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Die Kunst der Resignation

Ist es sinnvoll, wenn ein Buch seine Quintessenz schon mit dem ersten Satz verrät? "Ohne Sinn - und trotzdem glücklich: Das ist die Kunst der Resignation." So beginnt der Autor, und der Leser befürchtet, das könnte es dann schon gewesen sein. Und dabei hatten wir doch gehofft, einiges darüber zu erfahren, wie aus der Resignation, von der viele Menschen ohne ihr Zutun einfach überfallen werden, eine vorsätzliche und bewusste "Kunst" werden kann. Wir würden sie allzu gerne zum Einsatz bringen, schon um dem hemmungslosen Optimismus und grundlosen "Positivdenken" unserer Zeit etwas entgegen zu setzen. Ist es nicht so, dass zur Resignation bisweilen mehr Anlass besteht als zur zukunftsfrohen Schönfärberei?

Wilhelm Schmid |
    Resignation ist zumindest eine der Möglichkeiten, die bleibt, wenn keine Wahl mehr besteht und ein misslicher Zustand einfach hingenommen werden muss. Eine "Kunst" könnte darauf zielen, die Resignation zu einer bewussten und gewählten Haltung zu machen und sie in vielen alltäglichen Details bis zum Raffinement zu verfeinern. Stattdessen entzieht uns der Autor, der in Schwäbisch Gmünd lehrende Philosoph Franz Josef Wetz, erst einmal den Boden, auf dem überhaupt von Resignation gesprochen werden kann. Er verengt die möglichen Gründe dafür auf den einen des "fehlenden Sinns", und davon könne man ja wohl nur sprechen, wenn Erwartungen enttäuscht worden sind. Also nicht Sinnlosigkeit oder, vorsichtiger ausgedrückt, Sinnfreiheit ist das Problem, mit dem wir fertig werden müssen, sondern unsere unangemessenen Erwartungen. Für unangemessen hält der Autor jede Erwartung einer transzendenten Dimension, die die endliche, begrenzte menschliche Existenz unendlich übersteigen könnte. Er empfiehlt, sich lieber mit der Reichweite der Alltäglichkeit zu bescheiden, denn schon "gute Antworten auf vorletzte Fragen ermöglichen das Gelingen unseres Daseins".

    Gelingen? Haben wir recht gelesen? Ist das Gelingen des diesseitigen Daseins etwa eine "Kunst der Resignation"? Resignation nur bezogen auf metaphysische Sinnerwartungen, sodass es um eine Kunst der "freiwilligen Sinnbescheidung und Unterwerfung unter das Unverfügbare" ginge, wie der Autor meint? Ja, so ist es. Nicht nur Abschied vom Sinn sollen wir nehmen, sondern auch noch "Abschied vom Abschied", bis wir nichts mehr vermissen. Eine solch positivistische Haltung als Kunst der Resignation zu verkaufen, erschiene freilich reichlich konstruiert, ihre Grundlagen könnten wohl kaum lange vorhalten, ihre Konsequenzen würden nicht allzu erfreulich sein. Aber es ist unklar, ob der Autor nicht in Wahrheit mit einer tragischen Weltsicht sympathisiert, wenn er davon spricht, dass "ein Schleier der Melancholie und Traurigkeit über allem Endlichen ausgebreitet sei"; und ob er nicht selbst ein Romantiker ist, wenn er es als "romantische" Vorstellung bezeichnet, dass "alles Menschliche im dunklen Grab der Erde" verschwindet, sodass eine Existenz allenfalls dann gelingen kann, wenn sie sich in der Vergänglichkeit, im Unvollkommenen und Fragmentarischen einrichtet.

    Das sind Überlegungen, die eine abgründige Dimension zum Vorschein bringen. Auf diesen Seiten seines Buches durchbricht der Autor die ansonsten zu zahlreichen Wiederholungsschleifen und gewinnt an Intensität, sodass man den Eindruck hat, ein großartiges Buch zu lesen, das sich nicht in oberflächlichen Betrachtungen des Positiven erschöpft. Die Einsicht in die Abgründigkeit geht einher mit der Schlussfolgerung, selbst etwas für die Bedeutsamkeit des eigenen Lebens tun zu müssen, wenn es denn trotz allem sinnvoll gelebt werden soll. Das wiederum bedürfte einer Lebenskunst, deren althergebrachten philosophischen Begriff der Autor aus unerfindlichen Gründen scheut, gleichwohl aber einige ihrer Künste erörtert. Das Lachen etwa, das ausreichend viel "tröstende Kraft" aufweist, um nicht unterzugehen in der Resignation. Eine eigene Auseinandersetzung gilt dem Wissen, das in der Moderne, anders als in früheren Zeiten, keine Glücksgestalt mehr darstellt und die Resignation eher noch befördert. Insbesondere für das kosmologische Wissen ist die gesamte Geschichte der Menschheit nur "eine vorübergehende Episode und ihr Schauplatz nur eine winzige Insel". Käme es angesichts des modernen Wissens aber nicht eher darauf an, an das alte sokratische "Ich weiss, dass ich nichts weiss" zu erinnern? Weisen wir dem Wissen nicht eine unangemessene Gewissheit zu, die ihm, wie die sich ständig korrigierende und selbst überbietende Wissenschaftsgeschichte zeigen kann, gar nicht zukommt?

    Daraus ergäbe sich freilich nicht Resignation, sondern einfach eine Haltung der Skepsis, und zu dieser neigt unser Autor definitiv nicht, aus guten Gründen: Sie würde eine "Kunst der Resignation" überflüssig machen. Allerdings wird von Resignation, halten wir dies zum Schluss fest, in diesem Buch ohnehin nur wenig gesprochen. Der erste Satz, der zum Schluss noch einmal wiederholt wird, hat tatsächlich schon alles verraten.