04. Juni 2025
Die internationale Presseschau

Kommentiert werden die Präsidentschaftswahl in Südkorea und die Gespräche zwischen der Ukraine und Russland in Istanbul. Zunächst aber geht es um den Bruch der Regierungskoalition in den Niederlanden.

Der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders (PVV) spricht nach einer Koalitionssitzung im Abgeordnetenhaus zur Presse.
Hat die Regierungskoalition in den Niederlanden platzen lassen: Rechtspopulist Geert Wilders (picture alliance / ANP / Robin van Lonkhuijsen)
Dazu schreibt die niederländische Zeitung DE TELEGRAAF: "Rücksichtslos, unverantwortlich und absolut unglaubwürdig! Geert Wilders hat mit dem Rückzug seiner Minister aus der Koalition seinen Ruf als unzuverlässiger Partner bestätigt. Damit hat der PVV-Chef seine 2,5 Millionen Wähler im Stich gelassen. Die Niederländer hatten bei den Wahlen 2023 ein klares Signal an die Politiker in Den Haag gesendet: Schwenkt nach rechts und löst die Asylkrise. Nach einer mühsamen Regierungsbildung sollte im Land endlich wieder 'die Sonne scheinen'. Die Wohnungsnot sollte behoben werden, Arbeit sollte sich wieder lohnen und es sollte die strengste Asylpolitik aller Zeiten eingeführt werden. Elf Monate später stellt sich heraus, dass das alles eine einzige große Illusion war. Die Regierung von Ministerpräsident Schoof ist politischem Vandalismus zum Opfer gefallen", urteilt DE TELEGRAAF aus Amsterdam.
Die norwegische Zeitung DAGBLADET merkt an: "Eines hat die ultrarechte PVV von Geert Wilders jedenfalls geschafft: Sie hat die politische Ordnung in den Niederlanden auf den Kopf gestellt. Kritiker behaupten, sie sei nur deshalb in eine Regierung eingetreten, um dann eine Regierungskrise auszulösen. Auch wird Wilders vorgeworfen, mehr an sich selbst als an das Land zu denken. An dieser Kritik ist eine Menge dran. Wilders‘ ganze Karriere basiert auf extremen, antiliberalen Standpunkten wie einem Verbot des Koran, der Schließung von Islamschulen, dem Stopp jeglicher Einwanderung und der Deportation straffälliger Personen mit doppelter Staatsbürgerschaft. Dass die PVV laut Umfragen seit ihrer Beteiligung an der Regierung an Zustimmung eingebüßt hat, könnte ein positives Signal sein. Aber jetzt kann die Partei das Chaos nutzen, um sich wieder zu erholen. Und sie will beweisen, dass sie stark genug ist, eine liberale Ordnung auch ohne eigene Mehrheit zu destabilisieren. Das ist deprimierend", findet DAGBLADET aus Oslo.
In der britischen Zeitung THE TIMES ist zu lesen: "Der Konflikt zwischen EU-Recht und populistischen Forderungen nach einem Aufnahmestopp für Asylbewerber hat zum Zusammenbruch der niederländischen Regierung und vorgezogenen Wahlen geführt. Zum Entsetzen selbst seiner eigenen Minister zog Geert Wilders seine radikal-rechte 'Partei für die Freiheit' weniger als ein Jahr nach der Bildung der Regierungskoalition zurück und machte sie damit zu einer der kurzlebigsten in der Geschichte des Landes. Wilders' Forderungen finden breite Unterstützung in der Bevölkerung, vor allem bei den Anhängern der bisherigen Koalitionsparteien", unterstreicht THE TIMES aus London.
Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG aus der Schweiz ist folgender Meinung: "Wilders wollte Neuwahlen, das ist offensichtlich. Natürlich hofft er, beim nächsten Mal noch besser abzuschneiden als 2023. Dann könnte er einer homogeneren Koalition vorstehen – als Regierungschef. Das ist eine schauerliche Vorstellung, aber vielleicht sollte das Land einmal da hindurch. Denn die Chancen stünden gut, dass dieser Zampano der europäischen Islamophobie von der Regierungsarbeit schnell entzaubert würde."
Die spanische Zeitung LA VANGUARDIA weitet den Blick: "Die tiefe Instabilität, die Europa heimsucht, hat in Polen und den Niederlanden ihre beiden jüngsten Schauplätze. Das unaufhaltsame Wachstum der radikalen Rechten, das von Wut auf Einwanderung und Empörung über die Lebenshaltungskosten angetrieben wird, droht die europäische Einheit zu untergraben - gerade in Bezug auf den Umgang mit Russland und US-Präsident Trump. Diese extremistischen Kräfte sind dieselben, die sich vor wenigen Tagen in Portugal zur stärksten Oppositionspartei aufgeschwungen haben, die in Deutschland seit den jüngsten vorgezogenen Wahlen bereits diese Rolle einnehmen und die in Frankreich inzwischen zur dominierenden Kraft im konservativen Lager geworden sind. Der alte Kontinent steht an einem Wendepunkt - in einem entscheidenden Ringen zwischen gesamteuropäischen Interessen und Nationalpopulismus", hält LA VANGUARDIA aus Barcelona fest.
