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Die Lichtsignale der spukenden Kate Morgan

Schon Tony Curtis und Marilyn Monroe flanierten am Strand des Hotels del Coronado, dem ältesten und größten Holzgebäude Kaliforniens. Die wahre Attraktion ist aber das hauseigene Gespenst: Die alte Lady schaltet gelegentlich das Licht an und aus und spukt auch in ihrem Zimmer herum.

Von Margret Bielenberg |
    Wir fahren über die Coronado Bridge - eine riesige Stahlbetonkonstruktion. Über 3000 Meter lang auf einer Höhe von über 60 Metern. Unter uns: Segelschiffe mit weißen Segeln. Dazu blauer Himmel und strahlende Sonne. Plötzlich blitzen von Ferne rote Dächer auf: "The Del", so nennen die Einheimischen ihr Hotel del Coronado. Vor der Eingangshalle tummeln sich Hotelgäste, aber auch viele Tagestouristen. Eine Vierer-Gruppe steuert die Lobby an.

    Die Atmosphäre, der Ort, die ganze Holzkonstruktion begeistert das Paar. Sie wollen ihren Freunden aus New Jersey das Hotel zeigen. Auch Einheimische, die um die Ecke wohnen, kommen immer wieder. Sie mögen den Sonnenuntergang an der Bar und die alljährliche Weihnachtsbeleuchtung.

    Das Hotel del Coronado wurde als erstes Hotel direkt beim Bau mit elektrischem Licht ausgestattet. Thomas Edison persönlich überprüfte die Installation. 1904 kam er noch einmal ins Hotel, um den ersten im Freien aufgestellten, elektrisch beleuchteten Weihnachtsbaum in Augenschein zu nehmen.

    Ich bin mit Chris Donovan, der Historikerin des Hotels, in der Lobby verabredet. Wir sitzen auf tiefen dunklen Holzsesseln, die mit weichem Polster bezogen sind. Wände und Möbel sind in dunklem Holz gehalten. Schwere Teppiche in tiefem Rot schmücken den Boden.

    Das Reise- und Freizeitverhalten reicher Reisende hat sich über die Jahre verändert, sagt die Historikerin. Als das viktorianische Hotel 1888 eröffnet wurde, interessierten sich Amerikaner meist für Kricket, Bogenschießen und Polo. Heute seien die Restaurants am wichtigsten, die vielen Wellness-Möglichkeiten und das historische Gebäude. Das Hotel ist aus Holz gebaut, weiß gestrichen, mit rotem Dach. Seit 1977 steht es unter Denkmalschutz. Das runde Haupthaus erinnert an einen Leuchtturm. Obwohl das Hotel über 700 Zimmer und viele Strandapartments hat, wirkt es gemütlich: Innenhöfe mit Rasen, Palmen, Bänken und überall Blumen. Selbst die 13 hoteleigenen Geschäfte, bei denen es von Kinderkleidung bis zum Pelzmantel alles gibt, fügen sich in das Strandhotel ein. Kleine Boutiquen in alt englischer Tradition.

    Luxushotels gibt es viele. Was aber macht gerade dieses Hotel so anziehend für Menschen aus aller Welt? Chris Donovan ist davon überzeugt, dass es die Geschichte ist. Die meisten US-Präsidenten kamen ins Del. Charles Lindbergh wurde hier nach seinem Transatlantikflug geehrt. Rudolph Valentino, Charlie Chaplin und Humphrey Bogart waren zu Gast und das Filmteam um einen Regisseur österreichischer Herkunft ist regelrecht mit dem Del verschmolzen.

    Im Film heißt das Hotel zwar Seminole Ritz und liegt in Miami, doch in Wirklichkeit sind Marilyn Monroe, Tony Curtis und Jack Lemmon am Strand des kalifornischen Hotel del Coronado zu sehen.

    "Wir sind Billy Wilder sehr dankbar. Er hat dem Hotel in seinem Film solch eine Hauptrolle gegeben. Und wenn man "Manche mögen's heiß" sieht, dann kann man einen sehr guten Eindruck davon bekommen wie das Del aussieht. Er hat die Innenaufnahmen nicht hier gemacht. Das war in einem Studio. Aber sie haben es identisch nachgebaut."

