27. Dezember 2025
Die internationale Presseschau

Heute mit Kommentaren zu den Bemühungen um Frieden in der Ukraine und zur US-Sanktionspolitik gegen Europa. Doch zunächst geht es um den US-Militärschlag gegen Ziele der IS-Terrormiliz in Nigeria.

Selenskyj und Trump sitzen sich auf zwei Stühlen während der Beerdigung von Papst Franziskus im Petersdom
Selenskyj und Trump im Gespräch (Archivbild) (picture alliance / ukraine presidency)
Die britische TIMES schreibt: "Das Risiko, dass Nigeria zu einem gescheiterten Staat wird und damit eine neue Generation von Dschihad-Terroristen hervorbringt, ist groß. Die westlichen Demokratien haben allen Grund, diese Bewegungen zu unterbinden. Kritiker, die in Präsident Trumps Sorge um Christen in Nigeria einen Vorwand sehen, um sich auf der internationalen Bühne zu profilieren und die heimische Wählerschaft anzusprechen, tun ihm Unrecht", findet THE TIMES aus London.
Der britische DAILY TELEGRAPH ergänzt: "Die Welt schenkt der brutalen Verfolgung der christlichen Bevölkerung Nigerias kaum Beachtung. Der Islamische Staat und andere militante Gruppen kommen schon viel zu lange ungestraft mit der wahllosen Ermordung der christlichen Bevölkerung Nigerias davon", kritisiert THE DAILY TELEGRAPH aus London.
Die dem saudischen Königshaus nahestehende, panarabische Zeitung AL SHARQ AL AWSAT aus London warnt: "Dschihadistische Gruppen wie der 'Islamische Staat' oder 'Al-Kaida' dürften in Zukunft immer gefährlicher und aggressiver werden und ihre Gewalt systematisch weiter eskalieren. Das gilt nicht allein mit Blick auf Afrika, sondern auch für den Nahen Osten. Die Sicherheitskräfte weltweit werden sich auf neue Herausforderungen einstellen müssen."
"War diese Aktion an Weihnachten, einem so symbolträchtigen Tag für das Christentum, nur ein propagandistischer Schachzug?" fragt die spanische Zeitung LA VANGUARDIA aus Barcelona. "Falls dies zutrifft, wäre er von Erfolg gekrönt gewesen, denn Donald Trump beherrscht wieder einmal die Schlagzeilen, nachdem er im eigenen Land im Zusammenhang mit dem verurteilten Sexualstraftäter Epstein zunehmend unter Druck gerät."
Die US-Zeitung THE NATIONAL REVIEW meint: "Die Angriffe an Weihnachten sind ein weiteres Zeichen dafür, dass Trump kein Isolationist, sondern ein hyperaktiver Präsident in der Außenpolitik ist. Er spricht viele Drohungen aus, mehr als er jemals umsetzt, aber seine Feinde ignorieren sie auf eigene Gefahr – wie die nigerianischen Militanten am Weihnachtstag erfahren mussten", notiert THE NATIONAL REVIEW aus New York.
"Trump kann jetzt nicht mehr des Isolationismus verdächtigt werden", findet der französische FIGARO. "Im Gegenteil: Trump kämpft an allen Fronten: seit März gegen die Huthis im Jemen, seit Juni gegen den Iran der Ayatollahs, seit August gegen Maduro in Venezuela und seit letzter Woche gegen den IS in Syrien. Zwischen Vergeltung, Ideologie und Gewinnsucht ist es schwierig, bei Trump eine Doktrin zu erkennen, außer dass sich Trump in alles einmischt, was er will, und seine Feinde benennt. Europa weiß nun, dass es dazu gehört: Weniger bedroht durch militärische Vergeltungsmaßnahmen als durch ein Verhältnis von Lehnsherr zu Vasall. In Moskau jubelt man", zeigt sich LE FIGARO aus Paris überzeugt.
Für die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG ist klar: "Dass es in den USA auch innenpolitische Motive für die Hinwendung zu Afrika gibt, ist offensichtlich. Bei den Zwischenwahlen im November sind die Republikaner auf die Stimmen von gläubigen Christen angewiesen. Evangelikale sind ein wichtiger Wählerblock für die Konservativen. Insbesondere der republikanische Senator Ted Cruz hat wiederholt auf das Schicksal der Christen in Nigeria hingewiesen."
Die kolumbianische Zeitung EL ESPECTADOR kommt zu dieser Einschätzung: "Der von mehreren Mitgliedern der Trump-Regierung postulierte 'Genozid an Christen in Nigeria' lässt sich durch Daten keineswegs untermauern. In der mehrheitlich muslimischen Region Sokoto leidet die gesamte Bevölkerung unter Terrorangriffen. Die USA greifen in einen Konflikt ein, den sie nicht begreifen, und sie haben weder eine Lösung noch eine klare Strategie", bedauert EL ESPECTADOR aus Bogotá.
