24. Oktober 2025
Die internationale Presseschau

Kommentiert wird unter anderem das Inkrafttreten der Charta der Vereinten Nationen vor 80 Jahren. In vielen Zeitungen geht es außerdem um die US-Sanktionen gegen Russland und den EU-Gipfel, bei dem eine Entscheidung über die Verwendung eingefrorener russischer Gelder ausgeblieben ist.

Der ukranische Präsident Selenskyj steht an einem Rednerpult und trägt ein schwarzes Hemd sowie ein schwarzes Sakko. Hinter ihm eine blaue Wand mit dem Logo des Gipfels in weißer Schrift.
Der ukranische Präsident Selenskyj beim EU-Gipfel in Brüssel. (IMAGO / dts Nachrichtenagentur / IMAGO / dts Nachrichtenagentur)
Die Einigung sei an mangelnder Koordination zwischen den EU-Mitgliedstaaten gescheitert, schreibt die japanische Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN: "Belgien bleibt wegen juristischer Risiken zurückhaltend. Denn in dem Land sitzt das Finanzinstitut Euroclear, bei dem der Großteil der eingefrorenen russischen Vermögen verwahrt liegt. Die belgische Regierung hat offenbar Bedenken, dass die Vertrauenswürdigkeit des Instituts und schließlich auch des Staates selbst beschädigt werden könnte. Wie viele Risiken das beispiellose Verfahren tatsächlich mitbringen würde, ist kaum einzuschätzen", stellt NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio fest.
Die schwedische Zeitung DAGENS NYHETER meint: "Nach internationalem Gesetz hat die Ukraine das Recht auf große Teile dieser Gelder als Reparationszahlung für die enormen russischen Zerstörungen. Es fällt schwer, sich eine bessere Verwendung vorzustellen, als das Geld der Ukraine zu geben. So bekommt Präsident Selenskyj die Chance, weitere Zerstörungen und Tod in seinem Land zu verhindern", kommentiert DAGENS NYHETER aus Stockholm.
US-Präsident Trump hat Sanktionen gegen die russischen Unternehmen Rosneft und Lukoil verhängt. Die NEW YORK TIMES beobachtet: "Die Haltung von Präsident Trump gegenüber Russland hat sich in der letzten Woche stark gewandelt. Zuerst kündigte er ein Treffen mit Putin in Budapest an, sagte dieses dann jedoch abrupt ab und verkündete schließlich neue Sanktionen. Es sind die direktesten Strafmaßnahmen, die Washington seit Trumps Amtsantritt im Januar gegen Russland verhängt hat und die strengsten seit Kriegsbeginn. Frühere Sanktionen richteten sich gegen andere Bereiche des Energiesektors, etwa gegen die sogenannte Schattenflotte. Aber keine dieser Maßnahmen hat Russland wirklich geschadet und Experten sagen auch diesmal nur geringe Auswirkungen voraus", notiert die NEW YORK TIMES.
"Die Maßnahmen gegen Rosneft und Lukoil sind Trumps bisher konkreteste Drohung an Putin", stellt auch die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG fest. "Die einmonatige Übergangsfrist legt nahe, dass der US-Präsident dem russischen Machthaber Zugeständnisse entlocken will. Verhandlungstaktisch ist das klug – sofern die US-Regierung glaubwürdig bleibt und die Sanktionen auch umsetzt."
THE TIMES aus London geht davon aus, dass die Sanktionen der russischen Wirtschaft schaden können, lenkt aber ein: "Es ist unwahrscheinlich, dass Putin damit zu Verhandlungen gezwungen wird, wenn keine weitergehenden Maßnahmen folgen. Um den Krieg in der Ukraine zu beenden, braucht es nach Einschätzung von Analysten sekundäre Sanktionen gegen Länder wie China und Indien, die russisches Öl kaufen. China und Indien hatten die EU-Staaten rasch als größte Abnehmer von russischem Öl abgelöst. Damit tragen sie dazu bei, die Kriegswirtschaft Russlands am Laufen zu halten", erklärt die britische Zeitung THE TIMES.
DE TIJD aus Brüssel führt an: "Der Erfolg der Sanktionen hängt entscheidend davon ab, ob Trump bei seiner Haltung bleibt und wie konsequent die Regierung die Maßnahmen umsetzt. Aber dass kein Land so viel Druck auf Putin ausüben kann wie die USA, wurde bereits an der Reaktion der Märkte deutlich: Der Ölpreis stieg prompt um 5 Prozent, wohingegen es fast unbemerkt blieb, dass die EU zum gleichen Zeitpunkt ihr mittlerweile 19. Sanktionspaket gegen Russland verabschiedete", gibt die belgische Zeitung DE TIJD zu bedenken.
