...oh je, ich dachte wir hätten endlich Ruhe vor Kinky Friedman ...
Im Gegenteil, jetzt geht's erst richtig los!
Die Krimikolumne, nur echt mit dem Rezensenten.
.... und heute endlich mal wieder: mit Kinky Friedman! Welcome!
* Zuspielung "So welcome to you kinky"
Die traurige Nachricht zuerst: Nach siebzehn erschütternd komischen Krimis hat Kinky Friedman das Handtuch geworfen. In dem Roman "Ten Little New Yorkers", der gerade bei Simon & Schuster in Amerika neu erschienen ist, stirbt erst Kinkys Katze, jenes bewundernswert weltweise Geschöpf, das abgesehen vom Totenschädel Hamlets die stummste Rolle in der Weltliteratur spielen durfte. Und später im Buch stirbt der Detektiv Kinky Friedman ... von seinem Autor Kinky Friedman um die Ecke gebracht. Die Welt ist schon wieder um eine Illusion ärmer.
Und warum das alles?
Das ist schon wieder Teil der guten Nachricht: Kinky Friedman ist in der realen Welt in das Rennen um den Gouverneursposten von Texas eingestiegen. Als unabhängiger Kandidat. Aussichtslos, aber mit allem nötigen Ernst. Unterstützt wird er von Willie Nelson, der das Amt des Chefs der Texas Rangers übernehmen soll und angeblich auch von George W. Bush's Ehefrau Laura Bush.
Im Falle eines Wahlsieges will Kinky das Glücksspiel erlauben, die "political correctness" sofort abschaffen und seinen palästinensischen Friseur Farouk zum texanischen Botschafter in Israel ernennen.
Kinky zum Gouveneur!
Mehr über "Ten Little New Yorkers" in einer der nächsten Krimi-Kolumnen. Heute erstmal einiges über: "Ballettratten in der Vandam Street",die neueste Kinky Friedman Übersetzung, die in der edition Tiamat erschienen ist.
Sechs lange Jahre hat es seit dem Erscheinen der amerikanischen Ausgabe der "Ballettratten" gedauert, bis das Buch den deutschen Markt erreichte. Dafür enthält es jetzt ein launiges Nachwort von Wiglaf Droste.
Ein Nachwort, in dem Wiglaf Droste ungestraft behaupten darf, die Handlung bei Kinky Friedman sei- Zitat - oft
"Hanebüchen und dürftig"
... worauf Droste sofort in ein großes Liebesgeheul für den texanischen Kauz und Ex-Countrysänger Kinky ausbricht, und es gibt niemand auf der großen weiten Welt, der diesem Nachwort widersprechen würde. Im Gegenteil ....
... und gerade deshalb ....
... behauptet unser Rezensent ...
... hat sich das Warten gelohnt.
Denn auch "Ballettratten in der Vandam Street" strotzt von den üblichen Kinky-Friedman-Weisheiten, die die Welt im Monolog mit der Katze erklären
Die Katze - natürlich - sagte nichts.
... noch immer klingeln Kinkys zwei Telefone gleichzeitig, es wird Jameson Whiskey aus dem Stierhorn getrunken und die Geschichten sind dürftiger und hanebüchener denn je:
Und zwar folgendermaßen: Kinky fällt die Decke auf den Kopf. Nicht im übertragenen Sinne, sondern buchstäblich. Seine Obermieterin, Winnie Katz, die Leiterin der weltberühmten Lesbentanzschule in der Vandam Street, bringt mit ihrem Tanzkurs Kinkys Zimmerdecke zum Einstürzen. Um Winnie etwas einzuschüchtern und ihr dann generös seine Hilfe anbieten zu können, schreibt Kinky ihr einen Drohbrief ...
... leider wird Winnie kurz darauf wirklich fast ermordet.