Ein Gastkommentator der japanischen Zeitung ASAHI SHIMBUN vermutet ebenfalls innenpolitische Motive für den US-Militärschlag: "Allerdings ist es unklar, ob Trump damit den erhofften Erfolg hat und seine Unterstützer wirklich zufriedenstellen konnte. Denn die MAGA-Bewegung ist in dieser Frage gespalten. Während ein Teil von ihnen will, dass Christen weltweit geschützt werden, lehnt es ein anderer Teil der MAGA-Bewegung ab, dass sich die USA in den Bürgerkrieg eines anderen Landes einmischen und dafür auch noch Steuergelder verwenden", notiert ASAHI SHIMBUN aus Tokio.
Themenwechsel. Präsident Trump empfängt morgen den ukrainischen Staatchef Selenskyj, um über ein mögliches Ende des russischen Ukrainekriegs zu sprechen. Die aserbaidschanische Zeitung MÜSAVAT hält fest: "Die jüngste Anschuldigung des Weißen Hauses, Selenskyj habe sich noch nicht mit dem von den USA vorgelegten 'Friedensplan' vertraut gemacht, zeigt die Enttäuschung der US-Regierung über die aktuelle Entwicklung. Ein wichtiger Punkt ist jedoch, dass die Führung in Kiew schnell auf Informationen über eine mögliche Einrichtung einer 'entmilitarisierten Zone' in der Donbass-Region der Ukraine reagierte. Die Ankündigung von Trump, der Ukraine eine 'Weihnachtsüberraschung' zu bereiten, stieß in Kiew auf ernsthafte Besorgnis", beobachtet MÜSAVAT aus Baku.
Die US-Zeitung ARKANSAS DEMOCRAT GAZETTE aus Little Rock meint: "Eine Pufferzone - eine Art entmilitarisierte Zone, möglicherweise durch internationale Truppen durchgesetzt – klingt nach einem guten ersten Schritt, wenn man sich darauf einigen kann. Aber es wären noch viele weitere Schritte erforderlich."
Die österreichische KLEINE ZEITUNG warnt vor überzogenen Erwartungen: "Moskau bombt unerbittlich weiter und beharrt auf Maximalforderungen. Kremlchef Putin hat mehrfach gezeigt, dass er Diplomatie in erster Linie nützt, um sich Zeit für weitere brutale Angriffe zu verschaffen. Ist Selenskyj also naiv in seiner Hoffnung? Wohl kaum, denn seine Botschaft richtet sich nicht an Russland, sondern an Trump: Putin suche ständig nach Gründen, einem Friedensplan nicht zuzustimmen. Wenn Moskau konstruktiven Plänen nicht zustimmt, heißt das, 'dass der Druck nicht ausreicht'. Wie es weitergeht, hängt also abermals davon ab, in welche Richtung das Trump-Pendel diesmal ausschlägt."
Die polnische RZECZPOSPOLITA aus Warschau zeigt sich ernüchtert: "Es mag ermüdend klingen, immer wieder zu erwähnen, dass der US-Präsident den Friedensnobelpreis anstrebt. Doch hört man sich die lobende Rede an, die sein oberster Berater für Friedenssicherung, der Sondergesandte und Freund Steve Witkoff, Ende August im Weißen Haus hielt, gewinnt man den Eindruck, dass dies tatsächlich das oberste Ziel des Präsidenten der Supermacht ist. Es wäre die beste Auszeichnung für einen alternden Geschäftsmann und Politiker, der bereits alles hat – große Macht, viel Geld und großartige Gaben – aber keinen solchen Preis."
Zum Schluss geht es um den Streit zwischen den USA und der Europäischen Union über Vorschriften für Anbieter von digitalen Plattformen. Darauf geht die niederländische Zeitung DE VOLKSKRANT ein: "Mit dem Einreiseverbot für den ehemaligen EU-Kommissar Thierry Breton und vier weitere Europäer, die sich für ein EU-Gesetz zur Eindämmung des Machtmissbrauchs von Technologieunternehmen eingesetzt haben, zeigen die USA erneut, dass die Pax Americana vorbei ist. Die neue Doktrin ist eine des Kampfes, nicht des Friedens. Die Trump-Regierung setzt ihre antieuropäische Sicherheitsstrategie konkret um." Das war DE VOLKSKRANT aus Amsterdam.
Die chinesische Zeitung HUANQIU SHIBAO resümiert: "Washington wirft der EU vor, gegen die Meinungsfreiheit vorzugehen. Nach Ansicht der US-Regierung verlassen die Europäer gerade die Grundwerte, worauf das trans-atlantische Bündnis basiert. Die von Washington kritisierten EU-Digitalgesetze unterstreichen die Hilflosigkeit Europas. Derartige Auseinandersetzungen werden sich künftig häufen."