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Die Kreuzritter in Ägypten

Mit Giacomo Meyerbeers 100 Jahre lang vergessener Oper "Il crociato in Egitto" wurde jetzt am berühmten Theater La Fenice in Venedig die Saison eröffnet. Der deutsche Komponist und jüdische Weltbürger Giacomo Meyerbeer hatte mit dieser großen Chor- und Sängeroper im selben Haus 1824 einen seiner größten Triumphe gefeiert.

Von Dieter David Scholz | 17.01.2007
    Meyerbeers Oper über "Den Kreuzfahrer in Ägypten" ist ein Werk des nicht mehr und noch nicht, noch ganz italienische Oper im Fahrwasser Rossinis, aber doch schon Zukunftsmusik. Mit dieser Oper wurde Meyerbeer der berühmteste Komponist italienischer Opern, neben Rossini, aber man hört auch schon den jungen Verdi durch und sogar Offenbach kündigt sich gelegentlich an. Der deutsche Komponist und jüdische Weltbürger Giacomo Meyerbeer, ein Jahr älter als Rossini, hatte mit seiner großen Chor- und Sängeroper "Il Crociato in Egitto" im venezianischen Teatro La Fenice 1824 einen seiner größten Triumphe gefeiert. Gefeiert wurde diese Oper auch jetzt, 2007 wieder im Teatro la Fenice, wo die erste moderne Aufführung des Stücks zu erleben ist. Mit Sängen, die durchweg das Attribut "first class" für sich beanspruchen dürfen. Der Bass-Bariton Marco Vinco singt einen virilen Sultan, die Mezzosopranistin Laura Polverelli eine hinreißende, in Männerkleidung auftretende Felicia, Nichte des Kreuzritter-Großmeisters Adriano, den der Tenor Fernando Portari mit heldischen Belcanto Qualitäten ausstattet:

    Sänger-Oper als Fest und als selbstverständlicher Ausdruck bürgerlichen Selbstverständnisses, das gibt es so wohl nur noch in Venedig, der Stadt der ältesten Operntradition in Europa. Man bringt immer noch und immer wieder außergewöhnliche Produktionen heraus. Die Oper, mit der die diesjährige Opernspielzeit kurz vor dem Karneval eröffnet wird, ist alles andere als karnevalistisch: Es geht um den blutigen Macht- und Herrschaftsanspruch zwischen Muslimen und Christen, es geht um einen Kulturkampf und natürlich, wie in der Oper üblich, um einen Liebeskonflikt zwischen einer Muslimin und einem Christen, angesiedelt im 13. Jahrhundert in Ägypten während des sechsten Kreuzzuges.
    Patrizia Ciofi singt die Sultanstochter Palmide, der junge, außergewöhnliche New Yorker Sopranist Michael Maniaci den Ritter Amando:

    Die Aktualität dieser Kreuzfahrer-Oper, die den Kampf zwischen Christentum und Islam auf die Bühne bringt, liegt auf der Hand. Man kann sich die fernsehgerechten Nahost-Bilder aktualisierungswütiger Vertreter modernen Regietheaters vorstellen. Anders in Venedig. Altmeister Pier Luigi Pizzi, unangefochtener Regiekönig der Oper in Italien, zeigt in strengen, klaren, ästhetisch ausgezirkelten Schwarz-Weis-Bildern den Konflikt des Stücks zeitlos symbolisch. Symbole auf der Bühne sind für den inzwischen 74-jährigen Präzisionsfanatiker und Ästheten Pizzi, das geeignetste Mittel, dem Publikum zu veranschaulichen, worum es geht:

    Das Symbol der Muslime in Pizzis Inszenierung der Meyerbeer-Oper ist das arabische Wort Allah, das schwarz auf weißem Vorhangschleier geschrieben steht, in schöner arabischer Kalligraphie. Ein großes Kruzifix symbolisiert das Christentum. Die Kreuzritter bringen es auf einem riesigen schwarzen Schiff, das lautlos auf die Bühne gleite, ins "Reich des Bösen", das sich am Ende als das des Guten erweist, denn am Ende steht bei Meyerbeer und seinem Librettisten Rossi die Versöhnung, eine muslimisch-christliche Utopie. Schon deshalb hat Pizzi das Werk nicht ins hier und heute verlegt, denn reale Utopie und Versöhnungen sind heute selten. Und er zeigt die Muslime in geradezu verschwendungssüchtiger, sinnlich-lebensfreudiger Farbigkeit, im Kontrast zu den asketisch schwarz-weißen Kreuzrittern. Manche mögen dies altmodisch nennen. Andere werden das Fehlen jeglichen naseweisen Kommentars der Eigenbefindlichkeit des Regisseurs als wohltuend empfinden. Und ein Augenfest war diese Inszenierung allemal. Und der eben 34-jährige, in Strassburg geborene Dirigent Emmanuel Villaume, einer der aufsteigenden Nachwuchsdirigenten in den USA, weiß die Musik Meyerbeers adäquat zu realisieren: Besonderes Lob gebührt dem fabelhaften Chor des Teatro La Fenice, der in diese Oper tragende Funktion hatte, aber auch dem Orchester des Teatro La Fenice.