
Dazu schreibt die polnische GAZETA WYBORCZA: "Die Europäische Union wird die Ukraine weiterhin finanziell im Kampf gegen die russische Aggression unterstützen. Dies geschieht jedoch weiterhin auf Kosten der europäischen Bürger, da man es nicht wagt, das Geld des Aggressors für die Hilfe für sein Opfer zu verwenden. Die Entscheidung der EU, die Ukraine finanziell bei ihren dringenden Bedürfnissen zu unterstützen, ist ein Misserfolg für den russischen Präsidenten Putin. Doch der Beschluss der EU-Staats- und Regierungschefs, nicht direkt russische Gelder für diesen Zweck zu verwenden, kann als Erfolg für den Kreml gewertet werden. Dies gibt Moskau die Chance, seine eingefrorenen Vermögenswerte zurückzuerhalten, da niemand weiß, wann und unter welchen Bedingungen der Krieg in der Ukraine enden wird", notiert die GAZETA WYBORCZA aus Warschau.
Der französische FIGARO bemerkt: "Die Europäer haben es nicht gewagt, die von den Amerikanern offen begehrten russischen Vermögenswerte zu beschlagnahmen. Die Europäer werden sich mit 90 Milliarden Euro verschulden. Die Ukraine muss dieses Geld erst nach hypothetischen Kriegsreparationen durch Russland zurückzahlen. Sollte Moskau keine Reparationen leisten, wird es angesichts der Feindseligkeiten noch schwieriger, Putins Milliarden zu bekommen", schlussfolgert LE FIGARO aus Paris.
Der österreichische STANDARD konstatiert: "Putin darf nicht darauf hoffen, dass die EU die Ukraine fallen lässt und das Land bald kollabiert. Die EU-Staaten zahlen, wenn es nach einem Friedensschluss nicht gelingt, Russland zu Reparationszahlungen zu bewegen: bei gut 17.000 Milliarden Euro Wertschöpfung der EU-Staaten kein Problem. Frieden und Freiheit in Europa haben einen Preis", unterstreicht der STANDARD aus Wien.
Drei EU-Mitglieder haben Sonderkonditionen für sich herausverhandelt. Darauf geht die ungarische Zeitung NEPSZAVA aus Budapest ein: "Regierungschef Viktor Orban kann es für sich als Sieg verbuchen, dass das russische Vermögen unberührt bleibt und dass sich neben Ungarn auch die Slowakei und Tschechien nicht an der gemeinsamen Kreditaufnahme und damit an der finanziellen Unterstützung Kiews beteiligen werden."
Der niederländische TELEGRAAF aus Amsterdam zeigt sich enttäuscht über die Ausnahmeregelungen für Ungarn, die Slowakei und Tschechien: "Der größte Verlierer ist die europäische Zusammenarbeit. Sie bröckelt weiter. Ein einheitliches Vorgehen ist schwer zu erreichen, wenn die lautesten Schreihälse in Form von Ausnahmeregelungen ihren Willen bekommen."
Der britische INDEPENDENT meint: "Die Ukraine kann nicht weiter von Notrationen aus Brüssel leben. Europa, einschließlich Großbritannien, muss daher entscheiden, ob es tatsächlich will, dass Russland besiegt wird. Noch wäre das möglich, und mit der Ukraine als Verbündetem würde ein solcher Sieg Europa zu einer Festung gegen ein revanchistisches Russland machen", erläutert der INDEPENDENT aus London.
Die schwedische Zeitung DAGENS INDUSTRI resümiert: "Hauptsache ist, dass sich die EU für die langfristige Finanzierung der Ukraine einsetzt, und mindestens ebenso wichtig ist, dass die europäische Einigkeit nicht leichtsinnig aufs Spiel gesetzt wurde. Der Ukraine-Krieg und ein künftiger Frieden in der Ukraine werden Europa in jedem Fall hunderte Milliarden Euro kosten - und ebenso klar ist leider, dass Europa Kompromisse schließen muss, was den moralischen Aspekt des Umgangs mit den eingefrorenen russischen Geldern betrifft." Das war DAGENS INDUSTRI aus Stockholm.
Die österreichische Zeutung DIE PRESSE meint: "Ursula von der Leyen, die Präsidentin der Europäischen Kommission, muss sich vorwerfen lassen, dieses Reparationsdarlehen schlecht vorbereitet zu haben. Auch ihr Umgang mit dem brennheißen Eisen Mercosur-Freihandelsabkommen war, höflich ausgedrückt, ungeschickt. Das alles soll jedoch nicht von der wichtigen geopolitischen Festlegung ablenken, welche die Union nun getroffen hat. Sie macht unmissverständlich klar, dass das Mantra 'Wir unterstützen die Ukraine, solange es nötig ist' keine Floskel ist", schlussfolgert DIE PRESSE aus Wien.