Kinky setzt alle seine Freunde einzeln auf den fiktiven Fall an, um heraus zu finden, wer von ihnen der beste Dr. Watson wäre. Eine große Prügelei zwischen allen beendet den Band, der zwischen Komik und Kauzigkeit jeden Kinky-Fan beglücken wird und alle Kinky-Kopfschüttler nur umso heftiger den Kopf schütteln lassen wird.
Also ich find Kinky hanebüchen
Und ich die Storys äußerst dürftig.
Nur unser Rezensent
... versinkt in Verehrung.
Und ist begeistert von "Ballettratten in der Vandam Street", dem endlich in der Edition Tiamat erschienenen neuen Krimi von Kinky Friedman.
Ich halte es obendrein mit Kinkys Wahlspruch für das Rennen um den texanischen Gouverneursposten.
Und der lautet: "Why the hell not?"
Wegen seiner politischen Karriere hat Kinky übrigens alle literarischen Ambitionen aufgegeben. Genauso wie er vor 20 Jahren sein Dasein als Country-Musiker aufgab.
Die Welt ist ein einziger Verlust. Ewig schade.
Und damit endlich zur richtigen Kriminalliteratur.
"Der vierzehnte Stein" heißt der neue, im Aufbau-Verlag erschienene Krimi von Frankreichs "Grand Dame" des Krimis, Fred Vargas.
Unser Rezensent bringt es gleich auf den Punkt:
"Der vierzehnte Stein" ist ein fast perfektes Buch.
In der Tat! Fred Vargas schreibt derzeit die weltweit besten Krimis! "Der vierzehnte Stein" ist eines der seltenen Bücher, das den auf dem Cover abgedruckten Superlativen vollauf gerecht wird.
"Meisterhaft"
"Vollendet"
Genau. Jedenfalls fast.
Vargas' Held ist der Pariser Kommissar Adamsberg mit seiner Mannschaft. Adamsberg erhebt einigen Anspruch darauf, der legitime, intelligente Nachfolger von Kommissar Maigret zu werden. Die gleichen Diensträume am Quai des Orfevres bewohnt er bereits. An poetischer Melancholie ist die Vargas Simenon allerdings weit überlegen.
Adamsberg ist ein großer Schweiger. Jemand, der seinen Instinkten glaubt. Gleich am Anfang des Buches hat Kommissar Adamsberg ein "deja-vu"-Erlebnis: eine Leiche mit drei Einstichen in der Brust wurde gefunden. Den gleichen drei Einstichen, die Adamsberg sein Leben lang begleitet haben. Schon vor dreißig Jahren wurde sein kleinerer Bruder verdächtigt, auf diese Weise seine Freundin umgebracht zu haben. Adamsberg wusste schon damals, dass ein Richter namens Fulgence der Täter sein musste, er konnte ihm aber nichts nachweisen.
Jahrelang hat Richter Fulgence weiter derart gemordet, jahrelang hat Adamsberg ihn gejagt und ihn doch nie überführen können. Jetzt ist der Richter seit Jahren tot ... und doch scheint er plötzlich wieder zu morden.
Nur unvollkommen kann jede Nacherzählung die atmosphärische Dichte von "Der vierzehnte Stein" vermitteln: Wie sich mehr und mehr der Verdacht erhärtet, dass Kommissar Adamsberg selbst der Schuldige geworden sein könnte, selbst zum Opfer seines lebenslangen Traumas wurde und selbst in die Rolle des Mörders schlüpft, den er ein Leben lang gejagt hat. Unser Rezensent meint:
... das ist großartig und himmelweit von allem entfernt, was sich derzeit Krimi nennt.
Es ist obendrein dem Aufbau-Verlag zu verdanken, dass er sich für dieses Wunder von einem Buch eine kongeniale Wortkünstlerin als Übersetzerin geleistet hat: Der deutschen Schriftstellerin Julia Schoch gelingt es, in Adamsbergs Haut zu schlüpfen und obendrein äußerst amüsant das franko-kanadische Kauderwelsch, das sich die Vargas für ihren Roman erfunden hat, zu übersetzen.