Nun nach Südkorea. Die japanische Zeitung ASAHI SHIMBUN erläutert in einem Gastkommentar: "Wahlsieger Lee Jae Myung hat seine Partei völlig unter Kontrolle. Im Parlament besitzt sie bereits eine absolute Mehrheit. Mit der Unterstützung der Bevölkerung wird Lee Jae Myung nun ein Präsident sein mit so viel Macht wie noch nie in der Geschichte Südkoreas. Lee stammt aus einer äußerst armen Familie und musste nach der Grundschule zunächst in einer Fabrik arbeiten. Nach dem hart erkämpften Studium wurde er Rechtsanwalt für Menschenrechte, bevor er in die Politik wechselte. Der Wahlkampf war von Beschimpfungen und Beleidigungen des jeweiligen politischen Gegners geprägt - und zeigte erneut die ernsthafte Spaltung der südkoreanischen Gesellschaft. Lee muss nun unter Beweis stellen, dass er diese Gräben überwinden und dass er der Politik eine andere Richtung geben kann." So weit ASAHI SHIMBUN aus Tokio.
Die chinesische Zeitung HUANQIU SHIBAO notiert: "Die zweithöchste Wahlbeteiligung in der Geschichte Südkoreas ist ein Beleg dafür, dass sehr viele Bürger des Landes mit dem abgesetzten Präsidenten Yoon Suk Yeol und seinem politischen Lager abrechnen wollten. Der Wahlsieg von Lee Jae Myung bietet nun die Chance für einen Neuanfang und einen pragmatischen Ansatz in den Beziehungen zu China. Die Äußerungen des Wahlsiegers lassen darauf schließen, dass er sich nicht bedingungslos auf die Seite des militärischen Bündnispartners USA schlagen wird, sondern eher auf einen Ausgleich zwischen den Großmächten bedacht ist", beobachtet HUANQIU SHIBAO aus Peking.
Die taiwanesische Zeitung LIANHE RIBAO stellt fest: "Der unterlegene Kim Moon Soo konnte den Makel nie abstreifen, dass er dem Lager von Yoon Suk Yeol zugerechnet wurde, des vom Parlament des Amtes enthobenen Staatspräsidenten. Der hatte eigenmächtig das Kriegsrecht ausgerufen. Zusätzlich geschwächt wurde Kim dadurch, dass sich die bisherige Regierungspartei gespalten präsentiert und nie geschlossen hinter ihren Kandidaten gestellt hat. Wahlsieger Lee Jae Myung konnten hingegen selbst mehrere Vorwürfe wegen Bestechung und Amtsmissbrauch nichts anhaben. Es wird nun spannend sein, zu beobachten, wie US-Präsident Trump auf den Wahlsieg dieses Kandidaten mit einer prochinesischen Haltung reagieren wird, der selbst gegenüber Nordkorea nicht auf Konfrontationskurs gehen will", meint LIANHE RIBAO aus Taipeh.
Die russische Zeitung NESAWISSIMAJA GASETA führt aus: "Es ist zu erwarten, dass sich unter dem neuen Präsidenten ein Zeitfenster für eine Annäherung zwischen Nordkorea und Südkorea sowie für einen ausgewogeneren Umgang mit China und Russland öffnet. Lee Jae Myung plädiert dafür, die Beziehungen zu China, dem größten Wirtschaftspartner des Landes, und Russland, einem Nachbarstaat, nicht zugunsten außenpolitischer Allianzen zu beeinträchtigen. Vermutlich wird es nicht sofort drastische Veränderungen geben, aber es ist sehr wahrscheinlich, dass der Kurs deutlich pragmatischer wird. Gleichzeitig werden Südkorea und die Vereinigten Staaten trotz möglicher Probleme in den Beziehungen zwischen beiden Ländern aufgrund von Trump sicherlich Verbündete bleiben", vermutet die NESAWISSIMAJA GASETA aus Moskau.
Hören Sie nun noch eine Stimme zu den Gesprächen zwischen der Ukraine und Russland in Istanbul. In der türkischen Zeitung KARAR heißt es: "Der Krieg ist für beide Seiten kostspielig geworden. Er muss beendet werden. Zudem gefährdet der Krieg den europäischen Zusammenhalt und destabilisiert den ganzen Kontinent. Die Präsidentschaftswahlen in Polen sind das jüngste Beispiel dafür. Russland ist, was seine Absichten angeht, kein Engel. Jemand muss sich ihm entgegenstellen, seine expansionistischen Ambitionen ausgleichen und versuchen, es zu zermürben." Das war zum Ende der internationalen Presseschau die Zeitung KARAR aus Istanbul.