30. November 2024
Die internationale Presseschau

Heute unter anderem mit Stimmen zum Bürgerkrieg in Syrien. Weiteres Thema ist die Debatte über Gesetze zur Beschränkung von Social Media nach dem Vorbild Australiens. Doch zunächst zu den andauernden Protesten gegen die Regierung in Georgien.

Im Abendrot stehen mehrere Männner vor einem Panzer und machen Selfies mit Mobiltelefonen. Sie sind als Silhouetten zu sehen.
Die ausländischen Zeitungen kommentieren u.a. die jüngsten Entwicklungen im syrischen Bürgerkrieg (Archivbild). (Ghaith Alsayed / AP / dpa)
Dazu bemerkt die schwedische Zeitung SYDSVENSKAN: "Der frühere ukrainische Außenminister Kuleba brachte es auf den Punkt: Die aktuelle Lage in Georgien spiegelt die Situation in der Ukraine vor elf Jahren wider. 2013 erklärte der ukrainische Präsident Janukowitsch, er wolle die Verhandlungen über ein Assoziationsabkommen mit der EU abbrechen und stattdessen die strategische Zusammenarbeit mit Russland vertiefen. Die anschließenden Proteste eskalierten im Frühjahr 2014 mit zahlreichen Toten auf dem Maidan und der Annexion der Krim. Das alles wissen die georgischen Demonstranten und Oppositionspolitiker, die auf den Straßen der Hauptstadt Tiflis gegen die Entscheidung der Regierung protestieren, alle Gespräche mit der EU bis 2028 einzufrieren. Aus Tiflis kommen Berichte von Polizeigewalt und Massenfestnahmen. Die Erinnerungen an die Maidan-Proteste machen Angst", notiert SYDSVENSKAN aus Malmö.
Die türkische Zeitung CUMHURIYET geht ein auf den Bürgerkrieg in Syrien: "Der Angriff der Aufständischen auf Aleppo ist insofern bemerkenswert, als er in Verbindung mit dem israelisch-libanesischen Waffenstillstand durchgeführt wurde. Das heißt, Israel hat einer Waffenruhe im Libanon zugestimmt, und dann haben die dschihadistischen Gruppen eine neue Front in Syrien eröffnet, wo Israel täglich Luftangriffe fliegt. Aleppo ist also nicht nur für die dschihadistischen Gruppen eine neue Front, sondern auch für Israel. Israel war von Anfang an der natürliche Partner der Dschihadisten in Syrien. Die von der Türkei unterstützte Syrische Nationalarmee arbeitet mit der Haiat Tahrir al-Sham (HTS) zusammen, um Aleppo anzugreifen. All dies offenbart die Realität, dass die Anti-Assad-Haltung der Erdoğan-Regierung die Türkei faktisch auf eine Stufe mit Israel stellt. Was ist das eigentliche Ziel Ankaras?", fragt CUMHURIYET aus Istanbul.
Die arabischsprachige Zeitung SHARQ AL-AWSAT glaubt: "Es liegt auf der Hand, dass die dschihadistische Offensive sich nicht allein gegen das Regime in Damaskus richtet, sondern auch gegen den Iran und Russland, die dort an der Seite Assads ebenfalls präsent sind. Zwar kann man davon ausgehen, dass die Aktion von langer Hand vorbereitet wurde. Aber klar ist auch, dass die Dschihadisten die Verunsicherung nutzen, in die der Iran und die ihm verbundenen Milizen durch den Libanonkrieg und die Schwächung der Hisbollah geraten sind. Sollten sie triumphieren, wäre das für die Syrer eine der größten denkbaren Katastrophen." Da war SHARQ AL-AWSAT mit Sitz in London.
Das australische Social-Media-Verbot für Jugendliche unter 16 Jahren ist Thema in der chinesische Staatszeitung JIEFANG RIBAO: "Das ist das erste Gesetz dieser Art, auch das bisher strengste weltweit. Bei Verstößen droht Plattformen wie X und Tiktok ein hohes Bußgeld. Der Schritt der australischen Regierung offenbart, wie ernst die Lage dort ist. Weitere Länder könnten diesem Beispiel folgen. Da die meisten Firmen in Amerika registriert sind, riskiert die Regierung unter Premierminister Albanese möglicherweise diplomatische Reibungen mit Washington. Darüber hinaus sollten wir uns fragen, was die australischen Jugendlichen eigentlich dazu meinen", schreibt JIEFANG RIBAO aus Schanghai.
In der japanischen Zeitung ASAHI SHIMBUN lesen wir in einem Gastkommentar: "In den Sozialen Medien besteht die Gefahr von Abhängigkeit und psychischen Erkrankungen. In Japan, wo bislang traditionellerweise lediglich über die Risiken für Kinder und Jugendliche durch verbotene pornographische Inhalte diskutiert wird, sind die bisherigen Schutzmaßnahmen nicht ausreichend. Klar ist, dass dort ein neuer gesetzlicher Rahmen geschaffen werden muss. Denn bisher haften nur die Mobilfunkanbieter und nicht die Anbieter der Sozialen Netzwerke", erläutert ASAHI SHIMBUN aus Tokio.
