14. Juli 2025
Die internationale Presseschau

Mit Stimmen zu den angekündigten US-Zöllen auf Importe aus der EU und zur Lage in Nahost.

„Nächster Top 10 - Wahl eines Richters des Bundesverfassungsgerichts“ ist auf der Anzeigetafel im Bundestag zu lesen.
Die Vertagung der Richterwahl wurde auch im Ausland zur Kenntnis genommen. (picture alliance / dpa / Kay Nietfeld)
Zunächst geht aber DER STANDARD aus Österreich auf die Krise in der deutschen Regierungskoalition nach der vertagten Verfassungsrichterwahl ein: "Normalerweise winkt der Bundestag die Vorschläge durch. Doch diesmal krachte es gewaltig, weil zu viele aus der Union plötzlich SPD-Kandidatin Brosius-Gersdorf ablehnten und dann die ganze Wahl abgeblasen wurde. Bemerkenswert an diesem Vorgang ist, dass die schwarz-rote Koalition erst seit gut zwei Monaten im Amt ist. Und jetzt ist schon der dritte große Patzer zu vermelden. Zuerst wurde Merz im Bundestag erst im zweiten Wahlgang zum Kanzler gewählt. Dann brach Schwarz-Rot das Versprechen, die Stromsteuer auch für Haushalte zu senken. Nun zeigte Unions-Fraktionschef Spahn, wie man eine Wahl nicht organisiert. Zuerst vermeldete er Zustimmung zum SPD-Vorschlag, dann wurde es doch nichts. Spahn hat den Widerstand in den eigenen Reihen entweder nicht gesehen oder unterschätzt – oder ganz bewusst in Kauf genommen. Es bleibt der Eindruck eines zerstrittenen Koalitionshaufens", notiert DER STANDARD aus Wien.
Nun zum Zollstreit zwischen den USA und der EU. Der britische TELEGRAPH fasst die jüngsten Entwicklungen so zusammen: "Brüssel hat in letzter Minute von seinen Plänen Abstand genommen, Vergeltungszölle in Höhe von 21 Milliarden Euro gegen die USA zu verhängen, nachdem US-Präsident Trump gedroht hatte, die Europäische Union mit 30-Prozent-Abgaben zu bestrafen. Das verschafft den Verhandlungsführern in Brüssel mehr Zeit für ihre Bemühungen um ein Handelsabkommen mit den USA. EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen sagte: 'Wir haben immer klar zum Ausdruck gebracht, dass wir eine Verhandlungslösung vorbereiten'. Ihre Äußerungen stellen eine deutliche Änderung im Tonfall der EU dar, die bisher versucht hatte, gegenüber dem US-Präsidenten eine harte Linie zu fahren", vermerkt THE TELEGRAPH, der in London erscheint.
Die chinesische Zeitung JIEFANG RIBAO vermutet: "Auch die Uneinigkeit innerhalb den EU-Staaten könnte die Verhandlungsposition gegenüber Washington geschwächt haben. Eine spätere Einigung ist nicht ausgeschlossen. Aber dafür müsste Europa mehr nachgeben als Amerika. Denn anders als etwa im Fall Chinas sind die Handelsgüter der europäischen Staaten relativ einseitig und nicht unersetzbar. Auch die Abhängigkeit in der Verteidigung könnte die Europäer dazu zwingen, auf manchen Vorteil im Handel zu verzichten. Falls keine Einigung zustande kommt, würde das nicht nur die transatlantischen Beziehungen destabilisieren, sondern auch die globale Wirtschaft und die Finanzmärkte hart treffen", prophezeit JIEFANG RIBAO aus Schanghai.
Der TAGESANZEIGER aus der Schweiz meint, mit der jüngsten Eskalation verschiebe sich die Debatte in der Europäischen Union: "Ins Zentrum rückt die Frage, mit welchen Gegenmaßnahmen die EU Trump drohen soll für den Fall, dass dieser am 1. August die neuen Zölle einseitig in Kraft setzt - ohne 'Deal'. Die bisher vorbereiteten Maßnahmen werden dann nicht mehr genügen. Erwogen wird nun die gesamte Palette möglicher Vergeltung: neue Zölle auf digitale Dienstleistungen etwa, aber auch drastische Exportbeschränkungen im Rahmen eines erst Ende 2023 geschaffenen Instruments gegen 'wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen", hält der TAGES-ANZEIGER aus Zürich fest.
Die polnische RZECZPOSPOLITA greift die Idee einer europäischen Digitalsteuer auf. "Eine solche Abgabe würde die amerikanischen Big Tech-Unternehmen ermutigen, ihren Präsidenten von einem Zollkrieg mit der EU abzubringen. Sie machen in Europa hervorragende Geschäfte. Unterdessen herrscht in Europa die allgemeine Auffassung, dass die großen US-Technologieunternehmen ihre Gewinne nicht ausreichend mit uns teilen. Eine Digitalsteuer sollte da Abhilfe schaffen. Das so eingenommene Geld würde es den europäischen Ländern zudem erleichtern, höhere Verteidigungsausgaben zu finanzieren – eine Strategie, die Trump fördert. Er müsste also eigentlich erfreut sein", heißt es in der RZECZPOSPOLITA aus Warschau.
