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Die Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebensmittel

Ab dem 18. April müssen gentechnisch veränderte Lebensmittel gekennzeichnet sein, wenn sie in den Supermarktregalen stehen. Das hört sich zwar einfach an, ist aber ein sehr schwieriges Feld - allein schon bei der Frage: Wann ist ein Lebensmittel eigentlich gentechnisch verändert? Über die anstehenden Bestimmungen und Pflichten hat heute Vormittag in Berlin der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, kurz BUND, informiert, eine der großen Umweltorganisationen in Deutschland.

Von Dieter Nürnberger |
    Wie so oft gibt es zwei Seiten einer Medaille. Das wird bei der Kennzeichnung von gentechnisch veränderten Produkten ab kommenden Sonntag auch so sein. Deshalb zog man heute Morgen beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland einerseits eine positive Bilanz dieses jahrelangen Streits, vergaß aber auch nicht, die noch vorhandenen Defizite zu erwähnen. Doch zuallererst: Wie wird der Verbraucher mit Informationen versorgt werden, die Antwort: Oft hilft da nur der Blick auf das Kleingedruckte auf der Verpackung. Heike Moldenhauer, die Gentechnikexpertin des BUND:

    Es ist auf der Zutatenliste zu lesen: "Hergestellt aus genetisch veränderten..." – und dann kommt die Zutat. Das ist im Moment hauptsächlich Soja, Raps und Mais. Und es ist auch möglich, dass diese Informationen in einer Fußnote erscheinen – bei Kantinen oder in Restaurants. Dann muss an der Theke, auf der Speisekarte oder in einem Aushang gekennzeichnet werden.

    Eine wichtige Regel dabei ist, dass in der Europäischen Union Produkte, die über 0,9 Prozent gentechnische Veränderungen innehaben, gekennzeichnet werden müssen. "Zufällige" oder "technisch nicht vermeidbare" Verunreinigungen haben somit einen Grenzwert. Allerdings seien hier, so der BUND, immer noch keine eindeutigen Definitionen festgelegt worden. Generell aber sieht die Umweltschutzorganisation die Novelle positiv, die stellvertretende Vorsitzende Doris Tropper:

    Es ist ein eindeutiger Fortschritt gegenüber 1997 – gegenüber der Novelfood-Verordnung. Es wird nicht wundern, dass ein Staat wie die USA gar keine Kennzeichnungspflicht hat. Japan hat beispielsweise eine Kennzeichnungspflicht ab einem Grenzwert von fünf Prozent. Wir sind als BUND auch der Meinung, dass diese EU-Kennzeichnungspflicht die Wahlfreiheit der Verbraucher weitgehend sichert. Es ist nun einmal so, dass in der EU 75 Prozent der Bevölkerung Gentechnik ablehnt. Der Verbraucher hat es also in der Hand, dass diese Produkte auch wieder vom Markt verschwinden werden.

    Allerdings sei die Kennzeichnungspflicht auch in anderen Punkten nicht ganz konsequent. So müssen beispielsweise gentechnisch verändertes Obst und Gemüse sehr wohl gekennzeichnet werden, nicht aber Produkte, die von Tieren stammen, die Futtermittel gentechnisch veränderter Pflanzen erhalten haben. Das können Milchprodukte ebenso sein wie Fleisch oder Eier. Andererseits sind auch Futtermittel, wenn sie denn gentechnisch verändert wurden, kennzeichnungspflichtig. Daran sieht man, es verbessert sich vieles im Sinne der Umweltschützer, aber es bleiben eben auch Fragezeichen. Der BUND fordert Nachbesserungen:

    Der Futtermittelmarkt ist auf die Kennzeichnungspflicht lange nicht so gut eingestellt wie der Mark für Lebensmittel generell. Und daher bleibt unsere politische Forderung, dass im Bereich der tierisch hergestellten Nahrungsmittel mehr Klarheit hergestellt werden muss. Diese Forderung richtet sich auch an Ministerin Künast. Es ist auch rechtlich immer noch nicht eindeutig geklärt – was ist "zufällig" und was ist "technisch unvermeidbar.

    Und um die Verwirrung noch etwas zu steigern: Ein Sanktionssystem kann derzeit in Deutschland auch noch nicht in Kraft treten. Soll heißen: All jene, die gegen die Kennzeichnungspflichten verstoßen, bleiben vorerst unbehelligt. Das deutsche Gesetz sieht zwar Geldstrafen und auch Haft bei Zuwiderhandlung vor, doch ist dieser Teil des Gesetzes von der CDU/CSU-Mehrheit im Bundesrat bislang blockiert worden. Doris Tropper appelliert deshalb an die Union:

    Wir fordern die CDU/CSU/FDP-regierten Länder auf, diese Blockadehaltung aufzugeben. Und sich im Sinne der Verbraucher zu entscheiden. Damit könnten dann die Kontrollen, wie im Durchführungsgesetz vorgeschrieben, durchgeführt werden. Und damit könnten dann auch Geldstrafen für diejenigen, die gegen das Gesetz verstoßen, festgesetzt werden. Nur dann lässt sich auch die Wahlfreiheit sichern.

    Aber wie gesagt: die Kennzeichnungspflicht tritt auch in Deutschland ab dem 18. April in Kraft. Und die noch vorhandenen Lücken im Gesetz und auch bei der Durchführung hofft man, schon bald schließen zu können. Und ansonsten setzt der BUND weiterhin auf die Verweigerungshaltung der Verbraucher beim Einkauf und auch auf die kritische Haltung der Bauern bei der Futtermittelauswahl.