
DER STANDARD aus Österreich blickt kritisch auf das italienische Asylzentrum in Albanien: "Menschenrechtlich steht das Konzept auf wackeligen Beinen, doch internationales Recht wird mehr und mehr ignoriert. Italiens Albanien-Plan macht hinten und vorn keinen Sinn. Erhalten Menschen einen positiven Bescheid, dürfen sie nach Italien einreisen. Die anderen sollen rasch abgeschoben werden. Doch Europa schafft es nicht, Herkunftsländer dazu zu bringen, Bürger und Bürgerinnen zurückzunehmen. Deshalb können Abschiebungen oft nicht durchgeführt werden. Albanien hat klipp und klar gesagt, dass es diese Menschen nicht aufnehmen wird, wenn sie nicht mehr in den Lagern festgehalten werden dürfen. Somit bleibt nur ein Ausweg: Auch sie müssen nach Italien gebracht werden. Und übrigbleiben wird ein hunderte Millionen Euro teurer PR-Gag von Giorgia Meloni", heißt es im STANDARD aus Wien.
Die italienische Zeitung LA REPUBBLICA gibt zu bedenken: "Die Frage der Einwanderungskontrolle betrifft die Mehrheit der europäischen Länder. Fast alle haben ihre laxe Migrationspolitik inzwischen aufgegeben oder sind dabei, dies zu tun. Italiens rechtes Lager unter Giorgia Meloni hat einen Vorteil. Es überlässt die moralische Solidarität mit den Migranten der politischen Linken und versucht, Teile der beunruhigten Wählerschaft auf ihre Seite zu ziehen. Ganz ähnlich wie es die beiden sozialdemokratischen Regierungschefs Keir Starmer in Großbritannien und Olaf Scholz in Deutschland tun", beobachtet LA REPUBBLICA aus Rom.
Die dänische Zeitung POLITIKEN erinnert: "Noch vor einem Jahr wurde Melonis Modell mit Skepsis beäugt. Heute ist von einem Pilotversuch die Rede, und selbst EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen blickt interessiert nach Albanien. Sie hat nicht nur Italien, sondern auch 14 weitere Länder auf ihrer Seite, wenn es um eine härtere Linie geht. Zuletzt hat Polen die Notbremse gezogen und einen generellen Asylstopp verhängt, was nicht in Einklang mit den EU-Regeln steht. In der EU macht sich die Erkenntnis breit, dass man einen gemeinsamen Weg finden muss. Andernfalls geht man das Risiko ein, dass einzelne Mitglieder einen Alleingang unternehmen", hält POLITIKEN aus Kopenhagen fest.
Die polnische Zeitung RZECZPOSPOLITA befasst sich mit dem heute beginnenden EU-Gipfel zum Thema Migration: "Noch vor wenigen Wochen argumentierte die Europäische Kommission, das bereits verabschiedete Asyl- und Migrationspaket sei eine ausreichende Antwort auf viele der jetzt gemeldeten Probleme. Doch jetzt fordert sie eine schnellere Umsetzung des Beschlusses und arbeitet an einer neuen Rückführungsrichtlinie. Auch auf eine Instrumentalisierung der Migration geht die EU-Kommission ein. Die polnische Regierung wirft Belarus vor, gezielt Menschen über die Grenze nach Polen zu schleusen, um die EU zu destabilisieren. Wenn dies so ist, müssen außergewöhnliche Instrumente eingesetzt werden, etwa die vorübergehende Aussetzung des Asylrechts oder die Kofinanzierung einer Mauer an der Grenze zwischen Polen und Weißrussland aus dem EU-Haushalt", verlangt RZECZPOSPOLITA aus Warschau.
Nun in die Ukraine, wo Präsident Selenskyj gestern seinen sogenannten "Siegesplan" für die Beendigung des Kriegs mit Russland vorgestellt hat. "Dabei nahm er wie erwartet den Westen in die Pflicht", schreibt die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG aus der Schweiz: "Sein Fünf-Punkte-Plan umfasst insbesondere eine bedingungslose Einladung zur Mitgliedschaft in der Nato, den Einsatz von Langstreckenwaffen, um auch Ziele im Innern Russlands beschiessen zu können, sowie die Stationierung einer umfassenden konventionellen Abschreckung durch Drittstaaten in der Ukraine. Im Wissen darum, dass sich die Diskussionen um solch heikle Punkte seit Monaten im Kreis drehen, zeigte sich Selenski bemüht, diese auf eine andere Ebene zu verlagern. Er konkretisierte die Vorteile für Partnerländer – auch auf der wirtschaftlich-strategischen Ebene. Von Introspektion oder gar Selbstkritik gibt es im 'Siegesplan' keine Spur. Selenskyi setzt ganz auf die Hilfe von aussen", stellt die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG fest.
