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"Die Ivorer können nur zusammen wirklich was aufbauen"

Der Repräsentant des ivorischen Präsidenten Ouattara in Deutschland nimmt an, dass der festgenommene Ex-Präsident Laurent Gbagbo vor ein Gericht gestellt wird. Aufgabe des amtierenden Präsidenten Ouattara müsse sein, die nationale Einheit wiederherzustellen.

12.04.2011
    Peter Kapern: Gestern Nachmittag kurz nach Drei war es, als die Nachrichtenagenturen meldeten, dass Laurent Gbagbo festgenommen worden sei. Lange Jahre war Gbagbo der Präsident der Elfenbeinküste. Im vergangenen November unterlag er bei den Präsidentschaftswahlen seinem Herausforderer Alassane Ouattara. Doch sein Amt räumen, das wollte er nicht. Gestern dann der Sturm auf Gbagbos Amtssitz.
    Bei mir im Studio ist nun Azize Diabaté, der Repräsentant der Partei des gewählten ivorischen Präsidenten Alassane Ouattara in Deutschland. Herr Diabaté, Sie haben mir eben erzählt, dass Sie gestern Abend noch mit Ihren Eltern in Abidjan telefoniert haben. Wie haben die denn auf die Ereignisse des gestrigen Tages reagiert?

    Azize Diabaté: Ja! Zuerst guten Morgen und danke für die Einladung. - Ja, sie haben total, sie konnten nicht daran glauben. Das war wirklich so wie ein Albtraum und sie träumen noch, ob das noch vielleicht irgendwann Mal zu Ende geht. Aber ich habe mit ihnen telefoniert, es geht ihnen gut, Gott sei Dank.

    Kapern: Konnten die Ihnen denn sagen, ob die Kämpfe in Abidjan jetzt ein Ende gefunden haben?

    Diabaté: Also ich denke, gestern, als ich angerufen habe, das war schon gegen zehn Uhr am Abend, da hat es schon aufgehört. Aber sie meinten, tagsüber haben sie noch etwas gehört. Es sind ein paar Bomben bei denen fast in der Nähe gefallen und ich glaube, sie haben fast einen Nervenzusammenbruch gehabt, weil nach einer Woche zu Hause macht es keinen Spaß, die ganze Zeit so etwas zu hören.

    Kapern: Was geschieht jetzt mit Laurent Gbagbo, dem abgesetzten und abgewählten Präsidenten?

    Diabaté: Das ist eine gute Frage. Das Wichtigste momentan, das ist die Versöhnung der Ivorer, und Präsident Alassane Ouattara versucht hier, durch eine Kommission so wie in Südafrika damals, die heißt Wahrheit und Versöhnung, wirklich die Ivorer zu versöhnen. Laurent Gbagbo soll jedenfalls der Justiz überstellt werden. Welche Justiz das ist, das wird sich ergeben.

    Kapern: Ist die internationale Justiz eine Option, weil der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag hat ja bereits Ermittlungen aufgenommen?

    Diabaté: Ja, das ist eine Option. Da ist überhaupt nichts ausgeschlossen. Ich denke mal, der Präsident Ouattara wird versuchen, wirklich mit den Sachen ganz vorsichtig umzugehen, weil Laurent Gbagbo wurde trotzdem mit 46 Prozent etwa der Wählerschaft gewählt. Ich denke mal, das ist ein bisschen knapp und man muss deshalb sehr vorsichtig sein. Aber was sicher ist, er wird auf jeden Fall der Justiz überstellt.

    Kapern: Das heißt, Gbagbo hat nach wie vor viele Anhänger. Wie groß ist denn die Gefahr, dass die Kämpfe eben jetzt nicht enden, sondern der Bürgerkrieg weitergeht?

    Diabaté: Bürgerkrieg, ich glaube nicht daran. Die Ivorer, wie ich sie kenne, glaube ich, sie wollen den Frieden hier haben. Das Problem oder die Gefahr sind einfach die Milizen, die bewaffneten vor allem. Die sind mittlerweile auch nicht mehr so viele in Abidjan. Also im Land selbst, glaube ich, sie haben alles mehr oder weniger unter Kontrolle gehabt. In Abidjan ist einfach die Gefahr, es könnte noch ein paar Stadtkämpfer geben. Was ich gestern gehört habe, auch aus dem Quartier von Alassane Ouattara, dort ist es so gut wie sicher jetzt geworden. Natürlich sind unter den Milizen ein paar Plünderer, die Waffen von Laurent Gbagbo bekommen haben. Sie kämpfen nicht mehr für Laurent Gbagbo, sie kämpfen für sich jetzt, plündern, um zu überleben.

    Kapern: Es hat den Vorwurf gegeben, dass nicht nur die Truppen von Gbagbo, sondern auch die des gewählten Präsidenten Ouattara Menschenrechtsverletzungen begangen haben in den letzten Wochen. Wird der mutmaßlich neue Präsident der Elfenbeinküste die Kraft und den Mut haben, auch gegen die Urheber dieser Menschenrechtsverletzungen vorzugehen?

