04. Juli 2025
Die internationale Presseschau

Kommentiert wird die Situation der Ukraine im russischen Angriffskrieg, nachdem die USA ihre militärische Unterstützung bis auf Weiteres eingestellt haben. Zunächst geht es aber um das Steuer- und Ausgabengesetz von US-Präsident Trump, das vom Repräsentantenhaus verabschiedet wurde.

Das Kapitol in Washington mit einer US-Flagge
Das US-Repräsentantenhaus hat das Steuer- und Ausgabengesetz von Präsident Trump gebilligt. (picture alliance / AP / J. Scott Applewhite)
Dazu schreibt die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG: "Künftige Generationen werden für den Konsum der heutigen bezahlen, entweder in Form höherer Inflation oder von Steuern. Die Republikaner handeln genauso verantwortungslos wie die Demokraten zuvor. Es ist der klassische Konflikt zwischen staatlicher Ausgabendisziplin und wachsendem Sozialstaat, und wie die meisten westlichen Industriestaaten geben auch die USA Letzterem den Vorrang. Immer mehr Personen profitieren von staatlichen Transfers oder Steuervergünstigungen und wollen nicht mehr darauf verzichten. Das hat auch der Meister-Populist Donald Trump erkannt. Er hat überhaupt kein Problem mit dem Schuldenmachen. Am Ende bekommen die Bürger von der Politik, was sie an der Urne wählen. Und das waren in den letzten Jahren jeweils steigende staatliche Transfers und Schulden. Das dürfte so lange weitergehen, bis Trumps Anhänger die bitteren Widersprüche ihrer Ideologie erkennen und sich dagegenstemmen – oder bis zur nächsten Finanzkrise", vermutet die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG.
Die japanische Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio kommt zu einer völlig anderen Interpretation des Regelwerks: "Die Profiteure des Gesetzes sind die Großverdiener und Unternehmen. Die Mittelschicht sowie die Ärmsten der US-Gesellschaft werden sogar mehr belastet. Hinzu kommt der begrenzte Effekt für eine Belebung der Konjunktur. Es wäre nicht verwunderlich, wenn sich Trumps feste Anhängerschaft von ihm abwenden wird."
Die polnische RZECZPOSPOLITA führt aus: "Alles deutet darauf hin, dass US-Präsident Trump das Regelwerk heute, am Unabhängigkeitstag, unterzeichnen wird. Dieses Gesetz wird die Vereinigten Staaten für Jahre verändern. Es gibt vor allem deshalb Anlass zu großer Sorge, weil es einen enormen Geldtransfer von den ärmsten Amerikanern zu einer kleinen Finanzelite darstellt. Es sieht für diese dauerhafte Steuererleichterungen vor, deren Wert über ein Jahrzehnt auf 4,5 Billionen Dollar geschätzt wird. Um dieses große Haushaltsloch auszugleichen, beschloss Trump, das Medicaid-Programm um eine Billion Dollar zu kürzen. Dieses Programm zahlt Subventionen an die Ärmsten in den USA. Die Gruppe der 25 Millionen Amerikaner ohne Krankenversicherung wird sich unter den neuen Bedingungen um weitere 10 bis 12 Millionen Menschen vergrößern", gibt die RZECZPOSPOLITA aus Warschau zu bedenken.
Die niederländische Zeitung TROUW notiert: "Viele Abgeordnete haben zwar keineswegs von ganzem Herzen zugestimmt, doch das ändert nichts am Ergebnis: Dass Millionen von Amerikanern bald von der staatlichen Krankenversicherung ausgeschlossen sein werden, während es gleichzeitig Hunderte von Milliarden an Steuersenkungen geben wird - wovon vor allem jene mit hohen Einkommen profitieren werden. Die Demokraten können nun durchaus etwas Hoffnung schöpfen. Denn die Art und Weise, wie dieser Gesetzentwurf schließlich seinen Weg durch beide Kammern des Kongresses fand, war alles andere als reibungslos. Wie einige republikanische Abgeordnete es wagten, sich gegen den Präsidenten zu stellen, zeigt, dass sie letztendlich immer noch an ihre Wähler denken. Und dass diese Wähler, und nicht Trump, das letzte Wort haben werden", bemerkt TROUW aus Amsterdam.
Die schwedische Zeitung AFTONBLADET ist folgender Meinung: "US-Präsident Trump hat hart darum gekämpft, seinen neuen Haushalt durch das Repräsentantenhaus zu bringen. 'The Big Beautiful Bill', wie er es nennt, ist ein Jackpot für die Spitzenverdiener des Landes. Steuersenkungen für Superreiche sowie mehr Investitionen in das Militär und in den Grenzschutz gehören zu den Reformen, von denen er gerne spricht. Wie die höheren Ausgaben finanziert werden? Vor allem durch Einschnitte bei der Krankenversicherung. 12 Millionen Amerikaner könnten demnächst ihre Versicherung verlieren. Wer davon am stärksten betroffen sein wird, ist nicht schwer vorauszusagen. Schon heute haben mehr als 25 Millionen Amerikaner keine Krankenversicherung, darunter vier Millionen Kinder. Für Menschen, die zwei Jobs haben und trotzdem nicht über die Runden kommen, wird es künftig noch schwieriger", stellt AFTONBLADET aus Stockholm fest.