Im von Julia Schoch übersetzten Quebequeoise sind die Bullen "Coches" und Kumpel "Schumms" und Adamsberg ist ein "Wolkenschaufler". Das ist gut.
Sag mal ... hat unser Rezensent schon jemals so gejubelt wie heute?
Ich kann mich nicht erinnern.
Gibt es an dem Buch so gar nichts auszusetzen?
Eine kitzekleine Kleinigkeit: Aber die merkt man erst am Ende.
Das Motiv der Morde, eine lebenslange Mordserie nach Spielanleitung ist mindestens so hanebüchen, wie ein Kinky-Friedman-Buch.
Aber das ist hier in der Krimi-Kolumne kein rechtes Gegenargument.
Und damit zu einer Neuerung in der deutschen Krimiszene. Eine Jury von Kritikern, die sich nicht entblödet hat, auch Existenzen wie unseren Rezensenten in ihre Reihen aufgenommen zu haben, wählt fortan jeden Monat ihren Krimi des Monats. Die so genannte "Krimiwelt-Bestenliste" hat es sich zur Aufgabe gemacht, allmonatlich eine qualitative Hitparade aus allen Krimineuerscheinungen zu erstellen ... und siehe da:
Auf dem Spitzenplatz in der Krimiwelt-Bestenliste im Mai:
Unangefochten und hochverdient: Fred Vargas, "Der vierzehnte Stein", erschienen im Aufbau-Verlag.
Auf Platz 2 David Peace, 1974, erschienen im Münchner Verlag Liebeskind. Ein extrem brutaler und extrem düsterer Krimi um Kindermorde und Polizei-Korruption in England. Lange nicht hat sich eine derartige Ansammlung von Schlägen, Sex und Brutalität zwischen zwei Buchdeckeln eingefunden. Von David Peace in allerknappsten Sätzen ebenso brutal erzählt. Man meint die dauernd fließende Pisse buchstäblich zwischen den Buchdeckeln zu riechen.
Einwortsätze.
Schläge.
Schmuddel.
Schwänze.
Überall
"hart am Ekel-Kitsch, aber schon ein Hammer und sehr beeindruckend" nannte das ein ebenfalls staunend stammelnder Kollege unseres Rezensenten.
Für unsere zart besaitete öffentlich-rechtliche Kolumne eindeutig zu harter Stoff. Wie ich den Rezensenten kenne, hat er sich geweigert, so ein Buch fertig zu lesen.
Aber bis dahin war es wirklich sehr beeindruckend.
Selten nur ist es wahr, dass ein Krimi "nichts für sanfte Gemüter ist". Für dieses Buch trifft es zu.
Und es kommt noch schlimmer: 1974 von David Peace, erschienen bei Liebeskind, ist nur der erste Band einer vierbändigen Serie.
Genug - es folgt die Werbeunterbrechung.
Die Krimitips der Krimiwelt-Jury sind nachzulesen im Internet unter den Buchtipps von Arte-TV:
http://www.arte-tv.com/de/kunst-musik/buchtipps/480126.html
Und als Entschädigung für all den Schund und Dreck zum Schluss noch zu einer wahren Sensation: einem Knüller, einer wahren Neu- und Wiederentdeckung, einem Buch, auf das die Welt wirklich gewartet hat.
Sie ist zurück! Sie, die wunderhübsche und wundervolle, millionenschwere und männermordende, alle Herzen betörende Modesty Blaise.
In allen Kampfes- und Liebeskünsten ist sie erfahren und immer bereit, ihr Leben im luxuriösen Müßiggang für ein schnelles Abenteuer hinter sich zu lassen.
Ihr zur Seite ihr treuer Gefährte Willie Garvin, der es schafft, das Pärchen aus jeder noch so misslichen Lage zu befreien.
Und den beiden zur Seite jetzt der Unionsverlag, der die beiden aus der schlimmsten Bedrängnis befreit:
der Gefahr vergessen zu werden.