Die japanische Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN blickt in einem Gastkommentar auf Nordkoreas Beteiligung am Ukraine-Krieg: "Mittlerweile schickt Nordkorea an Russland nicht nur Waffen oder Munition, sondern laut Medienberichten auch tausende Soldaten, die noch in diesem Jahr an die Front geschickt werden sollen. Für Nordkorea gibt es klare Vorteile: Damit kann man mehr Gegenleistung aus Russland erwarten, eigene Soldaten können an der Kriegsfront wertvolle Praxis sammeln und neueste russische Militärstrategie oder Waffentechnologie direkt vor Ort kennenlernen", vermutet NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio.
Die norwegische Zeitung AFTENPOSTEN greift die zunehmenden Spannungen zwischen Nord- und Südkorea auf: "Angespannt ist die Lage auf der koreanischen Halbinsel schon länger, aber nun scheint sie sich weiter zu verschlimmern. Von einer Eskalation wäre die ganze Welt betroffen, denn vermutlich würden sich die Supermächte einschalten. Die USA stehen unter Druck. Das Land ist immer noch die stärkste Militärmacht der Welt, aber große Ressourcen fließen in die Verteidigung der Ukraine, und China droht mit einem Angriff auf Taiwan. Da ist ein offener Konflikt auf der koreanischen Halbinsel das Letzte, was Washington brauchen kann. Doch wie handlungsfähig werden die USA sein? Bald könnte der Zirkus Trump wieder im Weißen Haus gastieren. Ist also die Zeit für Kim gekommen? Es kann sehr wohl sein, dass er das so sieht - und dass er bis kurz nach den US-Wahlen im November oder Trumps Amtsübernahme im Januar wartet." Das war AFTENPOSTEN aus Oslo.
Ein Gastkommentator im südkoreanischen KOREA HERALD hält die Sorge vor einer Eskalation auf der koreanischen Halbinsel dagegen für übertrieben: "Kim Jong-Uns derzeitige Provokationskampagne bewegt sich nach wie vor im altbekannten Rahmen: ein Muster der Eskalation und Deeskalation. Zudem darf man bei den Spannungen auf der koreanischen Halbinsel die Politik Südkoreas, der Vereinigten Staaten und Chinas nicht außer acht lassen. Unter der derzeitigen Regierung hat Südkorea eine deutlich restriktivere Haltung gegenüber Nordkorea eingenommen und stellt Abschreckung und militärische Mobilisierung über den Dialog. Zudem würde China sicher Instabilität an seiner Grenze verhindern wollen, was einen umfassenden Krieg für alle Beteiligten weniger attraktiv macht", meint THE KOREA HERALD aus Seoul.
Zum Schluss noch zwei Stimmen zum US-Wahlkampf. Die türkische Onlinezeitung T24 führt aus: "Umfragen sehen die Kandidatin der Demokraten, Harris, landesweit mit einem leichten Vorsprung vor dem Kandidaten der Republikaner,Trump. Während Trump bei den Wählern in Bereichen wie Wirtschaft, Kriminalität und Bekämpfung der illegalen Einwanderung mehr Vertrauen genießt, sammelt Harris bei Themen wie Frauenrechte, Bildung und Gesundheitsversorgung Punkte. Harris hat keinen klaren Fahrplan zur Beendigung der Ukraine-Krise. Auch mit Blick auf Nahost behauptet Trump, dass es unter seiner Präsidentschaft zu keiner Krise gekommen wäre. Einen Vorschlag für einen Ausweg hat er jedoch auch nicht", betont T24 mit Sitz in Istanbul.
Und die taiwanesische Zeitung LIANHE BAO bemerkt: "Im Laufe des Wahlkampfes die Schwächen von Vizepräsidentin Harris sichtbar. Ihre Erfahrung als Staatsanwältin hilft ihr zwar scharfe Fragen zu stellen, in Antworten bleibt sie jedoch häufig ungenau. Darüber hinaus wird Harris den Schatten von Joe Biden nicht los. Dass der US-Präsident Israels aggressives Vorgehen im Nahen Osten nicht zu verhindern vermag, belastet seine Stellvertreterin. Im noch vorhandenen Vorsprung von Kamala Harris verbirgt sich ein potenzieller Sieg von Donald Trump. Seine Anhänger stehen fest an seiner Seite und schweigen meist in den Umfragen", konstatiert LIANHE BAO aus Taipeh, und damit endet die Internationale Presseschau.