Was für ein Mensch dieser Karol Wojtyla eigentlich sei, wurde Stefan Kardinal Wyszynski, der Primas der polnischen Katholischen Kirche, gefragt. Man schrieb das Jahr 1964. Wojtyla war soeben zum Erzbischof von Krakau ernannt worden. Wyszynski, ein legendärer "Staatsmann" der Kirche im Kommunismus, antwortete im Blick auf Wojtyla: "Ein Dichter".
Wer Kunstsinn und politisches Kalkül als Gegensatz empfindet, mag stutzen: An einem überaus diesseitigen Machtbewußtsein hat es ja dem späteren Papst, Johannes Paul II, wahrlich nicht gemangelt. Dieser Papst hat vom Vatikan aus entscheidend den Zusammenbruch des Kommunismus betrieben. Er hat den Siegeszug der marxistisch inspirierten Theologie der Befreiung in Lateinamerika gestoppt. Er hat sein ganzes päpstliches Gewicht beim Kampf der Wertekonservativen gegen die Geburtenkontrolle in die Waagschale geworfen - und sich immer wieder gegen die Reform der katholischen Hierarchie gestemmt.
Eine Künstlerseele schien in Johannes Paul II nicht eben zu walten. Dennoch: Die eigentliche Welt des Karol Wojtyla schien lange Zeit die Kunst zu sein - das Theater, die Literatur.
Im Gymnasium von Wadowice, der südpolnischen Kleinstadt unweit von Krakau, ließ sich der junge Karol Wojtyla in den dreißiger Jahren vom Theater begeistern. Dabei folgte er einem durchaus radikalen ästhetischen Programm, das sein Lehrer Mieczyslaw Kotlarczyk entworfen hatte. Dieses Theater verschmähte die üppige Ausstattung des bürgerlichen Bühnenspiels. Es beschränkte sich auf ein szenisches Minimum. Bewusstseins-Theater sollte es sein, und so wurde es von dem jungen Wojtyla weiterentwickelt, zwischen Philosophie und Liturgie changierend und sich auf den heilsgeschichtlichen Missionsdrang der polnischen Romantik eines Adam Mickiewicz berufend.
Nach dem Zweiten Weltkrieg hat Karol Wojtyla als Dramatiker Anerkennung beim Publikum und der Kritik geerntet - dies nicht nur in Polen, sondern zum Beispiel auch in Großbritannien. Zumeist handelte es sich um Lesedramen, die sich nicht unbedingt zur Aufführung eigneten. Das wohl bekannteste: "Der Bruder unseres Gottes" erzielt seine dramaturgische Spannung aus dem Gegensatz von revolutionärer Haltung und Barmherzigkeit angesichts des Elends der irdischen Welt - und ist dabei nicht auf platte Weise antirevolutionär.
Doch zurück zu den Anfängen: 1938, nach dem Abitur, war Karol mit seinem Vater von Wadowice nach Krakau gezogen. Er studierte an der Jagellonen-Universität polnische Philologie und spielte Studententheater - bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs. Bereits im Oktober 1939 wurden die Professoren seiner Universität verhaftet und in Konzentrationslager verschleppt. Das Studium war von nun an eine Veranstaltung des polnischen Untergrunds, das Theater ebenso. Karol Wojtyla spielte in konspirativen Privatwohnungen.
Um seinen Aufenthalt in Krakau gegenüber den deutschen Besatzungsbehörden zu legitimieren, verrichtete er ab Herbst 1940 körperliche Arbeit - zunächst im Steinbruch, dann in einer Chemie-Fabrik. Bereits diese ersten Erfahrungen mit der Unmenschlichkeit der Arbeitswelt - unter den Bedingungen von Krieg und Besatzungen - fließen in das später entstehende lyrische Werk von Wojtyla ein. "Die Größe der Arbeit liegt im Menschen" lautet es in einem Gedicht aus einem Zyklus, der in den fünfziger Jahren erscheint und dessen Thema die Deformation des Einzelnen durch Zwänge der Arbeitswelt ist. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Gedichtszyklus übt der Autor in Krakau das Priesteramt aus.
Der Entschluss Karol Wojtylas, in ein Priesterseminar einzutreten, datiert - seinen späteren Auskünften zufolge - aus dem Jahre 1942. Damals stand Wojtyla auch unter dem Einfluß von Jan Tyranowski, einem Krakauer Schneider, der seine eigene Untergrundgemeinde aufbaute und ihre Mitglieder für die Ideen der Mystik begeisterte. Und Adam Sapieha, der Erzbischof von Krakau, nimmt Wojtyla schließlich in sein - ebenfalls illegales - Priesterseminar auf.
Es kann keinen Zweifel daran bestehen, daß über alle meditativen und mystischen Interessen Wojtylas hinaus die Erfahrung des Weltkriegs - die unvorstellbar grausame Besatzungspolitik, der Völker- und Judenmord - einen entscheidenden Einfluß auf die Berufswahl Wojtylas ausgeübt hat, also auf seine Entscheidung nicht Künstler, sondern Priester zu werden. Dabei stand seine geistliche Laufbahn - sein langjähriges Lehrdeputat für Ethik an der katholischen Universität Lublin, das Amt eines Bischofs, später dann Erzbischofs sowie die Kardinalswürde - keineswegs im Widerspruch zu Wojtylas künstlerischen Neigungen.
Ein verbindendes Glied zwischen Künstlertum und Priesteramt war dabei wohl Wojtylas radikal subjektiver Bezug zur Welt. Der Mensch, nicht das System oder die Hierarchie sollten im Mittelpunkt stehen. Erst mit dem Wechsel des Krakauer Erzbischofs in das höchste Amt der Katholischen Kirche gab Karol Wojtyla die Kunst anscheinend auf. Sein letztes Gedicht schrieb er, soweit jedenfalls heute bekannt, im Jahre 1978 - kurz vor seiner Wahl zum Papst.