Die italienische Zeitung LA STAMPA sieht – Zitat – "politisch-ideologische und egoistische Motive" hinter Trumps Zollandrohungen. "Die Vorstellung von internationalen Beziehungen, die vom 'Recht des Stärkeren' geprägt sind, die kulturelle Abneigung gegen alles, was das europäische Modell repräsentiert, der narzisstische Wunsch, sich nach dem Rückzieher im April, zu dem ihn die selbst verursachten Turbulenzen auf den Märkten gezwungen hatten, wieder als entschlossener 'Superman' dazustehen. All dies sind Gründe, die uns klar machen sollten, dass der derzeitige US-Präsident leider nicht der Anführer der freien Welt ist, sondern ein Gegenspieler des gesamten Westens", meint LA STAMPA aus Turin.
Der australische SYDNEY MORNING HERALD beobachtet: "Donald Trump hat die Europäische Union vor ein Dilemma gestellt. Soll sie kapitulieren oder kämpfen? Die Entscheidung, die sie trifft, könnte auch Auswirkungen auf die Zukunft des Welthandels haben. Trumps wahllose Drohungen mit Handelssanktionen gegen Amerikas Freunde und Feinde haben ein Wettrennen der EU und anderer um neue Märkte ausgelöst. Möglicherweise entsteht am Ende ein neuer Handelsblock, der Europa, den nicht-chinesischen Asien-Pazifik-Raum und Lateinamerika umfasst", überlegt der SYDNEY MORNING HERALD, und so viel zu diesem Thema.
Nun nach Nahost. Die panarabische Zeitung AL QUDS AL-ARABY kommentiert die indirekten Waffenstillstandsverhandlungen zwischen Israel und der Hamas in Katar, die dem Vernehmen nach ins Stocken geraten sind. "Dies gründet auf israelischer Seite vor allem auf dem heftigen Widerstand innerhalb der rechtsextremen Regierungskoalition. Israels Premier Netanjahu steht hingegen einerseits unter dem Druck der Familien der Geiseln und internationaler Partner, die eine Deeskalation der Lage anstreben. Andererseits befürchtet er das Ende seiner fragilen Koalition, sollte er das Abkommen ohne die Unterstützung der nationalistischen Rechten durchziehen. Oppositionsführer Lapid hat vorgeschlagen, das Sicherheitsabkommen mit der Hamas über das Parlament zu ermöglichen, wodurch die Stimmen der Extremisten nicht länger notwendig wären. Netanjahu lehnt auch das ab. Das zeigt, wie sehr er den Zerfall seiner Koalition und eine Verschärfung der innenpolitischen Krise fürchtet", konstatiert AL QUDS AL-ARABY mit Sitz in London.
Die niederländische Zeitung DE VOLKSKRANT schreibt zur Vereinbarung zwischen der EU und Israel über Hilfslieferungen für den Gazastreifen: "Wenn wirklich mehr Hilfe nach Gaza gelangt, ist das ein diplomatischer Erfolg für die EU-Außenbeauftragte. Es zeigt sich, dass der Druck der EU wirkt. Israel hat Zugeständnisse erst gemacht, nachdem Brüssel mit der Aussetzung von Handelsvorteilen gedroht hatte. Diesen Druck muss die EU aufrecht erhalten, damit Israel mehr Hilfe zulässt und die Bewohner Gazas ausreichend mit Lebensmitteln, Treibstoff und anderen Grundbedarfsgütern versorgt werden. Weiterhin sollte sie Israel klarmachen, dass der Krieg so schnell wie möglich beendet werden muss", verlangt DE VOLKSKRANT aus Amsterdam.
Zum Schluss befasst sich eine Gast-Kommentatorin in der japanischen NIHON KEIZAI SHIMBUN mit dem neuen Freihandelsabkommen, auf das sich die EU und Indonesien am Wochenende geeinigt haben. "EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen deutet damit an, dass für Brüssel der globale Freihandel auch ohne die USA möglich ist. Natürlich haben die Verhandlungen mit Indonesien lange gedauert, aber der Zeitpunkt der Bekanntgabe ist optimal gewählt. 'Offene, regelbasierte Zusammenarbeit, Stärkung der Lieferketten' und gemeinsame Werte wie Demokratie, Menschenrechte und Rechtstaatlichkeit sollen die Grundlage für diese strategische Partnerschaft darstellen. Mit dieser Rhetorik hat von der Leyen wohl nicht nur die Verhandlungen mit Washington, sondern auch ihren Besuch in Peking in der kommenden Woche im Hinterkopf", heißt es in NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio, und damit endet die Internationale Presseschau.