Zeit zum Feiern blieb den frisch gebackenen Nobelpreisträgern im Fach Medizin nicht, denn kaum waren ihre Namen heute am späten Vormittag veröffentlicht worden, standen ihre Telefone nicht mehr still, sagte etwa Paul Nurse. Die Molekularbiologen Leland Hartwell, Timothy Hunt und Paul Nurse, die genau einhundert Jahre nach der ersten Vergabe des Nobelpreises mit der Auszeichnung in den wissenschaftlichen Hochadel aufrücken, erhalten die mit rund einer Million Euro dotierte Ehrung für ihre Entdeckungen im Bereich der Steuerungsmechanismen des Lebenszyklus von Zellen. Die Arbeiten hätten bahn brechende Bedeutung auf dem Weg hin zu Therapien gegen Krebs erbracht, hieß es in der Begründung des schwedischen Karolinska-Institutes.
Die einzelnen Existenzphasen einer Zelle - ihr Wachstum, ihre Spezialisierung auf bestimmte Funktionen sowie ihre Vermehrung durch Teilung - unterliegen einem sehr fest definierten Steuerungsprogramm. Besonderes Augenmerk der Forscher gilt vor allem der Zellteilung, denn treten dabei Fehler auf, können die Zellen zum Keimzentrum von Krebs entarten. Bevor sich eine Zelle in zwei Tochtereinheiten teilt, müssen Kopien ihrer wichtigsten Produktionseinheiten, den so genannten Zellorganellen, sowie des Erbgutes angelegt werden. Im nächsten Schritt wird dann das verdoppelte Material räumlich getrennt und es beginnt die Abschnürung der Zelle in zwei Töchter. Die Lebenszyklen verschiedener Zelltypen unterscheiden sich in der Dauer ihrer Wachstumsphase, während die darauf folgenden Abschnitte im Leben der Zelle stets nach dem gleichen Zeitplan ablaufen. So durchlaufen Darmzellen den Zellzyklus in etwa nur acht Tagen, während sich andere Zellen beispielsweise nur alle 100 Tage oder sogar - wie Neurone - nie mehr teilen.
Dabei achtet die Zelle auf Qualität: Vor Beginn jedes Lebensabschnitts hält sie an einem Kontrollpunkt inne und prüft, ob etwa in der Synthesephase die Erbsubstanz wirklich vollständig kopiert wurde. Stellt sie dabei Fehler fest, leitet sie automatisch ein Selbstmordprogramm ein, die so genannte Apoptose, um zu verhindern, dass sich fehlerhafter Nachwuchs vermehrt. Der wichtigste Kontrollpunkt liegt am Ende der ersten Wachstumsphase "G1" und entscheidet, ob sich eine Zelle überhaupt teilt. Die exakte Überwachung dieses so genannten "Start"-Punktes ist entscheidend, denn eine ungebremste Vermehrung bedeutet das Entstehen von Krebs. So weisen die meisten Tumorzellen eine Veränderung in diesem Kontrollmechanismus auf. Bei allen Organismen, von der Hefezelle bis zum Menschen, gleicht sich die chemische Maschinerie, die die Zellen durch ihren Lebenskreislauf führt. Dabei sammelt sich ein bestimmtes Eiweiß langsam in der Zelle an. Sobald eine bestimmte Menge davon vorhanden ist, wird quasi ein molekularer Hauptschalter in der Zelle aktiviert, der die Zelle über den Kontrollpunkt in den nächsten Lebensabschnitt überführt.
Seit dem Beginn der 70er Jahre untersuchen Wissenschaftler die Natur des Zellzyklus. Als Versuchsobjekt diente vor allem die Bäckerhefe, weil sie einerseits ein sehr einfacher Organismus ist, andererseits aber bereits einen Zellkern mit dem Erbgut besitzt. Leland Hartwell ging bei seinen Untersuchungen davon aus, dass Hefen, die sich nicht weiter teilen können, auch entsprechend veränderte Erbanlagen besitzen müssten, die die Vermehrung verhindern. Tatsächlich entdeckte der heutige Direktor des Fred Hutchinson Krebsforschungszentrum in Seattle über 100 verschiedene Gene, die den Zellzyklus kontrollieren, darunter auch jenes Gen, das jenen wichtigen "Start"-Kontrollpunkt beim Übergang zur Phase der DNS-Verdoppelung überwacht. Fußend auf diesen Entdeckungen entwarf Hartwell das so genannte "Checkpoint"-Konzept: Der Ansatz besagt, dass der Lebenszyklus der Zelle sofort unterbrochen wird, sobald Chromosomen des Erbschatzes beschädigt werden.
Die beiden englischen Nobelpreisträger Hunt und Nurse, heute beide am britischen Imperial Cancer Research Fund tätig, untersuchten vor allem die chemischen Mechanismen in der Maschinerie der zellulären Qualitätskontrolle. So entdeckte Timothy Hunt die so genannten Zyklin-Proteine, deren Menge im Laufe eines Lebensabschnitts einer Zelle stetig zu nimmt und quasi die Funktion einer Sanduhr übernimmt. Ist eine bestimmte Konzentration an Zyklin-Proteinen erreicht, binden sie an so genannte CDK-Schaltermoleküle, die wiederum den Übergang in die nächste Lebensphase aktivieren. Paul Nurse wiederum entdeckte diese Zyklin-abhängigen Kinasen (CDK), als er die bei der Bäckerhefe gemachten Entdeckungen an anderen Hefetypen und schließlich auch an menschlichen Zellen überprüfte. Nurse konnte zeigen, dass Defekte in den CDK-Genen zu unkontrolliertem Wachstum von Zellen und damit zu Krebs führen können. Der Forscher lieferte so einen entscheidenden Ansatz zu einer gezielten Therapie gegen die krankhaft veränderten Zellen.