Wer Kunstsinn und politisches Kalkül als Gegensatz empfindet, mag stutzen: An einem überaus diesseitigen Machtbewußtsein hat es ja dem späteren Papst, Johannes Paul II, wahrlich nicht gemangelt. Dieser Papst hat vom Vatikan aus entscheidend den Zusammenbruch des Kommunismus betrieben. Er hat den Siegeszug der marxistisch inspirierten Theologie der Befreiung in Lateinamerika gestoppt. Er hat sein ganzes päpstliches Gewicht beim Kampf der Wertekonservativen gegen die Geburtenkontrolle in die Waagschale geworfen - und sich immer wieder gegen die Reform der katholischen Hierarchie gestemmt.
Eine Künstlerseele schien in Johannes Paul II nicht eben zu walten. Dennoch: Die eigentliche Welt des Karol Wojtyla schien lange Zeit die Kunst zu sein - das Theater, die Literatur.
Im Gymnasium von Wadowice, der südpolnischen Kleinstadt unweit von Krakau, ließ sich der junge Karol Wojtyla in den dreißiger Jahren vom Theater begeistern. Dabei folgte er einem durchaus radikalen ästhetischen Programm, das sein Lehrer Mieczyslaw Kotlarczyk entworfen hatte. Dieses Theater verschmähte die üppige Ausstattung des bürgerlichen Bühnenspiels. Es beschränkte sich auf ein szenisches Minimum. Bewusstseins-Theater sollte es sein, und so wurde es von dem jungen Wojtyla weiterentwickelt, zwischen Philosophie und Liturgie changierend und sich auf den heilsgeschichtlichen Missionsdrang der polnischen Romantik eines Adam Mickiewicz berufend.
Nach dem Zweiten Weltkrieg hat Karol Wojtyla als Dramatiker Anerkennung beim Publikum und der Kritik geerntet - dies nicht nur in Polen, sondern zum Beispiel auch in Großbritannien. Zumeist handelte es sich um Lesedramen, die sich nicht unbedingt zur Aufführung eigneten. Das wohl bekannteste: "Der Bruder unseres Gottes" erzielt seine dramaturgische Spannung aus dem Gegensatz von revolutionärer Haltung und Barmherzigkeit angesichts des Elends der irdischen Welt - und ist dabei nicht auf platte Weise antirevolutionär.
Doch zurück zu den Anfängen: 1938, nach dem Abitur, war Karol mit seinem Vater von Wadowice nach Krakau gezogen. Er studierte an der Jagellonen-Universität polnische Philologie und spielte Studententheater - bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs. Bereits im Oktober 1939 wurden die Professoren seiner Universität verhaftet und in Konzentrationslager verschleppt. Das Studium war von nun an eine Veranstaltung des polnischen Untergrunds, das Theater ebenso. Karol Wojtyla spielte in konspirativen Privatwohnungen.
Um seinen Aufenthalt in Krakau gegenüber den deutschen Besatzungsbehörden zu legitimieren, verrichtete er ab Herbst 1940 körperliche Arbeit - zunächst im Steinbruch, dann in einer Chemie-Fabrik. Bereits diese ersten Erfahrungen mit der Unmenschlichkeit der Arbeitswelt - unter den Bedingungen von Krieg und Besatzungen - fließen in das später entstehende lyrische Werk von Wojtyla ein. "Die Größe der Arbeit liegt im Menschen" lautet es in einem Gedicht aus einem Zyklus, der in den fünfziger Jahren erscheint und dessen Thema die Deformation des Einzelnen durch Zwänge der Arbeitswelt ist. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Gedichtszyklus übt der Autor in Krakau das Priesteramt aus.
Der Entschluss Karol Wojtylas, in ein Priesterseminar einzutreten, datiert - seinen späteren Auskünften zufolge - aus dem Jahre 1942. Damals stand Wojtyla auch unter dem Einfluß von Jan Tyranowski, einem Krakauer Schneider, der seine eigene Untergrundgemeinde aufbaute und ihre Mitglieder für die Ideen der Mystik begeisterte. Und Adam Sapieha, der Erzbischof von Krakau, nimmt Wojtyla schließlich in sein - ebenfalls illegales - Priesterseminar auf.
Es kann keinen Zweifel daran bestehen, daß über alle meditativen und mystischen Interessen Wojtylas hinaus die Erfahrung des Weltkriegs - die unvorstellbar grausame Besatzungspolitik, der Völker- und Judenmord - einen entscheidenden Einfluß auf die Berufswahl Wojtylas ausgeübt hat, also auf seine Entscheidung nicht Künstler, sondern Priester zu werden. Dabei stand seine geistliche Laufbahn - sein langjähriges Lehrdeputat für Ethik an der katholischen Universität Lublin, das Amt eines Bischofs, später dann Erzbischofs sowie die Kardinalswürde - keineswegs im Widerspruch zu Wojtylas künstlerischen Neigungen.
Ein verbindendes Glied zwischen Künstlertum und Priesteramt war dabei wohl Wojtylas radikal subjektiver Bezug zur Welt. Der Mensch, nicht das System oder die Hierarchie sollten im Mittelpunkt stehen. Erst mit dem Wechsel des Krakauer Erzbischofs in das höchste Amt der Katholischen Kirche gab Karol Wojtyla die Kunst anscheinend auf. Sein letztes Gedicht schrieb er, soweit jedenfalls heute bekannt, im Jahre 1978 - kurz vor seiner Wahl zum Papst.