
Die polnische Zeitung RZECZPOSPOLITA schreibt: "Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union haben beschlossen, der Ukraine in den Jahren 2026 und 2027 90 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen. Die Entscheidung fiel nach stundenlangen Beratungen über die Details eines Reparationskredits, der auf eingefrorenen russischen Vermögenswerten basieren sollte. Der Plan der EU-Kommission hatte sich als zu komplex und politisch schwierig erwiesen, um in der ursprünglichen Fassung entschieden zu werden. Man ging daher in den Modus 'Gesichtswahrung' über. Das Hauptproblem bei der Nutzung russischer Vermögenswerte bestand darin, ausreichende Garantien für Belgien zu gewährleisten, das 185 der 210 Milliarden Euro an eingefrorenen russischen Vermögenswerten in Europa hält. Es gab so viele offene Fragen zum Reparationskredit, dass man auf Plan B umsteigen musste", heißt es in der RZECZPOSPOLITA aus Warschau.
Die britische TIMES folgert: "Der Kompromiss war ein Sieg für den belgischen Ministerpräsidenten Bart De Wever, nachdem Deutschland und Polen mit einem 'Plan B' ausmanövriert worden waren, den zuerst Frankreich und Italien unterstützt hatten. Bundeskanzler Friedrich Merz hatte sich seit September für die Beschlagnahmung der eingefrorenen Vermögenswerte Russlands zur Finanzierung der Ukraine eingesetzt - was Belgien und andere Länder erschreckte, die finanzielle Turbulenzen befürchteten", erläutert die TIMES aus London.
Auch die in Rom erscheinende Zeitung LA REPUBBLICA konstatiert: "Eine politische Niederlage für Ursula von der Leyen und Friedrich Merz, die bis zuletzt darauf gedrängt hatten, die Ressourcen aus den Vermögenswerten Moskaus zu nutzen. In Bezug auf die russischen Vermögenswerte wird die Kommission ihre technische Prüfung fortsetzen, um zu klären, ob dies in den kommenden Monaten zu einer praktikablen Option werden könnte. Vorerst jedoch wird sie auf unbestimmte Zeit vertagt und faktisch ad acta gelegt", glaubt LA REPUBBLICA aus Italien.
Die schwedische Zeitung AFTONBLADET meint zu dem zinslosen Kredit für die Ukraine: "Das ist sowohl eine gute als auch eine schlechte Nachricht. Gut, weil die Ukraine das Geld dringend braucht. Schlecht, weil man sich nicht darauf einigen konnte, die eingefrorenen russischen Vermögenswerte zu verwenden. Und beunruhigend, weil es zeigt, dass es Europa noch immer an Krisenbewusstsein mangelt", urteilt das AFTONBLADET aus Stockholm.
Die türkische Zeitung BIRGÜN sieht ein anderes Vorhaben zum Scheitern verurteilt, nämlich die der Ukraine zu Beginn der Woche von mehreren europäischen Staaten als Sicherheitsgarantie in Aussicht gestellte Friedenstruppe - denn: "Es gibt keine konkreten Informationen darüber, wie diese internationale 'Friedenstruppe', an der die USA nicht teilnehmen, organisiert sein könnte. Unklar ist auch, ob Deutschland, das schon jetzt über zu wenige Soldaten verfügt, tatsächlich in der Lage sein wird, sich einer solchen Truppe anzuschließen. Der wichtigste Grund, der dagegen spricht, ist aber die Ablehnung Russlands. Moskau wird niemals akzeptieren, dass NATO-Länder Truppen in die Ukraine entsenden", ist die Zeitung BIRGÜN aus Istanbul überzeugt.
Themenwechsel. Die US-amerikanische Zeitung USA TODAY resümiert nach der Rede von Präsident Donald Trump zur Lage der Nation: "Trump hielt eine Wahlkampfrede in roboterhafter Manier, mit der er die Amerikaner an seine Erfolge im ersten Jahr seiner zweiten Amtszeit erinnern wollte. Trump streute viele seiner charakteristischen Superlative ein, ohne sie mit Optimismus anzureichern. In seinen Ausführungen dominierte das Thema Bezahlbarkeit, in Anerkennung der anhaltenden Sorgen der Wähler über Inflation und hohe Preise. Doch statt dem Land zu versichern, dass bessere Zeiten bevorstehen, schien er die Bürger für ihre mangelnde Geduld zu tadeln. Das war nicht der Ton, den das Land gebraucht hat", findet die Zeitung USA TODAY mit Sitz in New York.