Modesty Blaise entstand vor fast zwei Generationen als Comic-Figur des Britischen Autors Peter O'Donell. 1963 erschienen die ersten Geschichten mit ihr im Londoner "Evenig Standard": Sixties-durchflutet, witzig, lüstern, beautiful immer im typisch britischen Kampf um die Weltherrschaft.
Modesty Blaise, die all den Sex hat, von dem bei James Bond immer nur geredet wird, ist unverschämt trivial. Die Kunstlosigkeit, mit der hier erzählt wird, erscheint aus der historischen Distanz allerdings immer mehr wie eine makellose Schönheit. Es hat schon Rezensenten gegeben, die sich im Modesty geradezu verliebt haben ...
... mein Privatleben geht euch gar nichts an ...
"Modesty Blaise, Die Klaue des Drachens", heißt der erste von hoffentlich noch vielen Bänden, die der Unionsverlag jetzt in überarbeiteten Übersetzungen neu herausgebracht hat. Der Band hat nur einen Nachteil ...
... sofort will man all die anderen Abenteuer an der Seite von Modesty bestehen ...
... und bis im Herbst die nächsten Bände neu erscheinen, bleibt
unserem Rezensenten keine Wahl, als mit den alten abgegriffenen Bänden vorlieb zu nehmen, die er sich jetzt für 2 Euro Stück für Stück beim "Zentralen Verzeichnis antiquarischer Bücher" bestellen muss.
Vielleicht kann Modesty Blaise Kinky Friedman überreden, doch noch ein Buch zu schreiben?
Wenn Sie das nicht wollen oder überhaupt anderer Meinung sein sollten als unser Rezensent, so gilt auch dieses Mal das alte Spiel:
* Zuspielung des akustischen Sketches wie jedes Mal *
Besprochene Bände:
Im Gegenteil, jetzt geht's erst richtig los!
Die Krimikolumne, nur echt mit dem Rezensenten.
.... und heute endlich mal wieder: mit Kinky Friedman! Welcome!
* Zuspielung "So welcome to you kinky"
Die traurige Nachricht zuerst: Nach siebzehn erschütternd komischen Krimis hat Kinky Friedman das Handtuch geworfen. In dem Roman "Ten Little New Yorkers", der gerade bei Simon & Schuster in Amerika neu erschienen ist, stirbt erst Kinkys Katze, jenes bewundernswert weltweise Geschöpf, das abgesehen vom Totenschädel Hamlets die stummste Rolle in der Weltliteratur spielen durfte. Und später im Buch stirbt der Detektiv Kinky Friedman ... von seinem Autor Kinky Friedman um die Ecke gebracht. Die Welt ist schon wieder um eine Illusion ärmer.
Und warum das alles?
Das ist schon wieder Teil der guten Nachricht: Kinky Friedman ist in der realen Welt in das Rennen um den Gouverneursposten von Texas eingestiegen. Als unabhängiger Kandidat. Aussichtslos, aber mit allem nötigen Ernst. Unterstützt wird er von Willie Nelson, der das Amt des Chefs der Texas Rangers übernehmen soll und angeblich auch von George W. Bush's Ehefrau Laura Bush.
Im Falle eines Wahlsieges will Kinky das Glücksspiel erlauben, die "political correctness" sofort abschaffen und seinen palästinensischen Friseur Farouk zum texanischen Botschafter in Israel ernennen.
Kinky zum Gouveneur!
Mehr über "Ten Little New Yorkers" in einer der nächsten Krimi-Kolumnen. Heute erstmal einiges über: "Ballettratten in der Vandam Street",die neueste Kinky Friedman Übersetzung, die in der edition Tiamat erschienen ist.
Sechs lange Jahre hat es seit dem Erscheinen der amerikanischen Ausgabe der "Ballettratten" gedauert, bis das Buch den deutschen Markt erreichte. Dafür enthält es jetzt ein launiges Nachwort von Wiglaf Droste.
