
Die polnische Zeitung RZECZPOSPOLITA stellt fest, die Ansprache wurde von "Vertretern vieler Länder boykottiert – sie verließen den Saal. Doch neben den Israelis, von denen nach Netanjahus Meinung über 90 Prozent einen palästinensischen Staat ablehnen, hatte die Rede ein wichtiges Publikum: die Amerikaner. Am Montag trifft sich der israelische Regierungschef mit Donald Trump. Vor Netanjahus UNO-Rede hatte der US-Präsident angekündigt, ihm die Annexion des besetzten Westjordanlands nicht zu gestatten. Das wiederum könnte die Rache der israelischen Regierung für die Anerkennung eines palästinensischen Staates durch Länder wie Großbritannien, Frankreich und Kanada sein", vermutet RZECZPOSPOLITA aus Warschau.
Die türkische Zeitung YENI ŞAFAK aus Istanbul fragt mit Blick auf das Treffen von Netanjahu und dem US-Präsidenten am Montag in Washington: "Wird Trump sein Versprechen halten? Kann er das überhaupt? Wird er die Lage richtig einschätzen und Maßnahmen ergreifen? Das ist unklar. Betrachtet man jedoch die bisherigen Entwicklungen insgesamt, so zeigt sich, dass die Palästina-Frage heute eine weltweit anerkannte und bekannte Angelegenheit ist. Die diesjährige Generalversammlung der Vereinten Nationen war ein Meilenstein in diesem Prozess", urteilt YENI ŞAFAK.
Der Gastkommentator der japanischen Zeitung ASAHI SHIMBUN aus Tokio bilanziert: "Mit seiner Rede in New York zeigte Netanjahu, dass er nicht vorhat, die internationale Gemeinschaft zu überzeugen. Sie richtete sich lediglich an die Menschen in Israel, die sich selbst nur noch als Opfer betrachten. Und natürlich an die Unterstützer in den USA, die glauben, Israel mache alles richtig."
Die arabischsprachige Zeitung AL QUDS AL-ARABY mit Sitz in London verweist auf den Umstand, dass der "palästinensische Präsident Mahmud Abbas nicht in die Vereinigten Staaten einreisen durfte und darum gezwungen war, seine Rede digital zu halten. Netanjahu hingegen konnte wilde Drohungen aussprechen."
Die spanische Zeitung EL MUNDO glaubt, die Rede Netanjahus habe die "diplomatische Isolierung Israels verdeutlicht, verschärft durch den kämpferischen Ton des Ministerpräsidenten und das völlige Fehlen eines konkreten Plans für Gaza und das Westjordanland. Während das schreckliche Massaker an Zivilisten und die verheerende Hungersnot die Welt erschüttern, skizzierte Netanjahu nicht einmal ansatzweise eine Perspektive der Hoffnung für Palästinenser oder der Sicherheit für Israelis", schreibt EL MUNDO aus Madrid.
Die chinesische Zeitung HUANQIU SHIBAO hält Veränderungen bei den Vereinten Nationen für notwendig: "Die internationale Gemeinschaft steht vor der Realität, dass das alte Modell nicht mehr zeitgemäß und dringend reformbedürftig ist. Denn die Interessen beispielsweise des Globalen Südens sind nicht mehr ausreichend vertreten. Erneuerung bedeutet nicht, die UNO abzuschaffen und einen Ersatz dafür einzurichten, wie manche es offenbar gerne hätten. Die Konflikte und Probleme zwischen Staaten können nur gemeinsam angegangen und gelöst werden." Das war HUANQIU SHIBAO aus Peking.
Themenwechsel. Die finnische Zeitung AAMULEHTI aus Tampere geht auf die Vorfälle mit Drohnen an Flughäfen in Skandinavien ein. Das Blatt vermutet: "Russland testet die NATO-Luftabwehr und das deutet darauf hin, dass Russland seinen Hybrid-Krieg ausweiten will. Putin glaubt noch immer an einen Sieg und will die 'Koalition der Willigen' spalten. Aber die Ukraine wird ihren Verteidigungskampf nicht einstellen, und ebenso wenig werden die Europäer der Ukraine ihre Hilfe entziehen. Die russische Kriegswirtschaft kann noch eine Weile durchhalten, aber sie arbeitet sich selbst zu Tode. Sie produziert nichts für den Export, sondern beschleunigt die Inflation und verschärft den Arbeitskräftemangel. In ihrem Abwehrkampf zerstört die Ukraine außerdem zunehmend die Ölindustrie und damit Russlands wichtigste Einnahmenquelle. Die Unterstützung Russlands durch China oder Nordkorea ändert nichts an dieser Formel, sondern zögert die Niederlage nur hinaus", ist sich AAMULEHTI sicher.