    Diabaté: Wie er selber schon gesagt hat, ist er für Demokratie, Justiz und Transparenz. Er wird natürlich auch einen Ausschuss gründen, der für Wahrheit und Klarheit über diese Massaker sorgen wird. Und er hat auch versprochen, die Verantwortlichen der Justiz zu überstellen. Wir werden wohl daran glauben!

    Kapern: Wir haben eben in dem Beitrag von Marc Dugge gehört, wie stark die Infrastruktur in Abidjan zerstört worden ist, dass es keinen Strom gibt, kein Wasser gibt. Wie genau ist die Versorgungslage in der Elfenbeinküste und in Abidjan? Was fehlt dort jetzt am dringendsten?

    Diabaté: Was momentan fehlt, sind Lebensmittel. Zu Lebensmitteln gehört natürlich dann auch die Wasserversorgung und die Stromversorgung, auch Transportmittel. Das ist einfach ruiniert und befindet sich in einer desolaten Lage. Als ich gestern mit meinen Eltern gesprochen habe, haben sie gesagt, wenn wirklich noch ein paar Tage vergangen wären, dann hätten sie nichts mehr zu essen gehabt. Und man merkt das schon: Nur um Brot zu kaufen, muss man sich wirklich an eine Schlange anstellen, um da heranzukommen. Ich denke mal, das wird die erste Arbeit von Alassane Ouattara sein, dass es wirklich eine gewisse Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit gibt, aber vor allem, dass die Lebensmittel herangeführt werden.

    Kapern: Hat die Elfenbeinküste die Kraft, diese Versorgungslücken aus eigener Kraft zu schließen, oder ist Hilfe von außen nötig?

    Diabaté: Hilfe von außen ist nötig, aber ich denke mal, Elfenbeinküste hat auch die Ressourcen, das selbst wieder aufzubauen. Es ist ungefähr seit über 40 Jahren, dass Elfenbeinküste unabhängig ist, und dadurch haben wir wirkliche Ressourcen auch, menschliche Ressourcen, aber auch Infrastruktur-Ressourcen, um das hier wirklich aufzubauen. Natürlich es wird sehr wichtig sein, dass uns das Ausland ein bisschen Hilfe zur Verfügung stellt.

    Kapern: Welche Hilfe genau?

    Diabaté: Das ist erstens die Infrastruktur, das heißt Lebensmittel vor allem, damit auch die Flüchtlinge ein bisschen an Lebensmittel herankommen, und danach kommt auch diese ganze Strom- und Wasserversorgung, das heißt die Infrastruktur, also die Basismittel, damit das Land langsam sich normalisieren kann und zur Arbeit kommt.

    Kapern: Sie haben eben darauf hingewiesen, wie viele Stimmen Laurent Gbagbo bei den Präsidentschaftswahlen im vergangenen November gewonnen hat, immerhin 46 Prozent.

    Diabaté: Ja.

    Kapern: Nun gibt es Vorschläge von Afrika-Experten hierzulande, die sagen, Ouattara wäre gut beraten, eine Regierung der nationalen Einheit zu bilden, unter Einbindung der Minister der alten Gbagbo-Regierung. Ist das eine Option?

    Diabaté: Die Option ist da! Vor den Wahlen hat Ouattara das gesagt, während der Wahl hat er das gesagt, nach der Wahl hat er das gesagt, gestern hat er es noch betont. Das war für ihn klar: Keiner könnte alleine Elfenbeinküste regieren. Es ist unmöglich! Diese historische Sozialisation, die Ivorer können nur zusammen wirklich was aufbauen. Eine Partei alleine schafft das überhaupt nicht, und Ouattara hat immer wieder wirklich den Vorschlag gemacht, bis heute, er will mit der Partei von Laurent Gbagbo zusammenarbeiten.

    Kapern: Dass gewählte Präsidenten auch nach ihrer Abwahl nicht von der Macht lassen wollen, das erleben wir ja manches Mal in Afrika. Wird es mit Ouattara anders gehen?

    Diabaté: Wir hoffen, und er hat bisher wirklich sein demokratisches Verhalten bewiesen. Er hat die militärische Macht wirklich als Alternative gegeben. Er hat wirklich die Chance für einen Dialog und ein miteinander sprechen gegeben. Und wie ich ihn kenne, ich glaube schon.

    Kapern: Azize Diabaté war das, der Repräsentant der Partei des ivorischen Präsidenten Alassane Ouattara in Deutschland. Ich sage danke für den Besuch im Studio, danke für die Informationen und auf bald.

    Diabaté: Ich bedanke mich auch.

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    Fernsehbild des ehemaligen ivorischen Präsidenten, Laurent Gbagbo, nach seiner Verhaftung in Abidjan
    Fernsehbild des ehemaligen ivorischen Präsidenten, Laurent Gbagbo, nach seiner Verhaftung in Abidjan (AP)