken", titelt die russische Zeitung NESAWISSIMAJA GASETA und analysiert: "Sie selbst scheint fest damit zu rechnen, dass sie die Israelis in Bodenkämpfe verwickeln wird. Arabische Medien berichten, dass die Hisbollah ihre Strategie darauf aufbaut, das israelische Militär tief in libanesisches Territorium zu locken, wo ein System aus Befestigungen und unterirdischen Verbindungen sowie Waffen zur Vernichtung gepanzerter Fahrzeuge auf die Soldaten warten. Unterdessen besteht aber auch eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Israelis von ihrem engsten Verbündeten überzeugt werden, die Operation so schnell wie möglich abzuschließen. Egal wie sehr die US-Führung mit dem Wahlkampf beschäftigt ist – das Weiße Haus wird dem Konflikt nicht aus dem Weg gehen", ist sich die Moskauer NESAWISSIMAJA GASETA sicher.
Die japanische Zeitung ASAHI SHIMBUN aus Tokio notiert: "Premierminister Netanjahu zeigt gegenüber der Hisbollah eine harte Haltung, um politisch zu überleben. Seine Rechnung scheint aufzugehen: In der israelischen Öffentlichkeit wächst mittlerweile die Unterstützung für seinen Kurs. Allerdings bleibt die Frage: Führt ein militärischer Erfolg im Libanon zur politischen Problemlösung? Das ist die Frage, mit der Israel nach wie vor konfrontiert wird."
Die britische Zeitung THE GUARDIAN erläutert: "Israel scheint vor allem Orte ins Visier zu nehmen, die als Waffenlager gelten. Irgendwann könnten die Hisbollah-Kommandeure zu dem Schluss kommen, dass sie ihre Waffen ohnehin verlieren, wenn sie sie nicht einsetzen. Israels Luftabwehr könnte dann stellenweise überwältigt werden. Eine Bodeninvasion im Libanon wäre umso problematischer, als die israelischen Truppen immer noch im Gazastreifen kämpfen und ihre Angriffe im Westjordanland verstärken. Alle Seiten haben ihre Aktionen genau abgewogen - und doch hat sich das Abgleiten in einen größeren Konflikt, der auch den Iran und die USA einbeziehen könnte, beschleunigt", befürchtet THE GUARDIAN aus London.
Die schwedische Zeitung DAGENS NYHETER ist folgender Meinung: "Der Iran hat in seinem Streben nach internationalem Einfluss einen zentralen Akteur zur Verfügung: die Hisbollah. Die schiitische Miliz wird im Wesentlichen vom Iran finanziert. Der Libanon galt lange als eine arabische Freistatt. Es ist bitterste Ironie, dass jetzt ausgerechnet dieses Land von Terroristen in Geiselhaft genommen wird. Nicht einmal ein Drittel der Libanesen hat Vertrauen zur Hisbollah, und nur rund zwölf Prozent sagen, dass sie der Organisation politisch nahestehen. Dass sie in den letzten Jahren trotzdem erstarkt ist, hängt mit dem Kollaps der libanesischen Wirtschaft zusammen – und mit Israels Krieg in Gaza. Wenn Israel jetzt immer mehr Ziele im Libanon angreift, besteht das Risiko, dass die Zustimmung für die Hisbollah weiter steigt", hält DAGENS NYHETER aus Stockholm fest.
"In der internationalen Staatengemeinschaft nimmt die Sorge zu, dass der Libanon zu einem zweiten Gaza werden könnte, nachdem es bereits zu vielen zivilen Opfern durch die israelischen Luftschläge gekommen ist", heißt es in der chinesischen Zeitung XINMIN WANBAO: "Die Regierung in Israel, das von sieben feindlichen Fronten umgeben ist, konnte ihr Ziel, die Hamas vollends zu zerschlagen und deren Geiseln zu befreien, bislang nicht erreichen und hat sich nun dennoch entschlossen, zusätzlich massiv gegen die Hisbollah im Libanon vorzugehen. Offenbar besteht das Kalkül von Netanjahu darin, mit möglichen Friedensverhandlungen zu warten, bis im November feststeht, wer die Präsidentschaftswahlen in den USA gewonnen hat. Dies ist aber ein sehr gewagtes Spiel mit dem Feuer, da die Lage jederzeit außer Kontrolle geraten könnte", meint XINMIN WANBAO aus Schanghai.
Die panarabische Zeitung AL ARABY AL-JADEED bemerkt: "Mit Blick auf die israelischen Angriffe muss man bedenken, dass Israel keinesfalls am Rande einer Niederlage oder des Zerfalls steht oder gar in seiner Existenz gefährdet ist. Da die internationale Gemeinschaft zudem schweigt, die USA das Land weiterhin unterstützen und die arabischen Staaten sich weiterhin als machtlose Akteure erweisen, ist es ein Irrtum, anzunehmen, Israel würde seine Aggression stoppen. Netanjahu arbeitet ganz offenbar nicht darauf hin, den Krieg zu beenden. Was in Israels Nachbarschaft derzeit passiert, deutet vielmehr auf eine weitere Eskalation hin, deren Ergebnisse sich kaum vorhersagen lassen", stellt die in London erscheinende AL ARABY AL-JADEED klar.
In der spanischen Zeitung EL MUNDO ist zu lesen: "Diese offene Auseinandersetzung mit der Hisbollah könnte verheerende Folgen nach sich ziehen – erst recht, wenn sich der Iran als Schutzmacht aller Feinde Israels zu einer Intervention entscheidet. Der Nahostkonflikt stand gestern auch im Mittelpunkt der UNO-Generalversammlung in New York, auf der Generalsekretär Guterres seine Kritik an Netanjahu unterstrich. Aber auch viele andere Staaten und darunter die Supermacht USA haben den Eindruck, dass Netanjahu unter dem Einfluss seiner radikalen Koalitionspartner ein unsicherer Kantonist geworden ist und seinen Handlungsspielraum immer weiter ausreizt", vermutet EL MUNDO aus Madrid.
Hören Sie nun noch einen Kommentar zur Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York. Die dänische Zeitung JYLLANDS-POSTEN führt aus: "Im Laufe dieser Woche besteigt ein stetiger Strom von Top-Politikern das Rednerpult in der Hoffnung, sich selbst und diesem Gremium 15 Minuten Ruhm zu verschaffen. Die großen Worte können jedoch nicht verbergen, dass die Vereinten Nationen in vielerlei Hinsicht eine globale Rumpelkammer sind. Nach bald 80 Jahren hat die Organisation ein schwer überschaubares Netzwerk von Gremien und Aktivitäten geschaffen, die in einer Reihe von Fällen wichtige und notwendige Arbeit leisten, in anderen leider aber kaum. Vieles von dem, was mit der UNO falsch läuft, spiegelt sich im prominentesten Gremium der Organisation, dem Sicherheitsrat, wider. Der Rat hat ein Ausmaß an fehlender Tatkraft und gegenseitigem Misstrauen erreicht, wie man es seit dem Kalten Krieg nicht mehr gesehen hat." Das war zum Ende der internationalen Presseschau JYLLANDS-POSTEN aus Aarhus.