"Das eigentliche Dilemma der NATO ist es, zwischen Abschreckung und Deeskalation balancieren zu müssen", betont die Schweizer Zeitung BZ: "Strategische Ambiguität ist dabei Teil ihrer Stärke. Entschlossenheit zeigen – ohne sich festzulegen. Wer öffentlich ankündigt, was er beim nächsten Mal tun wird, verliert dagegen seinen Handlungsspielraum. Man gibt die Kontrolle über die Eskalation unnötig aus der Hand. Und genau das wäre in Putins Sinn. Das Perfide ist: Schon nur die öffentliche Debatte, wie die NATO reagieren soll, spielt Russland in die Karten. Es zeigt die Risse in der Allianz und lässt sie damit schwach aussehen. Schon wieder befinden wir uns mitten in einem von Putins Psychospielen, die der Ex-KGB-Agent seit Jahren mit dem Westen betreibt", analysiert BZ aus Basel.
Die russische Zeitung KOMMERSANT aus Moskau beschäftigt sich mit der morgigen Parlamentswahl in Moldau, das seit 2022 EU-Beitrittskandidat ist: "Der Hauptkampf wird, wie schon vor fünf Jahren, zwischen der pro-europäischen Regierungspartei und den mit Russland verbündeten Kräften ausgetragen. Die beiden führenden Kandidaten liegen Kopf an Kopf und werfen sich gegenseitig immer wieder vor, das Heimatland an seine Feinde 'ausverkaufen' zu wollen. Einen klaren Favoriten gibt es nicht. Die wichtigste Schlussfolgerung aus den jüngsten Meinungsumfragen vor der Wahl ist, dass es wohl keinen klaren Sieger geben wird. Das bedeutet, dass das künftige Kabinett definitiv eine Koalition sein wird. Die Situation, dass russlandtreue Linke und pro-westliche Konservative etwa gleich viele Stimmen erhalten, ist nichts Neues. Dies war bereits 2019 der Fall“, gibt der KOMMERSANT zu bedenken.
Die norwegische Zeitung AFTENPOSTEN aus Oslo hebt hervor, schon bei den Präsidentschaftswahlen in Moldau habe Russland "massiv Einfluss genommen. Es gab Unmengen Propaganda, Bombendrohungen gegen Wahllokale und massiven Stimmenkauf. Auch jetzt ist Russland im Wahlkampf präsent. Von Moskau finanzierte Netzwerke rekrutieren, trainieren und bezahlen Leute, um Unzufriedenheit und Desinformation zu verbreiten. Für die Moldauer ist das eine Schicksalswahl. Gibt es eine Mehrheit für das russlandfreundliche Lager, entgleist der Zug in Richtung Westen. Aber es geht nicht nur um eines der kleinsten und ärmsten europäischen Länder. Die Warnung der europafreundlichen Präsidentin Maia Sandu ist glasklar: Moldau ist für Russland ein Versuchskaninchen - das eigentliche Ziel ist Europa. Die Methoden, mit denen Putin die Wahl in Moldau stiehlt, können auch anderswo zum Einsatz kommen. Und ein aus Moskau ferngesteuertes Moldau ist nicht nur beunruhigend für die Ukraine und Rumänien, sondern wäre ein Rückschritt für Europa", mahnt AFTENPOSTEN.
Die rumänische Zeitung EVENIMENTUL ZILEI aus Bukarest stellt fest: "Moskau hat hunderte Millionen Dollar in prorussische Parteien gepumpt, und es wurden die Oligarchen und ihre Leute mobilisiert, um den Wahlprozess zu beeinflussen. Russland verfolgt damit das Ziel, die kleine Republik zu einer Bedrohung an der Ostflanke der NATO werden zu lassen. Es ist nicht das erste Mal, dass der Kreml auf diese Taktik setzt. So versuchte Moskau durch die Unterstützung des prorussischen Politikers Wiktor Janukowitsch, die Kontrolle über die Ukraine zu übernehmen. Was dagegen neu ist, ist der massive Einsatz von sozialen Netzwerken wie TikTok, X und Telegram. Das alles erhöht die Spannungen vor der morgigen Wahl, denn ein russischer Sieg steht noch nicht fest. Aber wir werden künftig mit weiteren Versuchen rechnen müssen - zum Beispiel in Serbien", prophezeit EVENIMENTUL ZILEI zum Ende der internationalen Presseschau.