[Quellen: Gerd Pasch, Grit Kienzlen, Volkart Wildermuth]
Weitere Details finden Sie im Internet unter http://www.nobel.se/medicine/laureates/2001/press-ge.html.
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Die einzelnen Existenzphasen einer Zelle - ihr Wachstum, ihre Spezialisierung auf bestimmte Funktionen sowie ihre Vermehrung durch Teilung - unterliegen einem sehr fest definierten Steuerungsprogramm. Besonderes Augenmerk der Forscher gilt vor allem der Zellteilung, denn treten dabei Fehler auf, können die Zellen zum Keimzentrum von Krebs entarten. Bevor sich eine Zelle in zwei Tochtereinheiten teilt, müssen Kopien ihrer wichtigsten Produktionseinheiten, den so genannten Zellorganellen, sowie des Erbgutes angelegt werden. Im nächsten Schritt wird dann das verdoppelte Material räumlich getrennt und es beginnt die Abschnürung der Zelle in zwei Töchter. Die Lebenszyklen verschiedener Zelltypen unterscheiden sich in der Dauer ihrer Wachstumsphase, während die darauf folgenden Abschnitte im Leben der Zelle stets nach dem gleichen Zeitplan ablaufen. So durchlaufen Darmzellen den Zellzyklus in etwa nur acht Tagen, während sich andere Zellen beispielsweise nur alle 100 Tage oder sogar - wie Neurone - nie mehr teilen.
Dabei achtet die Zelle auf Qualität: Vor Beginn jedes Lebensabschnitts hält sie an einem Kontrollpunkt inne und prüft, ob etwa in der Synthesephase die Erbsubstanz wirklich vollständig kopiert wurde. Stellt sie dabei Fehler fest, leitet sie automatisch ein Selbstmordprogramm ein, die so genannte Apoptose, um zu verhindern, dass sich fehlerhafter Nachwuchs vermehrt. Der wichtigste Kontrollpunkt liegt am Ende der ersten Wachstumsphase "G1" und entscheidet, ob sich eine Zelle überhaupt teilt. Die exakte Überwachung dieses so genannten "Start"-Punktes ist entscheidend, denn eine ungebremste Vermehrung bedeutet das Entstehen von Krebs. So weisen die meisten Tumorzellen eine Veränderung in diesem Kontrollmechanismus auf. Bei allen Organismen, von der Hefezelle bis zum Menschen, gleicht sich die chemische Maschinerie, die die Zellen durch ihren Lebenskreislauf führt. Dabei sammelt sich ein bestimmtes Eiweiß langsam in der Zelle an. Sobald eine bestimmte Menge davon vorhanden ist, wird quasi ein molekularer Hauptschalter in der Zelle aktiviert, der die Zelle über den Kontrollpunkt in den nächsten Lebensabschnitt überführt.
Seit dem Beginn der 70er Jahre untersuchen Wissenschaftler die Natur des Zellzyklus. Als Versuchsobjekt diente vor allem die Bäckerhefe, weil sie einerseits ein sehr einfacher Organismus ist, andererseits aber bereits einen Zellkern mit dem Erbgut besitzt. Leland Hartwell ging bei seinen Untersuchungen davon aus, dass Hefen, die sich nicht weiter teilen können, auch entsprechend veränderte Erbanlagen besitzen müssten, die die Vermehrung verhindern. Tatsächlich entdeckte der heutige Direktor des Fred Hutchinson Krebsforschungszentrum in Seattle über 100 verschiedene Gene, die den Zellzyklus kontrollieren, darunter auch jenes Gen, das jenen wichtigen "Start"-Kontrollpunkt beim Übergang zur Phase der DNS-Verdoppelung überwacht. Fußend auf diesen Entdeckungen entwarf Hartwell das so genannte "Checkpoint"-Konzept: Der Ansatz besagt, dass der Lebenszyklus der Zelle sofort unterbrochen wird, sobald Chromosomen des Erbschatzes beschädigt werden.
Die beiden englischen Nobelpreisträger Hunt und Nurse, heute beide am britischen Imperial Cancer Research Fund tätig, untersuchten vor allem die chemischen Mechanismen in der Maschinerie der zellulären Qualitätskontrolle. So entdeckte Timothy Hunt die so genannten Zyklin-Proteine, deren Menge im Laufe eines Lebensabschnitts einer Zelle stetig zu nimmt und quasi die Funktion einer Sanduhr übernimmt. Ist eine bestimmte Konzentration an Zyklin-Proteinen erreicht, binden sie an so genannte CDK-Schaltermoleküle, die wiederum den Übergang in die nächste Lebensphase aktivieren. Paul Nurse wiederum entdeckte diese Zyklin-abhängigen Kinasen (CDK), als er die bei der Bäckerhefe gemachten Entdeckungen an anderen Hefetypen und schließlich auch an menschlichen Zellen überprüfte. Nurse konnte zeigen, dass Defekte in den CDK-Genen zu unkontrolliertem Wachstum von Zellen und damit zu Krebs führen können. Der Forscher lieferte so einen entscheidenden Ansatz zu einer gezielten Therapie gegen die krankhaft veränderten Zellen.
[Quellen: Gerd Pasch, Grit Kienzlen, Volkart Wildermuth]
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