    Die Menschen kommen, um die Vergangenheit wieder lebendig werden zu lassen, sagt Chris Donovan. Die wohl berühmteste Besucherin war und ist vielleicht noch heute Kate Morgan, schmunzelt die Historikerin. Die junge Frau kam 1892 ins Hotel, blieb einige Tage und wurde tot auf einer Außentreppe Richtung Strand gefunden. Es soll Selbstmord gewesen sein, andere glauben an Mord. Legenden ranken sich um die allein gereiste Frau, die ohne Gepäck ihr Zimmer bezog. Seitdem soll es hier spuken. Das einstige Zimmer von Kate Morgan sei das beliebteste im Hotel. Das hatte auch ein Freund von Deutsch-Amerikanerin Susanne Shaw gebucht. Sie lebt zwischen Los Angeles und San Diego und kommt regelmäßig mit Freunden ins Del.

    "Das hat eine riesige Tanzfläche. Alles wunderhübsch. Und hat auch ein Zimmer, wo ein Geist sein soll. Und ich war noch nicht in diesem Zimmer, aber ich habe einen Freund, der da gewohnt hatte. Und der die ganze Nacht nicht geschlafen hat und gesagt hat, dass er Stimmen gehört hat."

    Susanne ist nicht die einzige, die von übersinnlichen Erfahrungen erzählt, sagt Chris Donovan und führt mich in das an die Lobby angrenzende Souvenirgeschäft. Hier arbeitet Sandy. Sie ist davon überzeugt, dass Kate Morgan das Hotel nie ganz verlassen hat.

    "Sie ist irgendwie hier, weil sie ein paar Lampen aufblinken lässt. Und es sind immer dieselben Lampen. Und es kommt vor, dass das Buch über sie regelrecht aus dem Regal segelt. Es liegt dann ungefähr 1 1/2 Meter weiter. Und es ist nicht das oberste Buch, es ist das darunter, das herausfliegt. Das ist wahrscheinlich das Sichtbarste was in diesem Shop passiert."

    Auch ihre Mitarbeiterinnen hätten die gleichen Erfahrungen gemacht, betont Sandy. Elektriker wären mehrmals da gewesen und hätten alles überprüft. Nichts.

    "Dieses Geschäft war früher unten, wo die Kinderbekleidung jetzt ist und da hatten wir diese Aktivitäten auch. Vor sechs Jahren sind wir hier hoch gezogen und unten war nichts. Sie haben dort keinerlei Aktivitäten. Also ist sie mit uns umgezogen."

    Im Souvenirshop und in Kate Morgans Zimmer scheint es am häufigsten zu spuken. Einige Zimmermädchen weigern sich, das Zimmer 3327 sauber zu machen, andere wollen diesen Raum nicht allein betreten, erzählt die Historikerin. Ich bin neugierig geworden und kann Chris Donovan davon überzeugen, mir das Zimmer zu zeigen. Auch meine beiden Begleiter dürfen dabei sein. Wir nehmen den großen Aufzug in der Lobby mit der schmiedeeisernen Tür.

    Das mexikanische Zimmermädchen habe den Raum 3327 heute nicht sauber gemacht. Auch könne sie die Tür nicht öffnen. Auf die Frage, ob sie Angst habe, die Tür zu öffnen, reagiert sie unsicher und verschreckt und verweist uns auf eine andere Frau. Wir folgen Chris Donovan durch den breiten langen Flur, der mit dickem Teppich ausgelegt ist. An einer Tür hängt ein Schild: Attendant on duty. Hier muss also jemand arbeiten. Zweiter Versuch.

    Eine junge Frau steckt nur kurz den Kopf aus der Tür. Auch sie sei für 3327 heute nicht zuständig gewesen. Und schon ist die Tür wieder zu. Kein anderes Zimmermädchen weit und breit. Chris Donovan gibt auf. Sie will jetzt niemanden mehr suchen, der den Raum aufschließen kann. Das Zimmer sei sowieso klein, das Fenster geht nach hinten raus und hat keinen Meerblick, sagt sie. Aber trotzdem wollen die Leute das Zimmer.


    Wir dürfen uns hier in den Fluren nicht allein bewegen. Wegen der Privatsphäre der Gäste. Eine letzte Frage nach bekannten Stars, die gerade hier nächtigen, wird nicht beantwortet. Keiner der Angestellten dürfe darüber sprechen. Wir müssen nun gehen, machen uns auf den Weg hinaus auf die Terrasse und bestellen einen Kate-Morgan-Kaffee. Das immer noch schöne warme Wetter mit Blick über den breiten Strand aufs Meer tröstet uns über den so plötzlichen Abschied aus den Hotelfluren. Wir bleiben noch ein wenig sitzen, genießen die Sonne und den Anblick dieses beeindruckenden Hotels. Und automatisch stellt sich die Frage: Wo haben eigentlich Marilyn Monroe, Tony Curtis und Jack Lemmon am Strand gesessen?