Ein Nachwort, in dem Wiglaf Droste ungestraft behaupten darf, die Handlung bei Kinky Friedman sei- Zitat - oft
"Hanebüchen und dürftig"
... worauf Droste sofort in ein großes Liebesgeheul für den texanischen Kauz und Ex-Countrysänger Kinky ausbricht, und es gibt niemand auf der großen weiten Welt, der diesem Nachwort widersprechen würde. Im Gegenteil ....
... und gerade deshalb ....
... behauptet unser Rezensent ...
... hat sich das Warten gelohnt.
Denn auch "Ballettratten in der Vandam Street" strotzt von den üblichen Kinky-Friedman-Weisheiten, die die Welt im Monolog mit der Katze erklären
Die Katze - natürlich - sagte nichts.
... noch immer klingeln Kinkys zwei Telefone gleichzeitig, es wird Jameson Whiskey aus dem Stierhorn getrunken und die Geschichten sind dürftiger und hanebüchener denn je:
Und zwar folgendermaßen: Kinky fällt die Decke auf den Kopf. Nicht im übertragenen Sinne, sondern buchstäblich. Seine Obermieterin, Winnie Katz, die Leiterin der weltberühmten Lesbentanzschule in der Vandam Street, bringt mit ihrem Tanzkurs Kinkys Zimmerdecke zum Einstürzen. Um Winnie etwas einzuschüchtern und ihr dann generös seine Hilfe anbieten zu können, schreibt Kinky ihr einen Drohbrief ...
... leider wird Winnie kurz darauf wirklich fast ermordet.
Kinky setzt alle seine Freunde einzeln auf den fiktiven Fall an, um heraus zu finden, wer von ihnen der beste Dr. Watson wäre. Eine große Prügelei zwischen allen beendet den Band, der zwischen Komik und Kauzigkeit jeden Kinky-Fan beglücken wird und alle Kinky-Kopfschüttler nur umso heftiger den Kopf schütteln lassen wird.
Also ich find Kinky hanebüchen
Und ich die Storys äußerst dürftig.
Nur unser Rezensent
... versinkt in Verehrung.
Und ist begeistert von "Ballettratten in der Vandam Street", dem endlich in der Edition Tiamat erschienenen neuen Krimi von Kinky Friedman.
Ich halte es obendrein mit Kinkys Wahlspruch für das Rennen um den texanischen Gouverneursposten.
Und der lautet: "Why the hell not?"
Wegen seiner politischen Karriere hat Kinky übrigens alle literarischen Ambitionen aufgegeben. Genauso wie er vor 20 Jahren sein Dasein als Country-Musiker aufgab.
Die Welt ist ein einziger Verlust. Ewig schade.
Und damit endlich zur richtigen Kriminalliteratur.
"Der vierzehnte Stein" heißt der neue, im Aufbau-Verlag erschienene Krimi von Frankreichs "Grand Dame" des Krimis, Fred Vargas.
Unser Rezensent bringt es gleich auf den Punkt:
"Der vierzehnte Stein" ist ein fast perfektes Buch.
In der Tat! Fred Vargas schreibt derzeit die weltweit besten Krimis! "Der vierzehnte Stein" ist eines der seltenen Bücher, das den auf dem Cover abgedruckten Superlativen vollauf gerecht wird.
"Meisterhaft"
"Vollendet"
Genau. Jedenfalls fast.
Vargas' Held ist der Pariser Kommissar Adamsberg mit seiner Mannschaft. Adamsberg erhebt einigen Anspruch darauf, der legitime, intelligente Nachfolger von Kommissar Maigret zu werden. Die gleichen Diensträume am Quai des Orfevres bewohnt er bereits. An poetischer Melancholie ist die Vargas Simenon allerdings weit überlegen.