Die chinesische Zeitung XINJING BAO aus Peking hält fest: "Trump feiert mit viel Eigenlob die Verabschiedung des Steuer- und Ausgabengesetzes. Doch das Paket wird den amerikanischen Schuldenberg noch einmal um 3,3 Billionen US-Dollar anwachsen lassen. Die Investoren dürften schon bald die Kreditwürdigkeit der Vereinigten Staaten in Frage stellen. Als Konsequenz könnte ihr Kapital das Land verlassen. Für die US-Gesellschaft bedeutet das Gesetz, dass ihre Ärmsten noch weniger Geld in den Taschen haben werden."
Die britische Zeitung FINANCIAL TIMES sieht es so: "Etwas mehr als fünf Monate nach seiner Vereidigung für eine zweite Amtszeit reitet US-Präsident Trump auf einer Erfolgswelle mit einer Reihe politischer Siege, darunter nun auch die Verabschiedung des Steuer- und Ausgabengesetzes. Im zurückliegenden Monat hat Trump die Bekämpfung der Einwanderung verschärft und das Militär auf die Straßen von Los Angeles beordert, Stealth-Bomberangriffe auf iranische Atomanlagen fliegen lassen und die NATO-Verbündeten dazu gebracht, sich den Forderungen der USA nach einer deutlichen Erhöhung der Verteidigungsausgaben zu beugen. Die Verabschiedung von Trumps "Big Beautiful Bill" ist das bislang deutlichste Signal dafür, dass er seine Kontrolle über die oft zerstrittene Republikanische Partei gefestigt hat." So weit die FINANCIAL TIMES aus London.
Nun zur Ukraine. Die norwegische Zeitung AFTENPOSTEN analysiert: "Noch kürzlich signalisierte Trump beim NATO-Gipfel in den Haag, dass die Ukraine mehr amerikanische Waffen erhalten sollte, darunter das Patriot-Raketenabwehrsystem. Der Präsident führte auch Gespräche mit Selenskyj, während er in den Niederlanden war. Beide erklärten im Anschluss, es sei eine sehr positive Begegnung gewesen. Nun aber heißt es aus den USA, dass es bei den Lieferungen mehrerer Waffengattungen an die Ukraine eine Pause gibt, darunter bei Patriot-Systemen, Artillerie und Raketen. Der Grund ist laut dem Pentagon, dass es um die eigenen Waffenlager schlecht bestellt ist. Das US-Verteidigungsminister hat die Lager seit Monaten inspiziert. Das hätte Trump wissen müssen, als er sich in Den Haag äußerte. Die Kehrtwende der USA ist übel für die Ukraine. Sie braucht eine starke Luftabwehr zur Verteidigung gegen russische Drohnen und Raketen", unterstreicht AFTENPOSTEN aus Oslo.
Die aserbaidschanische Zeitung MÜSAVAT wirft ein: "Die Trump-Administration konnte einen wesentlichen Teil ihrer Pläne zur Beendigung des Ukraine-Krieges noch nicht umsetzen. Zwar hat sie ein Abkommen zur Ausbeutung der Bodenschätze in der Ukraine unterzeichnet, doch ist dieses wegen des Krieges derzeit noch weit von einer Umsetzung entfernt. Daher ist es für den profitorientierten Trump von großer Bedeutung, den Ukraine-Krieg um jeden Preis zu beenden. Die NATO-Mitgliedsstaaten der Europäischen Union teilen diese Position der USA jedoch nicht. Die EU ist daran interessiert, Russland im Kriegssumpf in der Ukraine vollständig zu schwächen", stellt MÜSAVAT aus Baku klar.
Die italienische Zeitung LA STAMPA blickt auf das gestrige Telefonat zwischen US-Präsident Trump und dem russischen Staatschef Putin: "Der direkte Draht zwischen Washington und Moskau dient auch dazu, die Europäer im gegenseitigen Einvernehmen auszuschließen. So sieht sich Kiew mit einer unheilvollen Kombination aus militärischem Druck Russlands, aus strategischem Desinteresse der USA und aus unzureichender Hilfeleistung Europas konfrontiert. Für die Ukraine ist dies die schwierigste Phase in dreieinhalb Jahren Krieg." Das war zum Ende der internationalen Presseschau LA STAMPA aus Turin.