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Die italienischen Kennedys

Die Fahrt von Senigallia nach Urbino geht durch eine Landschaft, die schöner nicht sein kann: sanfte Hügel mit kleinen und alten Ortschaften, Zypressen und Eichenwälder und Weiden. Der Besucher fühlt sich als Protagonist eines Postkartenmotivs. "Le Marche", die Marken, sind zusammen mit der Toskana und Umbrien eine der schönsten Regionen Italiens. Herb und naturbelassen und touristisch nur wenig erschlossen. Aus diesem Grund organisierte der Kunsthistoriker Paolo Dal Poggetto seine Ausstellung zur Geschichte der Familie Della Rovere an vier verschiedenen Orten - so haben die Ausstellungsbesucher die Möglichkeit, nicht nur Kunst sondern auch Landschaft zu geniessen - jene Region, in der die Familie Della Rovere zwischen dem 15. und dem 17. Jahrhundert die unbestrittenen Herren waren:

Thomas Migge |
    Wir zeigen eine faszinierende Geschichte von Liebe und Betrug, von Aufstieg und Ende einer Dynastie, von Päpsten und Kardinälen, von kunstsinnigen Fürsten und ihren Kurtisanen. Eine Geschichte, die wir anhand der Kunstwerke dieser Familie an den Originalschauplätzen
    nacherzählen.


    Die Familie Della Rovere stammte aus Ligurien, aus der Stadt Savona. Mit dem Textilhandel wurde sie reich. Das Schicksal verschlug sie in die Marken - eine damals arme Gegend. Eine Region, die 1471 mit der Wahl von Francesco Della Rovere zum Papst, mit dem Namen Sixtus IV. - er liess die sixtinische Kapelle ausmalen - eines der wichtigsten Zentren der italienischen Politik und Kunst wurde. Die Della Rovere liessen sich nicht nur in einer Stadt nieder. Sie regierten und lebten polyzentrisch und so werden die 300 Ausstellungsobjekte der Kunstschau in Senigallia und Urbino, in Pesaro und Urbania gezeigt - den vier von den Della Rovere bevorzugten Residenzen. Der Besucher bekommt nicht nur Gemälde und Skulpturen, Keramiken und Buchillustrationen zu sehen, sondern auch vier Herzogspaläste - jeder unterschiedlich in seiner Architektur und in seiner Ausschmückung. Paolo Dal Poggetto:

    Die Städte der Marken sind architektonisch von den Fürsten der Familie Della Rovere gestaltet worden. Die Stadtkerne haben sich seitdem nicht wesentlich verändert. Das verleiht unserer Kunstschau einen besonderen Kick: die Ausstellung findet nicht nur drinnen statt, sondern
    auch draussen. Die meisten Kunstgegenstände, die wir zeigen, wurden 1631 verkauft.


    Als der letzte Della Rovere starb, gingen die Schätze der Adelsfamilie an den Papst nach Rom und an die Medici nach Florenz. Jetzt sind Teile der Sammlungen wieder an ihren ursprünglichen Orten zu sehen. Auch wenn einer der ihren in Rom als Papst regierte, hatten die Della Rovere schnell begreifen müssen, dass sie nicht über ausreichend Einfluss verfügten, um europäische Politik zu betreiben. Dafür kultivierten sie ihr Mäzenatentum: so zeigen die Ausstellungen Meisterwerke von Tizian und Rafael, von Foppa, Perugino und Piero della Francesca. Besonders reizvoll sind dutzende von Renaissancekeramiken: die Della Rovere förderten diese Kunstform. Gezeigt werden auch die noch existierenden Kleider der Fürstinnen und Fürsten - fast alle stammen, erklärt Kunsthistoriker Dal Poggetto, aus den erst vor kurzem geöffneten und wissenschaftlich ausgewerteten Grüften,
    in denen der jahrhundertealte Stoff erstaunlich gut erhalten blieb:

    Alle diese Gegenstände, Gemälde und Skulpturen, Alltagsgegenstände wie Kleidung und Keramiken, Waffen und Möbel, vermitteln einen Eindruck davon, wie üppig die Residenzen in den vier Ausstellungspalästen einmal eingerichtet waren. Paläste, die seit Jahren für die Öffentlichkeit nicht zugänglich sind, in denen sich Büros befinden oder die leer stehen. Wir zeigen in der Residenz von Senigallia sogar Kanonen, die drei Meter lang sind.

    Noch beeindruckender als die Paläste ist die Villa Imperiale auf den Hügeln bei Pesaro. Dieses prächtige Gebäude aus Renaissance und Manierismus, umgeben von barocken Gärten, war einmal der Sommersitz der Familie Della Rovere. Die Säle der Villa liessen sie über und über mit Fresken
    ausschmücken - fast alle von Dosso Dossi. Während der Zeit der Ausstellung öffnen sich die Pforten der Villa Imperiale. Einer Fürstenresidenz, die sich immer noch in adligem Privatbesitz befindet und für normale Sterbliche in der Regel verschlossen bleibt.