Adamsberg ist ein großer Schweiger. Jemand, der seinen Instinkten glaubt. Gleich am Anfang des Buches hat Kommissar Adamsberg ein "deja-vu"-Erlebnis: eine Leiche mit drei Einstichen in der Brust wurde gefunden. Den gleichen drei Einstichen, die Adamsberg sein Leben lang begleitet haben. Schon vor dreißig Jahren wurde sein kleinerer Bruder verdächtigt, auf diese Weise seine Freundin umgebracht zu haben. Adamsberg wusste schon damals, dass ein Richter namens Fulgence der Täter sein musste, er konnte ihm aber nichts nachweisen.
Jahrelang hat Richter Fulgence weiter derart gemordet, jahrelang hat Adamsberg ihn gejagt und ihn doch nie überführen können. Jetzt ist der Richter seit Jahren tot ... und doch scheint er plötzlich wieder zu morden.
Nur unvollkommen kann jede Nacherzählung die atmosphärische Dichte von "Der vierzehnte Stein" vermitteln: Wie sich mehr und mehr der Verdacht erhärtet, dass Kommissar Adamsberg selbst der Schuldige geworden sein könnte, selbst zum Opfer seines lebenslangen Traumas wurde und selbst in die Rolle des Mörders schlüpft, den er ein Leben lang gejagt hat. Unser Rezensent meint:
... das ist großartig und himmelweit von allem entfernt, was sich derzeit Krimi nennt.
Es ist obendrein dem Aufbau-Verlag zu verdanken, dass er sich für dieses Wunder von einem Buch eine kongeniale Wortkünstlerin als Übersetzerin geleistet hat: Der deutschen Schriftstellerin Julia Schoch gelingt es, in Adamsbergs Haut zu schlüpfen und obendrein äußerst amüsant das franko-kanadische Kauderwelsch, das sich die Vargas für ihren Roman erfunden hat, zu übersetzen.
Im von Julia Schoch übersetzten Quebequeoise sind die Bullen "Coches" und Kumpel "Schumms" und Adamsberg ist ein "Wolkenschaufler". Das ist gut.
Sag mal ... hat unser Rezensent schon jemals so gejubelt wie heute?
Ich kann mich nicht erinnern.
Gibt es an dem Buch so gar nichts auszusetzen?
Eine kitzekleine Kleinigkeit: Aber die merkt man erst am Ende.
Das Motiv der Morde, eine lebenslange Mordserie nach Spielanleitung ist mindestens so hanebüchen, wie ein Kinky-Friedman-Buch.
Aber das ist hier in der Krimi-Kolumne kein rechtes Gegenargument.
Und damit zu einer Neuerung in der deutschen Krimiszene. Eine Jury von Kritikern, die sich nicht entblödet hat, auch Existenzen wie unseren Rezensenten in ihre Reihen aufgenommen zu haben, wählt fortan jeden Monat ihren Krimi des Monats. Die so genannte "Krimiwelt-Bestenliste" hat es sich zur Aufgabe gemacht, allmonatlich eine qualitative Hitparade aus allen Krimineuerscheinungen zu erstellen ... und siehe da:
Auf dem Spitzenplatz in der Krimiwelt-Bestenliste im Mai:
Unangefochten und hochverdient: Fred Vargas, "Der vierzehnte Stein", erschienen im Aufbau-Verlag.
Auf Platz 2 David Peace, 1974, erschienen im Münchner Verlag Liebeskind. Ein extrem brutaler und extrem düsterer Krimi um Kindermorde und Polizei-Korruption in England. Lange nicht hat sich eine derartige Ansammlung von Schlägen, Sex und Brutalität zwischen zwei Buchdeckeln eingefunden. Von David Peace in allerknappsten Sätzen ebenso brutal erzählt. Man meint die dauernd fließende Pisse buchstäblich zwischen den Buchdeckeln zu riechen.
Einwortsätze.
Schläge.
Schmuddel.
Schwänze.
Überall
"hart am Ekel-Kitsch, aber schon ein Hammer und sehr beeindruckend" nannte das ein ebenfalls staunend stammelnder Kollege unseres Rezensenten.