Die dänische Zeitung POLITIKEN stellt fest: "Gesetzgeber von Australien bis Dänemark kämpfen gegen eine digitale Wirtschaft an, in der die Zeit und die Aufmerksamkeit der Menschen das Geld als gängige Währung abgelöst haben. Interne Dokumente von TikTok zeigen, dass man sich durchaus der potenziell gesundheitsschädlichen Auswirkungen seiner Produkte bewusst ist. Das Narrativ ist längst verflogen, wonach soziale Medien die Menschen zusammenbringen, ihnen eine Stimme geben und die Demokratie fördern. Westliche Länder verbieten Kindern und Jugendlichen den Kauf von Alkohol, Tabak und anderen potenziell schädlichen Produkten, aber es bereitet den Gesetzgebern Kopfzerbrechen, wie man mehr Schutz vor gefährlichen Inhalten erreichen kann - zumal sich Altersbeschränkungen leicht umgehen lassen", gibt POLITIKEN aus Kopenhagen zu bedenken.
Die norwegische Zeitung AFTENPOSTEN ist sich sicher: "Es geht um eine ganze Reihe juristischer, ethischer und technischer Fragen, auf die es keine einfachen Antworten gibt. Früher war der freie Zugang zu Smartphones und sozialen Medien die Norm, das Wissen über mögliche Folgen begrenzt. Mittlerweile machen sich viele Eltern Sorgen. Mehr als 6 Stunden verbringen Kinder jeden Tag vor dem Bildschirm, und jede Stunde weniger bedeutet mehr Zeit für andere Dinge wie Spielen, Aktivitäten und Treffen in der physischen Welt. Ein erster Schritt könnten mehr Filter und Sperren sein, aber die Behörden sollten auch strengere Anforderungen an die Technologieunternehmen stellen, was Algorithmen und den Umgang mit persönlichen Daten betrifft", verlangt AFTENPOSTEN aus Oslo.
Nun noch Stimmen zur vorgezogenen Bundestagswahl. Mit Blick auf den Kanzler erläutert die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG aus der Schweiz: "Scholz spekuliert auf ein Winterwunder und auf eine Aufholjagd wie vor der letzten Bundestagswahl. Damals hatte er die Nase vorn. Wahrscheinlich ist das diesmal nicht. Dafür ist die Lage zu schlecht und der Ruf des Kanzlers zu ramponiert. SPD, Grüne und FDP werden deutlich Stimmen verlieren und in der Niederlage ein letztes Mal vereint sein. Aber ein Beben bleibt in Berlin aus. Die Amerikaner entschieden sich für Trump und damit für die Disruption. Die Deutschen sind milder. Disruption liegt ihnen nicht. Das spürt auch der künftige Kanzler Friedrich Merz. Weil ihm das Etikett des fiesen Blackrock-Kapitalisten anhängt, legt er ein wachsweiches Wirtschaftsprogramm vor. Das ist taktisch klug, wird ihn aber nach den Wahlen in die Bredouille bringen. Der voraussichtliche Koalitionspartner SPD wird Merz auf alle Zugeständnisse und Kompromisse festnageln, die er bereits gemacht hat. Für eine zeitgemäße Reformpolitik ist die Ausgangslage denkbar schlecht", analysiert die NZZ.
Die polnische Zeitung RZECZPOSPOLITA beobachtet: "Vieles deutet darauf hin, dass die künftige deutsche Regierungskoalition trotz des erwarteten Sieges der Christdemokraten um Friedrich Merz, Angela Merkels einstigen Todfeind, nur unter Beteiligung der wegen Olaf Scholz' unbeliebten Sozialdemokraten gebildet werden kann. Und wenn die Stimmen immer noch nicht ausreichen, um eine Mehrheit zu bilden, werden die Christdemokraten gezwungen sein, einen dritten Koalitionspartner in die Regierung hinzuzunehmen, nämlich die Grünen – jene Partei, die von den Deutschen zunehmend als Hauptverursacher der Probleme der deutschen Wirtschaft betrachtet wird, aufgrund ihrer radikalen Agenda. All dies bedeutet, dass sich die künftige Bundesregierung möglicherweise nicht so sehr von der jetzigen unterscheiden wird - und dass die Unfähigkeit, die völlig unterschiedlichen politischen Programme der drei zerstrittenen Koalitionspartner in Einklang zu bringen, die Regierungsfähigkeit weiterhin effektiv lähmen wird. Die extremen Rechten und Linken, AfD und BSW, können von einem solchen Szenario nur profitieren. Die Krise des deutschen Modells in Wirtschaft und Politik ist auch eine Krise des deutschen Europamodells", urteilt die RZECZPOSPOLITA aus Warschau zum Ende der internationalen Presseschau.