"Trumps Rede an die Nation lässt sich in einem Satz zusammenfassen", notiert die dänische Zeitung POLITIKEN. "18 Minuten Redezeit und dafür viele Stunden Arbeit für die Faktenchecker. Trumps Sicht auf die Welt besteht darin, dass sein Vorgänger Joe Biden an allem Schlimmen schuld ist und Trump sich alles Positive ans Revers heften kann. Er betonte den wirtschaftlichen Aufschwung, aber die Realität sieht für viele Amerikaner anders aus. Selbst der Trump-freundliche Sender Fox News bezeichnete die Kampagne der Demokraten als gelungen, auf Preiserhöhungen und gestiegene Immobilienpreise hinzuweisen. Die Rede dürfte die Demokraten in ihrer Ansicht bestärken, an dieser Strategie festzuhalten, denn sie können sich jedes Mal freuen, wenn Trump etwas sagt, das im Widerspruch zum Alltag der Verbraucher steht. Die USA sind zutiefst gespalten: Die eine Seite glaubt Trump, und die andere glaubt den Medien, die seine Behauptungen widerlegen. Wie groß die Seiten jeweils sind und wie hoch ihre Beteiligung an den Wahlen ist, wird entscheidend für die Zukunft der USA sein", vermutet POLITIKEN aus Kopenhagen.
Die spanische Zeitung EL PAÍS ergänzt: "Wahrheit ist für den US-Präsidenten schon lange ein dehnbarer Begriff. Schließlich waren es seine Berater, die für ihre Lügen den Begriff der 'alternativen Fakten' prägten. Trump scheint wie besessen davon, mit seinem Vorgänger abzurechnen. Er behauptete, in Bidens Amtszeit hätten sich die USA in den Händen illegaler Immigranten, Verbrecher, Lobbyisten und Terroristen befunden - natürlich ohne den geringsten Beweis vorzulegen. Die militärische Eskalation gegenüber Venezuela wurde von ihm nur nebenbei erwähnt, obwohl sich sowohl die Amerikaner als auch der Rest der Welt gerade fragen, was Donald Trump als Nächstes vorhat. Das gilt auch für den tatsächlichen Stand und die Folgen des von ihm ausgelösten Handelskriegs oder für die Enthüllungen zum Fall des Sexualstraftäters Jeffrey Epstein. Die Rede des Präsidenten war nicht nur wirr vorgetragen, sondern überging auch alle diese Fragen und die tatsächlichen Sorgen der Amerikaner wie die gestiegenen Lebenshaltungskosten - Trump in Reinform also", bilanziert EL PAÍS aus Madrid.
Die chinesische Zeitung JIEFANG RIBAO analysiert: "Außer Eigenlob und Schuldzuweisungen war in der Rede nichts Neues zu erfahren. Nach fast einem Jahr im Amt macht Trump seinen Vorgänger Biden immer noch für alle Probleme im Land verantwortlich. Das kann die amerikanischen Wähler nicht überzeugen. Sie durchschauen auch seine Übertreibungen bezüglich der wirtschaftlichen Erfolge. Schließlich wissen sie, wie hart ihr Alltag ist und wie wenig sie am Monatsende in der Tasche haben. Wenn die Lage wirklich gut wäre, wäre Trump gelassener und spontaner aufgetreten", ist sich die JIEFANG RIBAO aus Schanghai sicher.
Ähnlich sieht es der Autor eines Gastkommentars in der NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio: "Das war eine Rede, die die Menschen völlig enttäuscht und zu der Erkenntnis gebracht haben dürfte: 'Dieser Präsident versteht gar nicht, wie sehr wir leiden.' Donald Trump zeigte in der für seine Verhältnisse sehr kurzen Rede nicht einmal ein Lächeln. Vermutlich wollte er überhaupt keine Rede halten, denn er hatte ja nichts zu verkünden und konnte nur seine bisherige Behauptung wiederholen, die hohen Verbraucherpreise seien die Schuld Joe Bidens und der Demokraten. Im Wahlkampf vor den Midterms im Herbst kommenden Jahres dürfte die Thematik Trump in Schwierigkeiten bringen, zumal er wohl keine effizienten Maßnahmen wird ergreifen können." Mit diesem Zitat aus der japanischen Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN endet die internationale Presseschau.
