28. Juni 2025
Die internationale Presseschau

Die ausländischen Zeitungen beschäftigen sich weiter mit der Lage im Nahen Osten. Auch die Ergebnisse des NATO- und des EU-Gipfels in dieser Woche finden nach wie vor Beachtung in den Kommentarspalten.

Urananreicherungsanlage in Fordo, Iran (Luftaufnahme)
Urananreicherungsanlage in Fordo, Iran (Satellite image ©2019 Maxar Technologies)
Zum ersten Thema: Nach dem Ende des Krieges zwischen Israel und dem Iran sollte es nach Ansicht der WASHINGTON POST neue Verhandlungen über das iranische Atomprogramm geben. Wie schwierig solche Gespräche werden, hängt nach Einschätzung der Zeitung davon ab, welche Schäden der US-Angriff auf die Nuklearanlagen des Landes angerichtet hat: "Wenn der US-Schlag das iranische Atomprogramm 'völlig ausgelöscht' hat, wie Präsident Donald Trump behauptet, haben die Vereinigten Staaten gezeigt, dass sie die Fähigkeit des iranischen Regimes zur Herstellung von Atomwaffen nach Belieben zerstören können. Damit die USA den Iran nicht regelmäßig bombardieren müssen, um ihn an der Wiederaufnahme seines Atomprogramms zu hindern, bräuchte es weiterhin Diplomatie. Sollte der US-Schlag jedoch nicht zur völligen Vernichtung geführt haben, könnte der Iran das Gefühl bekommen, dass er sein Atomprogramm verteidigen kann. Dann könnte Diplomatie eine Notwendigkeit sein, nicht nur die beste Wahl, und die Verhandlungen könnten für Trump schwieriger werden", meint die WASHINGTON POST.
Die japanische Zeitung ASAHI SHIMBUN kritisiert die Rhetorik des US-Präsidenten nach den Angriffen auf den Iran: "Trump hat die US-Angriffe auf die iranischen Nuklearanlagen mit den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki verglichen. Es sei im Grunde dasselbe gewesen, was den Krieg beendet habe. Das klingt, als wolle er eine Nutzung der unmoralischen Waffe namens Atombombe rechtfertigen. Ohnehin sind die Angriffe der USA auf den Iran nichts anderes als ein Verstoß gegen das Völkerrecht. Rechtsstaatlichkeit aber ist das Fundament des Friedens", mahnt die Zeitung ASAHI SHIMBUN aus Tokio.
Aus Sicht der polnischen Zeitung RZECZPOSPOLITA war der Angriff auch ... "... aus amerikanischer Sicht illegal, da der US-Kongress seine Zustimmung nicht erteilt hatte. Doch Rechtsstaatlichkeit und die Achtung der Verfassung haben für Trump keine Priorität. Dies sollte zwei weitere NATO-Mitgliedstaaten beunruhigen: Dänemark und Kanada, deren Territorien der US-Präsident begehrt", warnt die RZECZPOSPOLITA aus Warschau.
Die panarabische Zeitung AL SHARQ AL-AWDAT analysiert: "Die amerikanischen Angriffe auf das iranische Atomprogramm waren zwar erfolgreich. Sie zeigten zugleich aber auch, wie begrenzt Israels militärische Fähigkeiten sind. Denn bei seinen Plänen für den Nahen Osten ist Israel in großen Teilen auf die Unterstützung durch die USA angewiesen. Vor allem zeigt es, wie unrealistisch Netanjahus Plan war, das iranische Regime zu stürzen oder dessen ballistisches Raketenprogramm zu vernichten. All dies zwang ihn, den von US-Präsident Trump geforderten Waffenstillstand zu akzeptieren", glaubt die Zeitung AL SHARQ AL-AWDAT - sie erscheint in London.
"Die Verluste Israels, das behauptet, alle seine Ziele erreicht zu haben, dürfen nicht unterschätzt werden", notiert die türkische Zeitung KARAR aus Istanbul. "Auch wenn der Iran zunächst eine sehr schwache Verteidigung an den Tag legte, nahm seine Fähigkeit, israelische Städte mit ballistischen Raketen anzugreifen, Israel den Anschein der Unangreifbarkeit."
Der britische GUARDIAN hält fest: "Der Waffenstillstand zwischen Israel und dem Iran hat zu der Überlegung geführt, dass Benjamin Netanjahu vorgezogene Wahlen anstreben könnte - in der Hoffnung, von der aktuellen Welle des Ruhms zum Sieg getragen zu werden. Aber ohne die Freilassung der verbliebenen Geiseln der Hamas und ohne dass zumindest der Eindruck besteht, der Krieg im Gazastreifen sei beendet, wäre das schwierig. Nach wie vor ist unklar, ob sich tatsächlich etwas in Richtung eines Abkommens mit der Hamas bewegt. Doch ohne ein echtes Abkommen bleibt die Gefahr erneuter Angriffe bestehen. Es gibt keine Garantie für angemessene humanitäre Hilfe und eine Erholung Gazas ist unmöglich", resümiert der GUARDIAN aus London.