Für unsere zart besaitete öffentlich-rechtliche Kolumne eindeutig zu harter Stoff. Wie ich den Rezensenten kenne, hat er sich geweigert, so ein Buch fertig zu lesen.
Aber bis dahin war es wirklich sehr beeindruckend.
Selten nur ist es wahr, dass ein Krimi "nichts für sanfte Gemüter ist". Für dieses Buch trifft es zu.
Und es kommt noch schlimmer: 1974 von David Peace, erschienen bei Liebeskind, ist nur der erste Band einer vierbändigen Serie.
Genug - es folgt die Werbeunterbrechung.
Die Krimitips der Krimiwelt-Jury sind nachzulesen im Internet unter den Buchtipps von Arte-TV:
http://www.arte-tv.com/de/kunst-musik/buchtipps/480126.html
Und als Entschädigung für all den Schund und Dreck zum Schluss noch zu einer wahren Sensation: einem Knüller, einer wahren Neu- und Wiederentdeckung, einem Buch, auf das die Welt wirklich gewartet hat.
Sie ist zurück! Sie, die wunderhübsche und wundervolle, millionenschwere und männermordende, alle Herzen betörende Modesty Blaise.
In allen Kampfes- und Liebeskünsten ist sie erfahren und immer bereit, ihr Leben im luxuriösen Müßiggang für ein schnelles Abenteuer hinter sich zu lassen.
Ihr zur Seite ihr treuer Gefährte Willie Garvin, der es schafft, das Pärchen aus jeder noch so misslichen Lage zu befreien.
Und den beiden zur Seite jetzt der Unionsverlag, der die beiden aus der schlimmsten Bedrängnis befreit:
der Gefahr vergessen zu werden.
Modesty Blaise entstand vor fast zwei Generationen als Comic-Figur des Britischen Autors Peter O'Donell. 1963 erschienen die ersten Geschichten mit ihr im Londoner "Evenig Standard": Sixties-durchflutet, witzig, lüstern, beautiful immer im typisch britischen Kampf um die Weltherrschaft.
Modesty Blaise, die all den Sex hat, von dem bei James Bond immer nur geredet wird, ist unverschämt trivial. Die Kunstlosigkeit, mit der hier erzählt wird, erscheint aus der historischen Distanz allerdings immer mehr wie eine makellose Schönheit. Es hat schon Rezensenten gegeben, die sich im Modesty geradezu verliebt haben ...
... mein Privatleben geht euch gar nichts an ...
"Modesty Blaise, Die Klaue des Drachens", heißt der erste von hoffentlich noch vielen Bänden, die der Unionsverlag jetzt in überarbeiteten Übersetzungen neu herausgebracht hat. Der Band hat nur einen Nachteil ...
... sofort will man all die anderen Abenteuer an der Seite von Modesty bestehen ...
... und bis im Herbst die nächsten Bände neu erscheinen, bleibt
unserem Rezensenten keine Wahl, als mit den alten abgegriffenen Bänden vorlieb zu nehmen, die er sich jetzt für 2 Euro Stück für Stück beim "Zentralen Verzeichnis antiquarischer Bücher" bestellen muss.
Vielleicht kann Modesty Blaise Kinky Friedman überreden, doch noch ein Buch zu schreiben?
Wenn Sie das nicht wollen oder überhaupt anderer Meinung sein sollten als unser Rezensent, so gilt auch dieses Mal das alte Spiel:
* Zuspielung des akustischen Sketches wie jedes Mal *
Besprochene Bände:
- Kinky Friedman, Ballettratten in der Vandam Street, Edition Tiamat
- Kinky Friedman, Ten Little New Yorkers; Simon & Schuster (USA) Peter O'Donnell
- Modesty Blaise. Die Klaue des Drachen, Unionsverlag UT 331
- David Peace, 1974
- Liebeskind Fred Vargas, Der zehnte Stein, Aufbau-Verlag
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