"Donald Trump befindet sich auf einer Achterbahnfahrt", liest man in der italienischen Zeitung LA REPUBBLICA: "Er schwankt weiterhin zwischen einer fatalen Anziehungskraft Putins und der Frustration, sich jedes Mal verspottet zu fühlen, wenn er glaubt, ihn überzeugt zu haben. Nun scheint der US-Präsident auf Rache zu sinnen. Die Frage ist, wie lange Trump, besessen vom Friedensnobelpreis, in diesem Modus verharren wird. Bis zu Putins nächstem Anruf? Putin versucht, ihm Honig ums Maul zu schmieren, während er vor Ort Zähne zeigt. Europa könnte Trumps fragile Stimmung beeinflussen. Doch wie üblich ist die EU uneins und streitet über alles, auch über die Verwendung eingefrorener russischer Gelder, die für den Widerstand der Ukraine von entscheidender Bedeutung wären", kritisiert LA REPUBBLICA aus Rom.
In einem Gastkommentar in der finnischen Zeitung HELSINGIN SANOMAT wird ein bestimmterer Umgang mit Russland angemahnt: "Im Westen ist mittlerweile hinlänglich bekannt, dass Russlands politische Kultur auf der Anwendung von Gewalt basiert. Und es ist deutlich geworden, dass Moskaus Kompromissbereitschaft steigt und nicht abnimmt, wenn Gegner ebenfalls zu einer Politik der Gewalt greifen. Um Russland zu Kompromissen zu bewegen, braucht man Einfluss - und man muss auch bereit sein, ihn zu nutzen. Bloße Rhetorik reicht nicht aus", heißt es in HELSINGIN SANOMAT aus Helsinki.
Die polnische Zeitung RZECZPOSPOLITA kommentiert das Eindringen russischer Flugzeuge in den litauischen Luftraum: "Putin hat immer mehr Gründe, verärgert zu sein. Und man fragt sich unweigerlich, was passieren würde, wenn ein verärgerter Putin russischen Flugzeugen befiehlt, nicht nach wenigen Sekunden über einem Land an der Ostflanke der NATO zu verschwinden, sondern länger zu verharren. Lange genug, um den Militärführern und Kommandeuren Zeit für eine ernsthafte Entscheidung zu geben. Lange genug, um nicht so zu tun, als handele es sich um ein zufälliges Eindringen oder einen bedauerlichen Fehler. Putin deutet an, dass die Schläge, die er vom Westen erhält, ihn ermutigen, seine Grenztestungen auszuweiten. Wir würden wir damit umgehen?", fragt RZECZPOSPOLITA aus Warschau.
Vor 80 Jahren ist die Charta der Vereinten Nationen in Kraft getreten. Anlass für die chinesische Zeitung JIEFANG RIBAO, die Organisation zu loben: "Seit der Gründung sind die Vereinten Nationen ihrem ursprünglichen Auftrag, Frieden zu schaffen, Entwicklung zu fördern und Menschenrechte zu schützen, treu geblieben. Mehr denn je ist die Welt jedoch gespalten und von Interessenkonflikten zwischen den nationalen Staaten bedroht. Deshalb sollte dieses Jubiläum der UNO besonders feierlich zelebriert werden. Nur dort kann die Weltgemeinschaft Herausforderungen wie den Klimawandel oder die Armutsbekämpfung meistern", glaubt JIEFANG RIBAO aus Schanghai.
Ganz im Gegensatz dazu bemerkt die indische Zeitung MILLENNIUM POST: "Das Gründungsziel der Vereinten Nationen war der Weltfrieden, aber ihre tatsächliche Geschichte ist eine lange Liste von Misserfolgen. Bei der russischen Invasion in der Ukraine machte das Veto Russlands die UNO handlungsunfähig. Im jüngsten Gaza-Krieg nutzten die USA ihr Veto 53 Mal zugunsten Israels, wodurch Waffenstillstandsvorschläge scheiterten. Diese Vorfälle verdeutlichen die größte Schwäche der UNO – das Vetorecht der fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats, also der USA, Russlands, Chinas, Großbritanniens und Frankreichs", argumentiert MILLENNIUM POST aus Neu-Delhi.
Zum Schluss noch ein Kommentar aus der türkischen Zeitung EVRENSEL zu den umstrittenen Äußerungen von Bundeskanzler Merz über das Stadtbild in Deutschland: "Was Merz tut, ist nichts anderes, als die Rhetorik der AfD zu kopieren. Obwohl Merz' Aussage zunächst nur auf Geflüchtete zuzutreffen scheint, gilt sie in Wirklichkeit für alle Zuwanderer. Denn zu denjenigen, die angeblich das 'Stadtbild' verderben, gehören alle, die nicht 'deutschstämmig' sind. In einer Zeit, in der die AfD, Merz und andere behaupten, dass die 20 Millionen Migranten - darunter mehr als drei Millionen Menschen türkischer Herkunft - nicht zu Deutschland gehören, sind ebendiese Migranten in vielen Lebensbereichen ein fester Bestandteil des Landes. Die veränderten Stadtbilder sind das Deutschland von heute", hält EVRENSEL aus Istanbul fest. Und damit endet die internationale Presseschau.