Zum vertagten EU-Mercosur-Handelsabkommen schreibt die uruguayische Zeitung EL PAIS: "Erneut ist ein Termin verstrichen, und wieder einmal ist klar geworden, dass das Problem weniger auf unserer Seite, sondern bei der EU liegt. Wenn sich Gespräche über ein Handelsabkommen über ein Vierteljahrhundert hinziehen, ohne dass die erklärten Ziele erreicht werden, sind die Gründe eindeutig politischer und strategischer, nicht aber technischer oder wirtschaftlicher Natur. Frankreich und Italien haben nach wie vor einen starken Agrarsektor mit bedeutenden Exportkapazitäten, und sie befürchten deshalb den Wettbewerb aus Brasilien und Argentinien. Wir müssen uns den Realitäten stellen: Mercosur stellt eine Konkurrenz für Europa dar, das deshalb nicht bereit ist, seinen Markt zu öffnen. Also sollten wir uns nicht länger auf die EU, sondern auf andere, uns freundlich gesonnene Länder konzentrieren", empfehlt EL PAIS aus Montevideo.
Die brasilianische Zeitung O GLOBO argumentiert anders: "Das EU-Mercosur-Handelsabkommen soll die Wirtschaft auf beiden Seiten des Atlantiks ankurbeln, Investitionen fördern und nach den von Donald Trump und seinen Zöllen ausgelösten Erschütterungen neue Chancen für den internationalen Handel bieten. Mehr Protektionismus auf der europäischen Seite würde dagegen auch bei uns zu mehr Schutzmaßnahmen für sensible Sektoren führen. Es bleibt ungewiss, ob die hoch subventionierte europäische Landwirtschaft endlich einlenkt. Sicher ist dagegen nur, dass wir schon jetzt viel Zeit verloren haben - und damit auch potenzielle Gewinne", kommentiert O GLOBO aus Rio de Janeiro.
Nun zu einem anderen Thema. Ungeachtet der protektionistischen Zollpolitik der USA hält China an seiner expansiven Handelspolitik fest. Im Süden der Volksrepublik, in dem Sonderwirtschaftsgebiet Hainan, gilt seit dieser Woche offiziell eine Freihandelszone. Die chinesische Zeitung TAKUNGPAO lobt die Entscheidung der kommunistischen Regierung in Peking: "China ist ein entschlossener Verteidiger und Motor der Globalisierung. In der Provinz Hainan, dem größten Freihandelshafen der Welt, gilt nicht nur Zollfreiheit. Hier soll auch ein Standort entstehen, wo man innovative Ideen etwa in der medizinischen Forschung und in der Luft- und Raumfahrt umsetzen kann. China verfügt zudem als führendes Produktionsland über vollständige Lieferketten. Davon kann die Freihandelszone Hainan nur profitieren", meint TAKUNGPAO aus Hongkong.
Die Zeitung XINJING BAO aus Peking erhofft sich wirtschaftliche Vorteile für das chinesische Festland: "Von der Freihandelszone Hainan könnte auch die chinesische Bevölkerung profitieren. Der Binnenmarkt wird einen neuen Impuls bekommen. Auch werden innovative Startup-Gründer nach Hainan gehen. In der Öffnung liegt die Chance."
Ganz anders fällt der Blick auf die USA aus. Nach Einschätzung eines Gastkommentators der amerikanischen Zeitung THE HILL dürfte die verschärfte US-Zollpolitik die Erwartungen von Präsident Trump nicht erfüllt haben, denn: "Zölle sind bei Wählern äußerst unbeliebt. Vor allem viele Familien mit niedrigem und mittlerem Einkommen sind um ihren Lebensstandard besorgt. Aktuelle Daten deuten auf eine Vergrößerung der Einkommensunterschiede zwischen Spitzen- und Geringverdienern hin. Das internationale Handelssystem der Nachkriegszeit, das in den letzten 80 Jahren sowohl zu Frieden als auch zu Wohlstand beigetragen hat, ist faktisch beendet. Es wurde durch eine Reihe von bilateralen Handelsabkommen ersetzt, die rechtlich nicht bindend sind, was die Aussichten für die Zukunft höchst ungewiss macht", analysiert THE HILL aus Washington.