Themenwechsel. In der chinesischen Zeitung HUANQIU SHIBAO blickt ein Gastkommentar zurück auf den NATO-Gipfel in Den Haag und kommt zu dem Schluss: "Auch die Einigung auf das Fünf-Prozent-Ziel kann über die Risse innerhalb der NATO nicht hinwegtäuschen. Vor allem der französische Präsident Macron denkt laut über eine eigenständige Verteidigungsstrategie Europas nach. Von Waffen bis hin zu zu Informationssatelliten will sich Macron von amerikanischen Systemen emanzipieren. Doch dieses ambitionierte Vorhaben wird nicht von der Realität gestützt. Zumindest in seinem jetzigen Zustand ist Europa in keiner Hinsicht reif dafür", urteilt die Zeitung HUANQIU SHIBAO aus Peking.
Die norwegische Zeitung AFTENBLADET schreibt nach dem Gipfel: "Ein Trost für NATO-Generalsekretär Rutte und die Regierungschefs ist, dass Trump nur noch dreieinhalb Jahre als US-Präsident hat und längst in Rente ist, bevor das Fünf-Prozent-Ziel umgesetzt ist. Letztlich dürfte die Bereitschaft der Europäer entscheidender sein als die genaue Höhe der Ausgaben. Die Verpflichtung zu höheren Verteidigungsausgaben führt dazu, dass Europa an anderer Stelle sparen muss – und das ist das Rezept für soziale Unruhen und noch mehr Polarisierung und könnte den Zusammenhalt in der NATO wie in der EU schwächen", warnt die Zeitung AFTENBLADET aus Stavanger.
Die dänische Zeitung POLITIKEN bilanziert: "Der NATO-Gipfel hatte eine straffe Choreografie, um Trump daran zu hindern, für Probleme zu sorgen, und Generalsekretär Rutte ging in seinen Schmeicheleien so weit, den US-Präsidenten 'Daddy' zu nennen. Das mag demütigend gewesen sein, aber der Gipfel verlief nach Plan. Man könnte meinen, dass für die europäischen Staats- und Regierungschefs damit der schwere Teil des Programms überstanden gewesen wäre. Aber es folgte gleich auch noch ein EU-Gipfel in Brüssel. Die EU muss die Verantwortung für ihre eigene Sicherheit übernehmen und sich aus der Abhängigkeit eines Landes befreien, das zurzeit von einem unberechenbaren Präsidenten regiert wird", betont POLITIKEN aus Kopenhagen.
"Schon immer waren es die äußeren Umstände, die die Europäer einander näher gebracht haben", ist in DE VOLKSKRANT aus Amsterdam zu lesen. "Doch angesichts der Aggression Russlands, der Rückkehr Trumps und der Konkurrenz durch China waren diese Umstände seit langem nicht mehr so zwingend wie heute. Es ist leicht, die Uneinigkeit der Mitgliedstaaten oder die Sturheit einzelner Regierungschefs zu beklagen, die aus politischen Gründen langsamer handeln, als es erforderlich wäre. Aber mittlerweile verändert sich Europa in einem für Brüsseler Verhältnisse rasanten Tempo. Das europäische Friedensprojekt wird zunehmend zu einem Sicherheitsprojekt", konstatiert DE VOLKSKRANT aus den Niederlanden.
Wir blicken noch kurz auf den heutigen Tag. Die spanische Zeitung EL PAÍS beschäftigt sich mit der in Budapest geplanten Pride Parade: "In Ungarn ist der heutige CSD von der ultrarechten Regierung von Viktor Orbán verboten worden, und den Teilnehmenden drohen Strafen. Auf der reaktionären Agenda von Orbán und seiner Fidesz-Partei steht, die Sichtbarkeit der LGBTQ-Gemeinschaft zu reduzieren. Die Feindseligkeiten Orbáns haben nun aber Europa auf den Plan gerufen. Aktivisten vom ganzen Kontinent fahren in die ungarische Hauptstadt, darunter mindestens 70 Europa-Parlamentarier und die EU-Gleichstellungskommissarin Hadja Lahbib. Die CSD-Veranstaltungen haben sich vielerorts von ihrer ursprünglichen Bedeutung entfernt und sind zu touristischen Events geworden. Aber sie erinnern auch daran, dass Gleichheit zu den Grundlagen einer demokratischen Gesellschaft gehört. Eine Mitgliedschaft in der EU ist nicht mit Rückschritten bei Menschenrechten vereinbar", unterstreicht EL PAÍS aus Madrid, und damit endet die internationale Presseschau.